Es erinnert an spanische Stierkämpfe. Doch kein Matador ist der Gegner, sondern Artgenossen. Die Kämpfe der Eringerkühe beginnen im Frühjahr und enden mit dem grossen Finale Mitte Mai.
Die Eringer Kuh, französisch Vache d’ Hérens, ist eine Hausrindrasse, die insbesondere im Kanton Wallis gehalten wird. Sie zählt zu den alten Haustierrassen. Die kleinen, aber starken schwarzen Kühe mit kräftigen kurzen Hörnern finden sich im schwierigen und steilen Gelände gut zurecht und sind bestens ans Alpengelände angepasst. Sie leben in einer Herde, die einen grossen Zusammenhalt und eine genaue Hierarchie kennt. So kämpfen sie ab Beginn des Frühjahrs unter sich um die Würde der Königin als Anführerin des Alpaufzugs. Diese Kämpfe sind nicht organisiert. Ganz spontan wählt sich jede Kuh ihre Partnerin selbst aus: Sie hört mit Grasen auf, neigt den Kopf, schnauft laut und kratzt mit den Hufen am Boden. Wenn eine Kuh von gleicher Stärke die Herausforderung annimmt, geht sie ersterer mit derselben Haltung entgegen.
Die Annäherung erfolgt vorsichtig und langsam. Der Kampf beginnt, die Köpfe prallen aufeinander, die Hörner kreuzen sich. Jede Kuh sucht nach einem guten Stand, dann stemmen sich beide gegenseitig und stossen mit aller Kraft, rücken vor, treten zurück, je nach ihrer Stärke. Nach dem Kampf, der mehrere Minuten dauern kann, macht die Verliererin kehrt und entfernt sich, verfolgt von der siegreichen Rivalin, die ihr noch ein paar Stösse mit den Hörnern verabreicht.
Neben diesen spontanen Kämpfen werden seit einigen Jahren auch Wettbewerbe organisiert, um eine regionale oder kantonale Königin zu küren. Höhepunkt ist das nationale Finale, welches am Wochenende des 11. und 12. Mai in der Arena von Pra Bardy in Sion/VS stattfindet. Dann stehen 170 Kühe im Ring. Organisiert wird der Anlass von der Race d’Hérens Tour mit Unterstützung der Viehzuchtverbände, Einwohner des Val d’Anniviers sowie zahlreicher Freiwilliger. «Insgesamt sind mehr als 600 Personen für den Anlass im Einsatz», weiss Caroline Blanc, Eventmanagerin der Race d’Hérens Tour. Das Schauspiel wird über 15 000 Zuschauer von weither anziehen. Kulinarisch stehen Walliser Spezialitäten auf dem Menüplan – von Raclette bis zu Gerichten aus Eringerfleisch. Michael Moret, Direktor von Anniviers Tourisme, unterstreicht die Bedeutung für das Val d’Anniviers: «Dieser Anlass ist der Höhepunkt des Jahres, Werbung für unsere Region als Touristenziel und ein Schaufenster für regionale Spezialitäten.»
Eine wichtige Rolle beim Ganzen spielt der 1920 gegründete Schweizerische Eringerviehzuchtverband, der aus 65 Genossenschaften und zwei Sektionen mit rund 850 Züchtern besteht. Sie halten heute 6270 im Herdenbuch aufgeführte Tiere. Dieses mit der Vereinsgründung eingeführte Buch zeigt die Veränderung der Landwirtschaft. Damals war der Bestand mit 31 500 Tieren fünfmal grösser.
(Ruth Marending)