Die Pandemie zwingt die Leute, ihre Komfortzone zu verlassen. Laut Piera Dalla Via, Leiterin Ökonomie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, bietet dies auch Chancen.
Piera Dalla Via, macht sich in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich aufgrund der Pandemie ein Anstieg der Aufenthalte bemerkbar?
Allerdings. Wir haben an einigen Standorten sogar Wartelisten. Das Homeoffice macht vielen zu schaffen. Nicht alle können problemlos den ganzen Tag allein daheim vor dem Laptop sitzen und sich konzentrieren. Es schlägt den Leuten aufs Gemüt. Ich habe das grosse Glück, normal weiterarbeiten zu können. Klar sind auch wir stark betroffen, aber auf eine ganz andere Weise.
Inwiefern wirkt sich die Pandemie auf Ihre Arbeit aus?
Die Dienste, vor allem in der Wäscherei, wurden ausgeweitet. Wir haben während der ersten Welle die Arbeitspläne von fünf auf sieben Tage hochstocken müssen. Ich weiss, in der Hotellerie oder im Gastgewerbe ist das gang und gäbe. Doch wir hatten davor das Glück der Fünftagewoche. Zudem mussten wir auf einmal alles desinfizieren und aufpassen, dass wir für die verschiedenen Materialien die richtigen Mittel verwenden.
Mussten Sie nicht schon davor wissen, welches Mittel sich für welche Materialien eignet?
Doch natürlich. Aber niemals in dieser Tiefe. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Desinfektionsmittel war schlicht nicht notwendig. Denn wer rechnet schon mit einer Pandemie?
Nun sind das Thema Pandemie und damit Sauberkeit und Hygiene allgegenwärtig.
Genau. Und dadurch scheinen die Leute auf einmal an jene zu denken, die tagtäglich ihr Bestes dafür geben, die Hygienestandards einzuhalten und alles korrekt zu desinfizieren. Mitarbeitende der Hotellerie-Hauswirtschaft werden mehr wahrgenommen. Das freut mich natürlich. Von Berufskolleginnen aus Heimen und Spitälern wiederum weiss ich zudem, dass deren Aufgabenbereich sich zum Teil verändert hat.
In welche Richtung?
Mitarbeitende in der Hotellerie-Hauswirtschaft unterstützen die Mitarbeitenden in der Pflege bei der Arbeit. Sie übernehmen vereinzelt Aufgaben, für die es keine pflegerische Ausbildung braucht, die aber gemacht werden müssen und eine zusätzliche Dienstleistung darstellen können. Dazu gehört beispielsweise, die Koffer von Patientinnen und Patienten in Spitälern oder Rehakliniken zu entpacken.
Gibt es auch nach der Pandemie noch einen Markt für das erweiterte Aufgabengebiet?
Bereits heute haben sehr viele Kliniken, vor allem Rehakliniken, nebst dem Pflegepersonal noch Hotellerie-Personal angestellt. Voraussichtlich 2023 sollen die Berufslehren der Hotellerie und Hauswirtschaft vereint werden. Dabei spielt der Dienstleistungsgedanke eine zentrale Rolle. Das passt perfekt.
Welche Aufgaben könnten in Kliniken künftig vereinzelt von Mitarbeitenden der Hotellerie-Hauswirtschaft übernommen werden?
Ich denke da etwa an die Blumenpflege oder daran, dass Mitarbeitende der Hotellerie-Hauswirtschaft Bestellungen aufnehmen oder direkte Ansprechpersonen für Kunden und Pflege sein könnten. Das sind nur einige der Dienstleistungen, die zum neuen Aufgabengebiet gehören könnten. Ein erweitertes Dienstleistungsangebot käme zudem auch den Kliniken zugute.
Weshalb?
Sie geraten immer stärker unter Kostendruck. Patientinnen und Patienten vergleichen heute stärker, welche Leistungen sie zu welchem Preis erhalten. Bei den Kliniken findet diesbezüglich bereits ein Umdenken statt.
Eine Chance für den neuen Beruf in der Hotellerie-Hauswirtschaft?
Ganz genau. Die gut ausgebildeten Allrounder eignen sich mit ihren vertieften Fachkenntnissen und der vielseitigen Ausbildung bestens für Einsätze in Spitälern, Kliniken und Heimen. Aber auch die Hotellerie profitiert vom Zusammenschluss der Bereiche. Hygiene dürfte in Zukunft einen noch stärkeren Stellenwert haben.
Und wie steht es um jene, die diese gut ausgebildeten Allrounder unterrichten sollen? Immerhin sind einige davon schon etwas älter.
Natürlich haben auch hier, wie überall, wenn etwas neu ist, einige so ihre Bedenken. Das braucht Zeit. Mich freut die Entwicklung auf jeden Fall. Der Beruf in der Hotellerie-Hauswirtschaft wird durch die Vereinigung der beiden Bereiche attraktiver. Damit bietet er jungen Erwachsenen eine Perspektive. Das stimmt mich zuversichtlich.
(Interview Désirée Klarer)
Piera Dalla Via ist seit 2016 als Leiterin Ökonomie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich tätig. Die Präsidentin des Berufsverbands Hotellerie-Hauswirtschaft bvhh wünscht sich, dass die Hauswirtschaft für junge Berufsleute attraktiver wird und den professionellen Stellenwert erhält, den sie verdient.