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Serie: Schweizer Spirituosen (Teil 1) Whiskynation Schweiz

Die Zeiten sind vorbei, als Whisky aus Grossbritannien oder den USA kommen musste. Das Angebot an Schweizer Whiskys wird immer grösser. Dank ambitionierter Quereinsteiger.

  • Die Orma-Destillerie befindet sich in der Engadiner Bergstation Corvatsch. Sie trägt deshalb den Zusatz 3303, was der Höhenlage über Meer entspricht. (ZVG)
  • Die beiden Orma-Gründer Pascal Mittner (l.) und Rinaldo Willy sind glücklich über die exklusive Lage ihres neuen Arbeitsortes auf dem Corvatsch.
  • Die Schweizer Whiskyhersteller
  • Whisky Guide Schweiz 2021 (ZVG)

Es ist die Liebe zum Whisky, die aus branchenfremden Unternehmern Brenner des edlen Destillats werden lässt. Letzten November wurde in Strohwilen/TG die Destillerie mit Fasslager von Macardo eingeweiht. Bereits im Oktober eröffnete auf dem Corvatsch die höchstgelegene Whiskydestillerie der Welt. Dort wird der Orma-Whisky gebrannt. Sind es in Strohwilen mit Martina und Andreas Boessow eine Absolventin der Hotelfachschule Lausanne sowie ein Geomatiker und Betriebsökonom (HGZ 32 vom 25. November), so sind es auch im Engadin zwei Quereinsteiger.

Diese Engadiner Geschichte nahm vor über zehn Jahren ihren Anfang. Pascal Mittner, IT-Spezialist für Cybercrime, und Rinaldo Willy, Diamanthersteller aus Kremationsasche, sassen bei einem Glas Whisky zusammen und philosophierten über die Qualität von Schweizer Whisky, die teils zu scharf war und deutliche Fehlnoten hatte. «Einer roch nach altem Käse», erinnert sich Pascal Mittner. Die beiden Freunde sagten sich: «Das können wir besser.» So kam es, dass sie 2010 in einer gemieteten Destillerie begannen, ihren eigenen Whisky herzustellen. Das Wissen dazu eigneten sie sich autodidaktisch an. Ihr Destillat nannten sie Orma, romanisch für Seele. Während zehn Jahren experimentierten sie mit Rezepten, Hefesorten und Lagerorten. Ihr Whisky reifte an insgesamt 13 verschiedenen Standorten, vom Schloss Tarasp über den Nationalpark bis ins Val Lumnezia. Mal war es ein Innenlager, mal ein Aussenlager. «Wir haben es überall probiert und die Destillate miteinander verglichen», erinnert sich Pascal Mittner.

Seit zehn Jahren lagern auch ein paar Fässer auf dem Corvatsch. Weil ihnen dieses Destillat besonders gefiel, hörten sie sich um, ob es nicht auf der Mittelstation der Corvatschbahn eine Möglichkeit gäbe, eine Destillerie einzurichten. Doch dort war der Platz zu eng. Deshalb schlug Markus Moser, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Corvatsch AG, ihnen ein nicht mehr benutztes Stübchen in der Bergstation vor.

Brennmeister führen persönlich durch die Orma-Destillerie

Zur Philosophie von Orma gehören Zeit, Freundschaft und Wertschätzung. Diese Werte sollen auch die Besucher der Orma-Destillerie erfahren. Statt eines Massenangebots werden an zwei Tagen pro Woche Führungen angeboten. Bewusst nehmen sich die Gründer die Zeit, selbst durch die Brennerei zu führen.

Ihre wichtigste Botschaft: Die Höhenlage hat einen Einfluss auf das Brennverhalten. «Auf dieser Höhe ereignet sich der Destillationsprozess rund zehn Grad tiefer als auf Meereshöhe», erklärt Pascal Mittner. Das bedeutet mehr Aromen und eine höhere Komplexität. «Findet der Destillationsprozess früher statt, bleiben die Aromen ähnlich wie beim Niedergaren besser erhalten.»

Mit der Orma-Destillerie wird das Engadin zum Whisky-Paradies. Denn mit Claudio Bernasconi vom Hotel Waldhaus am See in St. Moritz gibt es bereits einen passionierten Whiskyliebhaber. In seinem «Waldhaus» befindet sich die grösste Whiskybar der Schweiz. Auch die beiden Orma-Macher kennen Bernasconi. «Wir haben uns an einer Whiskymesse kennengelernt und beschlossen, an weiteren Messen gemeinsam aufzutreten», sagt Pascal Mittner. Der St. Moritzer Gastronom ist einer der wenigen, der den Orma-Whisky auf der Karte hat. «Wir beliefern nur ausgesuchte Gastronomen, die unsere Message der Einzigartigkeit verstehen.» Einzigartig ist der Orma-Whisky deshalb, weil seine Macher andere Hauptberufe haben und nicht davon leben. «Wir können dem Whisky die Zeit geben, die er für die Reifung braucht», so Mittner.

So entsteht Whisky

Whisky ist in seinem Herstellungsprozess destilliertes Bier ohne Hopfen. Bis 1999 war das Destillieren des Lebensmittels Getreide hierzulande verboten. Wagten sich nach der Aufhebung des Verbots in der ersten Phase vor allem Bierbrauer und Spirituosenhersteller an das Experiment der Whiskyherstellung, so folgten alsbald mutige Quereinsteiger.

«Wir wollen die Schweiz zur Whiskynation machen.»

Heute gibt es eine Vielzahl von Brennereien. Ein Kenner der Szene ist Patrick Tilke, Journalist im Bereich Beverages mit Schwerpunkt Whisky und ehemaliger Barkeeper. «Die Qualität von Schweizer Whisky hat in den vergangenen Jahren gut zugelegt» freut er sich. «Whiskybrennereien, die schon lange, teilweise bereits seit 1999 dabei sind, wissen heute mehr denn je, was ihr Whisky benötigt.» Konkret heisst das, dass die Master Distiller sich darin auskennen, was ihre Maische braucht, wie sie am besten zu destillieren ist und welches die guten Fässer für die Reifung sind. «Einige experimentieren vielfältig mit verschiedenen Rohstoffen oder Fässern», ergänzt der Fachexperte. Dazu gehören zum Beispiel die Brennerei Lüthy, die Brauerei Locher und die Rugen Distillery (siehe Angaben dazu in der Liste rechts). Auch wird Swissness zu 100 Prozent verfolgt und zwar vom Getreide bis zum Fass.

Solchen innovativen Brennern widmet Patrick Tilke jedes Jahr eine aktualisierte Ausgabe seines Whisky-Guides. Auch die Brennerei auf dem Corvatsch ist dort aufgeführt. Die Vision der Orma-Gründer mit ihrem flüssigen Gold geht jedoch weiter, als auf dem Corvatsch Whisky zu destillieren. Aus der Schweiz soll eine Whisky-Nation werden. «Unsere Destillerie soll ein Leuchtturm sein, der weit über die Landesgrenzen hinausstrahlt und die Schweiz als Whisky-Nation bekannt macht», sagt Rinaldo Willy.

Ein mutiges Unterfangen. Denn die Schweizer Whiskygeschichte ist noch jung. Einer Legende nach waren die Kelten die Ersten, die eine wasserklare Flüssigkeit destillierten – das «aqua vitae» oder auch «uisge beatha» genannt. Im fünften Jahrhundert begannen christliche Mönche, allen voran der irische Nationalheilige St. Patrick, das Land der Kelten zu missionieren und brachten technische Geräte sowie das Wissen über die Herstellung von Arzneimitteln und Parfum nach Irland und Schottland.

Das Wissen der Whiskyherstellung verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten vermutlich durch Klöster, die damals das Zentrum vieler Ansiedlungen waren und eigene Gasthäuser betrieben. Der damals hergestellte Brand war klar und wurde mit Kräutern und Pflanzenstoffen aromatisiert. Erst als ab dem 18. Jahrhundert der Brand in Holzfässern ausgebaut wurde, die bis dahin nur zum Transport und zur Lagerung benutzt worden waren, nahm Whisky seine bis heute charakteristische Farbe und Aromatik an.

(Ruth Marending)


Themenjahr bvr

Swiss made
Der Berufsverband Restauration bvr verfolgt dieses Jahr das Thema Swiss made. Diese Serie ist Teil davon.


Die Schweizer Whiskyhersteller

In der Schweiz gibt es rund 50 Whiskyhersteller. Eine Auswahl im Fokus.

Kleines Whiskywissen zum Einstieg: Grain steht für Destillate aus Weizen, ungemälzter Gerste, Hafer, Roggen und Mais. Die Bezeichnung wird meist für Blended Whisky verwendet, also gemischte Destillate. Rye steht für Whisky aus Roggen. Bourbon bezeichnet Destillate, die zu mindestens 51 Prozent aus Mais, Corn solche, die zu 80 Prozent aus Mais sind. Malt steht für Whisky aus Gerstenmalz. Zudem ist es wichtig, ob ein Whisky verschnitten (Blend) oder unverschnitten ist (Single Malt).

1 | Orma Destillerie, Corvatsch, Silvaplana /GR Orma. Limited Single Malt Whisky, gebrannt auf 3303 Meter über Meer. www.ormawhisky.ch

2 | Macardo Single Malt, Strohwilen/TG Macardo. Chapter 1 ist die neueste Innovation von Macardo. Ein auf 345 handnummerierte Flaschen limitierter Single Malt. www.macardo.ch

3 | Familie Bader, Lauwil/BL. Die Hollen ist ein Bauernhof im Baselbiet. Eine Episode führte zur Whiskyherstellung: Weil eines Tages nach getaner Arbeit kein Bier im Keller vorrätig war, reifte die Idee zur eigenen Brauerei. Als das Alkoholgesetz 1999 fiel, wurde die Produktion auf die Whiskyherstellung ausgeweitet. Gereift in alten Rot- und Weissweinfässern.

4 | Humbel Spezialitätenbrennerei, Stetten/AG. Den Grundstein zum heutigen Unternehmen legte Max Humbel 1918. Nun wird in dritter Gene­ra­tion gebrannt. Im Sortiment: Our Beer Single Malt und Mainland Whisky. www.humbel.ch

5 | Spezialitätenbrennerei Zürcher In Port in der Nähe von Biel wird seit 2000 der Single Lakeland Malt Whisky der Brennerei Zürcher hergestellt. Dafür wird Malz von der Brauerei Rugenbräu verwendet. Das Destillat reift in Oloroso-Sherry-Fässern. www.lakeland-whisky.ch

6 | Destillerie Etter Söhne AG, Zug Der Whisky Johnett 2011 baut auf regionale Ressourcen. Heimische Maische aus Gerstenmalz von der Brauerei Baar, Destillation im Hause Etter, Quellwasser von den Höllgrotten in Baar und Eichenfässer des Luzerner Weinguts Rosenau. www.johnett.ch

7 | Werner Limacher und Sohn Roman, Hünenberg/ZG. Werner Limacher macht seit 1999 neben seinem Metzgereigeschäft Whisky, bei dessen Produktion mittlerweile auch Sohn Roman an Bord ist. Ihr Chicken Hill Rare Whisky wurde 2018 bester Schweizer Whisky. www.metzgerei-limacher.ch

8 | Brennerei Schwab GmbH, Oberwilen bei Büren/BE. Bekannt für den Buochibärger Rough Whisky Single Malt. Neu werden Bourbons aus lokalem Getreide hergestellt und reifen drei Jahre im Fass. www.brennereischwab.ch

9 | Sempione Distillery AG, Brig, Brennerei Stadelmann. Der Whisky «1815 – 13 Sterne», 2017 zum besten Whisky der Schweiz erkoren, wird aus Gersten- und Roggenmalz hergestellt. Ge­lagert in Schweizer Eichenfässern. www.sempione-distillery.ch

10 | Brauerei Rugenbräu, Matten bei Interlaken/BE. Rugenbräu produziert seit März 2008 Whisky in limitierten Abfüllungen. Der Swiss Highland Whisky reift in Sherry-Fässern. Ein Teil davon wird auf dem Jungfraujoch auf 3454 Meter über Meer gelagert. Ein begehrtes Wässerchen: Alle Whisky-Editionen sind ausverkauft. www.rugenbraeu.ch

11 | Diwisa, Willisau/LU. Neuer Goldwaescher Pure Rye Whisky, hergestellt von einem der grössten Spirituosenunternehmen der Schweiz. www.goldwaescher.com

12 | Destillerie Säntis Malt, Brauerei Locher, Appenzell/AI Die Brauerei Locher AG schrieb 2002 Geschichte, als sie mit den ersten Säntis Malts auf den Markt kam. www.saentismalt.com

13 | Langatun Distillery, Langenthal/BE. Seit 2007 wird in der Destillerie Langatun Whisky unter den Namen Old Deer und Old Bear produziert. Die Langatun Classics sind eine Hommage an Jakob Baumberger, Gründer einer Bauernhofdestillerie. In dessen Sinn wird noch heute Langenthaler Quellwasser verwendet. www.langatun.ch

14 | Brennerei Lüthy Muhen/AG. Urs Lüthy produziert seit 2005 Single Malt Whiskys, gereift in Eichenfässern. Das Getreide (Gerste, Dinkel, Roggen) wird auf dem Hof angebaut, gemälzt, gedarrt und gemaischt. www.brennerei-luethy.ch 

15 | Altes Tramdepot, Bern. Bekannt für ihre Bierherstellung produziert das Team des Alten Tramdepots auch Whisky. Aktuell steht ein Vierjähriger zum Verkauf. www.altestramdepot.ch


Whisky Guide Schweiz 2021

Der Whisky Guide Schweiz ist das alljährlich aktualisierte Standardwerk für die Schweizer Whisky-Szene. Beiträge von Branchenkennern führen in die grosse Whiskywelt ein. Im Zentrum stehen wichtige, nationale Whiskybrenner, -marken und die besten Whiskybars und Shops der Schweiz. Zudem werden internationale Brennereien und -marken präsentiert, die in der Schweiz verfügbar sind.

«Whisky Guide Schweiz 2021». Ein Wegweiser zu den besten Adressen des Landes. Patrick Tilke, Medienbotschaft Verlag & Events GmbH, Tägerwilen. ISBN 978-3-9525178-3-3, Fr. 19.00