Der Branche fehlt der Nachwuchs. Was tun? Die HGU fordert attraktivere Arbeitszeiten, mehr Wertschätzung und mehr Lohn.
Haben die Jungen, salopp gesagt, noch Bock auf das Gastgewerbe? Eine Antwort liefert das Bundesamt für Statistik. 2010 entschlossen sich 3901 Schulabgänger für eine gastgewerbliche Lehre. 2021 waren es nur noch 2785. Ein Minus von 30 Prozent.
Überdurchschnittlich hoch gegenüber anderen Branchen ist seit Jahren die Zahl der Lehrabbrüche in der Gastronomie und Hotellerie. Nach Arbeitsmarktdaten von Hotelleriesuisse hat in den letzten Jahren fast jeder dritte Lernende Restaurationsangestellte EBA die Ausbildung vorzeitig hingeschmissen. Bei den Küchenangestellten EBA lag die Quote bei rund 20 Prozent. Alle gastgewerblichen Berufe zusammengefasst, haben fast 14 Prozent der Lernenden noch vor dem Qualifikationsverfahren unserer Branche den Rücken gekehrt.
Was sind die Gründe? Liegt es am allgemein schlechten Image der Branche? Die Hotel & Gastro Union fühlt seit Jahren den Puls der Jungen, in dem sie rund 1400 Lernende befragt. Die diesjährige Umfrage kommt zum Schluss, dass eine grosse Mehrheit der Befragten stolz auf ihr Handwerk und zufrieden mit der Qualifikation ihrer Berufsbildner ist. 43 Prozent der Lernenden sind jedoch entschlossen oder ziehen es in Erwägung, nach der Lehre in andere Branchen abzuwandern.
Jene, die gehen, geben vor allem drei Minuspunkte an, die gegen eine Zukunft im Gastgewerbe sprechen. Da sind zum einen die unattraktiven Arbeitszeiten und viele, infolge des Personalmangels geforderte Überstunden. Zum anderen sind es mangelnde Wertschätzung seitens der Vorgesetzten und Gäste, die schlechte Führung und manchmal ein schlechtes Arbeitsklima in den Betrieben. Es gibt leider immer noch Berufsbildner, die ihre Lernenden wie billige Arbeitskräfte behandeln und ihrem Ausbildungsauftrag ungenügend nachkommen. Und dann die Sache mit dem Lohn. In anderen Branchen sehen Abwanderungswillige bessere Verdienstmöglichkeiten.
Die Hotel & Gastro Union will nicht länger zusehen und die Probleme an der Wurzel packen. Mit seinem Manifest zeigt der Branchenverband Wege aus der Krise und kommt mit Lösungsvorschlägen, die gemeinsam mit den Verbänden der Arbeitgeber umgesetzt werden müssen. Erster Punkt: die Arbeitszeiten. Nötig ist ein Überdenken der Arbeitseinteilung und der Arbeitsprozesse. Ziel muss die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit durch flexiblere Arbeitszeitmodelle sein. Dazu gehört auch eine frühere Bekanntgabe der Dienstpläne.
Zweiter Punkt: Es bedarf eines Kulturwandels im Führungsstil. Junge wollen mitreden. Fertig mit «ich bin der Chef». Wer seine Mitarbeitenden nicht achtet und schätzt, schadet der Branche. Die Devise muss lauten: «Mitsprache statt Ansprache.» Wer im Betrieb mitbestimmen kann, identifiziert sich mit diesem.
Dritter Punkt: mehr Lohn! Tiefe Gehälter führen dazu, dass Ausgebildete sowie Ungelernte die Branche verlassen und Lehrabgänger erst gar keine Stelle in der Küche, im Restaurantfach oder in der Hauswirtschaft suchen. Deshalb müssen Lohnerhöhungen auf allen Qualifikationsstufen her. Wie in anderen Branchen dürfen Lohnerhöhungen durch die Gäste mitgetragen werden. Wer kocht, bäckt, serviert, putzt oder im Backoffice arbeitet, sagt: «Unsere Dienstleitung darf etwas kosten!»
(Jörg Ruppelt)