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«Rechtsberatung lohnt sich immer»

Der Traum vom eigenen Betrieb bietet Chancen, birgt aber auch Gefahren. Wichtige Rechtsfragen gilt es im Voraus zu klären.

Rechtsanwalt und Dozent Olivier Dollé. (ZVG)

Olivier Dollé, während der Pandemie haben sich viele Gastgewerbler selbständig gemacht und warten darauf, ihren eigenen Betrieb zu eröffnen. Was ist dabei aus rechtlicher Sicht das Wichtigste?

Olivier Dollé: Rein beschränkt auf rechtliche Aspekte stehen zwei Dinge im Vordergrund: die Haftungsfrage und die Frage vernünftiger Vertragsgestaltung, sei es in Bezug auf die Miete eines Lokals, auf die Arbeitsverträge oder auf die Verträge zur Finanzierung des Betriebs. Hinzu kommen Fragen der nötigen Bewilligungen zum Bau und Betrieb.

Welche Bewilligungen müssen eingeholt werden?

Wir leben in der föderalistischen Schweiz. Jeder Kanton hat eigene Gastgewerbeverordnungen und -gesetze. Diese Frage stellt sich daher in jedem Kanton anders. Bei neuen Betrieben (bei Neubau, Umbau oder grösseren Renovationen) braucht es in der ganzen Schweiz ein Baugesuch und eine Baubewilligung, auch bei blossen Umnutzungen (etwa Wechsel von Verkaufslokal zu Restaurant). Im Kanton Luzern braucht es dann eine Wirtschaftsbewilligung (Voraussetzung ist unter anderem das Wirtepatent), gegebenenfalls eine Bewilligung für regelmässige Verlängerungen, für die Benutzung öffentlichen Grundes (Aussenbestuhlung) und allenfalls eine Bewilligung für Unisextoiletten – ja, wirklich wahr, soweit sind wir schon. Am besten, man erkundigt sich direkt bei den zuständigen Behörden (Gastgewerbe- und Gewerbepolizei). Im Internet findet man zudem vorab alle nötigen Informationen.

Wichtig ist die Rechtsform. Welche empfehlen Sie und weshalb?

Hier geht es primär darum, die persönliche Haftung zu beschränken, damit im Falle eines Misserfolgs die Folgen nicht in das Privatvermögen durchschlagen. Daher kommen nur die GmbH oder die AG in Frage. Bei der GmbH braucht es mindestens 20'000 Franken Stammkapital, bei der AG 100'000 Franken Aktienkapital. Es haften dann nur die GmbH oder die AG mit dem Gesellschaftsvermögen, aber nur solange man selber als verantwortlicher Gesellschafter keine Pflichtverletzungen begeht. Als Einzelunternehmer kann man zwar einfach und vermeintlich günstig starten, doch man muss sich bewusst sein, dass eine volle private Haftung für alle Geschäftsschulden besteht. Gleiches gilt, wenn man etwas zu zweit oder mit mehreren Personen macht, ohne sich Gedanken über die Rechtsform zu machen: dann ist man nämlich rechtlich betrachtet automatisch eine Kollektivgesellschaft, bei der jeder Gesellschafter am Ende voll privat und auf die gesamte Schuld haftet. Denkbar wäre, wenn man einen eher gemeinnützigen Hintergrund hat, die Gründung einer Genossenschaft.

Müssen alle neuen Betriebe im Handelsregister eingetragen werden?

Ein Einzelunternehmer erst ab einem Umsatz von 100'000 Franken, gleich wie die Kollektivgesellschaft. Die GmbH, die AG und die Genossenschaft entstehen überhaupt erst mit dem Eintrag ins Handelsregister.

Wozu dient der Eintrag ins Handelsregister?

Das Register ist öffentlich und gibt grundsätzlich über die Vertretungs- und Haftungsverhältnisse von Unternehmungen Auskunft. Es geht dabei um Vertrauensschutz und Verkehrssicherheit. Sehr vereinfacht gesagt, soll die Öffentlichkeit wissen, was die wichtigsten Fakten über ein Unternehmen sind, also eine Art wirtschaftliche Datenbank - man sieht, wer auf welche Art ein Unternehmen vertreten darf, welchen Zweck und welchen Sitz das Unternehmen hat usw. Bei der AG, der GmbH und der Genossenschaft bildet der Eintrag die Grundlage zur Entstehung, ist also zwingende Voraussetzung. Den Einzelunternehmer und die Kollektivgesellschaft gibt es auch ohne Eintrag, selbst wenn die Pflicht zum Eintrag besteht. Grundsätzlich gilt: was im Handelsregister steht, gilt als richtig. Das heisst, Dritte dürfen sich auf das darin Eingetragene verlassen. Darum gilt es, die Einträge stets aktuell zu halten, besonders im Hinblick auf Unterschriftsregelungen, nicht dass ein schon lange gekündigter Mitarbeiter noch eine Unterschriftsberechtigung im Register hat. Durch den Eintrag ist auch der Name geschützt.

Gibt es für Pächter oder Eigentümer Unterschiede bei der Betriebsgründung?

Ich würde hier besser von Mietern sprechen. Die Pacht gehört mehrheitlich in die Landwirtschaft. Es gilt das vorher Gesagte zur Haftungsbeschränkung: als Mieter gehört mir die Liegenschaft ja nicht. Ich miete ein Lokal und fange an. Bei Eigentümern, welchen die Betriebsliegenschaft gehört, finde ich es wichtig, dass man immer versucht, die Immobilien und den Betrieb rechtlich zu trennen. Also beispielsweise die Liegenschaft privat zu halten und den Betrieb über eine Betriebsgesellschaft laufen zu lassen, welche sich dann einmietet. So ist im Falle eines Scheiterns (eher) sichergestellt, dass die Immobilien nicht auch verloren gehen. Die Immobilien sind ja in der Regel konstante Vermögenswerte, sozusagen die Kronjuwelen. Natürlich gilt es zu beachten, sich nicht über die Immobilen zu verschulden und diese so indirekt zu verlieren.

Worauf gilt es bei einer Miete vor allem zu achten?

Zunächst einmal das richtige Objekt zu finden. Manchmal machen bloss wenige Meter bei der Geschäftslage den Unterschied über Erfolg oder Misserfolg aus. Also genau evaluieren, Passantenzahlen zu verschiedenen Zeiten zählen, die Nachbarschaft erkunden. Kurzum: möglichst viele Informationen einholen, auch über allfällige Vormieter. Dann schauen, dass der Mietvertrag verständlich ausformuliert ist und sich bei Zweifeln beraten lassen. Einen möglichst günstigen Mietzins heraushandeln, bei einer möglichst langen Laufzeit, mit möglichen Verlängerungsoptionen. Ob man eine Umsatzmiete eingehen soll, ist Ansichtssache. Ich bin eher ein Freund fixer Mietzinsen, denn damit wissen beide Seiten, was gilt. Auch würde ich empfehlen, keine Inventarverpflichtungen zu übernehmen und bei den Pflichten des Mieters genau hinzusehen. Vieles im Gesetz ist allerdings zwingend und mieterfreundlich ausgestaltet. Schliesslich gilt der alte Grundsatz: der monatliche Umsatz sollte dem Zehnfachen der Monatsmiete entsprechen.

Müssen Inventar und Lieferverträge übernommen werden?

Die Übernahme des Inventars ist Verhandlungssache. Wenn man sich nicht einigt, dann gibt es halt keinen Mietvertrag, was in vielen Fällen durchaus sinnvoll sein kann. Bei den Lieferverträgen gilt im Grundsatz: es darf kein anderes Geschäft an den Mietvertrag gekoppelt werden, was nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gebrauch der Mietsache steht. Grundlage ist bei beidem (Inventar und Lieferverträge) das Verbot von Koppelungsgeschäften im Gesetz. Demnach sind die Übernahme von Kleininventar oder eben die berühmten Bierlieferverträge an sich unzulässig. Doch das Bundesgericht hat auch schon entschieden, dass in einem konkreten Fall Weinlieferverträge zulässig waren. Es gilt also: im Grundsatz verboten, im Einzelfall möglich und im Streitfall muss ein Gericht entscheiden. Daher mein Rat: gut verhandeln, vielleicht wird das Inventar ja tatsächlich gebraucht und die Lieferverträge sind vorteilhaft.

Für jeden Betrieb müssen Versicherungen abgeschlossen werden. Worauf gilt es im Kleingedruckten zu achten?

Zunächst sollte man unbedingt verschiedene Angebote einholen und vergleichen. Gerade bei den (unbedingt dringend empfehlenswerten) Haftpflichtversicherungen gibt es erhebliche Preisunterschiede. Das Wichtigste sind die Ausschlussklauseln, also wann greift die Deckung nicht. Genau schauen, was ist abgedeckt, welche Ereignisse sind versichert oder noch wichtiger: welche Ereignisse sind unter welchen Voraussetzungen nicht gedeckt - die Pandemie lässt grüssen. Lassen Sie sich also Zeit, hüten Sie sich vor langen Laufzeiten, schauen Sie, dass Sie die richtigen Summen versichert haben (weder Über- noch Unterdeckung) und achten Sie auf Ausschlüsse wegen grobfahrlässigem Verhalten.

Welches sind die häufigsten Rechtsfälle in Betrieben, die gut laufen?

Aus meiner Erfahrung und in meiner Praxis vor allem Fälle aus dem Arbeitsrecht (Kündigungen, Fristlose Entlassungen, Zeugnisse, Krankenlohn, Konkurrenzverbote usw.). Dann auch viele Fragen und Fälle zum Inkasso, also Schuldbetreibung, dicht gefolgt von Fragen zu konkreten Vertragsauslegungen und den damit verbundenen Fragen zu mangelhaften oder korrekten Vertragserfüllung mit Schadenersatzforderungen. Aber immer häufiger auch Fragen zum Mietrecht bei Mängeln an der Mietsache oder Fragen zu Bewilligungen und hier in der Stadt zum Lärmschutz.

In welchen Fällen brauchten die Betriebe während den Lockdowns am häufigsten Rechtsbeistand?

Ganz klar im Arbeitsrecht in Verbindung mit Entschädigungen (Kurzarbeit, Härtefallgelder, leider auch die Kündigungen). Fast gleichauf die Frage, ob die Miete weiterhin bezahlt werden müsse und wie man sich am besten verhalten solle. Dann bestanden viele Unklarheiten zur Home-Office-Pflicht und den damit verbundenen Fragen. Auch ganz vorne waren die konkreten Fragen zur Umsetzung der zeitweise fast wöchentlich wechselnden Vorgaben, sowie Fragen zur Durchsetzung von offenen Forderungen oder das Umgekehrte davon: Fragen zum Schuldnerschutz.

Wie wird ein Geschäft aufgegeben, wenn dieses nicht rentabel läuft?

Seien wir ehrlich: der Konkurs dürfte der häufigste "Ausweg" sein, mit welchem ein Unternehmen sein Ende findet. Wenn man die obigen Ratschläge befolgt hat, so verliert man dann "nur" (aber immerhin) die GmbH oder die AG und natürlich alles, was der Gesellschaft gehört und bleibt privat verschont. Aber Achtung: auch in diesem Fall bestehen viele Fallstricke und eine seriöse Beratung ist zwingend. Ordentlich liquidiert man den Geschäftsbetrieb, indem man den formellen Beschluss fasst, wir hören auf und sich in die sogenannte Liquidationsphase begibt mit dem einzigen Zweck, das Geschäft aufzulösen, alles zu verwerten und alle Schulden zu bezahlen. Dazu gehören Schuldenrufe im Handelsamtsblatt und nach einem Jahr und dem Nachweis, dass alle Schulden bezahlt wurden, kann man sich resp. die Gesellschaft im Handelsregister löschen lassen.

(Interview Gabriel Tinguely)


Zur Person

Olivier Dollé ist Dozent an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern. Der Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Luzern unterrichtet Recht in den Semestern Betriebswirtschaft und Unternehmensführung.

www.dolle.ch
www.shl.ch