Über 5000 Kandidierende bewerben sich am 22. Oktober für einen Sitz im Parlament. Unter ihnen sind auch Gastgewerbler und Tourismus-Fachleute. So stehen sie zu drängenden Fragen der Branche.
Tourismus und Gastgewerbe in der Schweiz müssen sich in den nächsten Jahren grossen Herausforderungen stellen. Klimawandel, Fachkräftemangel und steigende Energiekosten werden die Branche auch weiterhin beschäftigen. Politische Rahmenbedingungen, welche die Bedürfnisse des wichtigen Wirtschaftssektors berücksichtigen, sind dabei von zentraler Bedeutung. Wie diese Bedingungen aussehen und mit welchen Mitteln Tourismus und Gastgewerbe am besten unterstützt werden können, darüber scheiden sich allerdings auch bei den Politikerinnen und Politikern die Geister.
Die Hotellerie Gastronomie Zeitung hat Kandidierende mit Branchenbezug aus allen Kantonen und Parteien gefragt, wie sie zu drängenden Fragen stehen, welche die Branche und die Politik beschäftigen. Klar ist: Sie alle wollen sich im Falle einer Wahl für den Tourismus und das Gastgewerbe stark machen und die Bedeutung des Wirtschaftszweiges in den Debatten stärker hervorheben. Sei es über die Förderung der Berufsbildung, einen liberaleren Arbeitsmarkt, einen stärkeren Fokus auf Umweltaspekte oder bessere und günstigere ÖV-Verbindungen. Die Kurzinterviews auf diesen Seiten zeigen deutlich auf, wie viele unterschiedliche Ansätze und Meinungen es auch innerhalb der Branche gibt.
Dieses Jahr bewerben sich gemäss Prognosen so viele Kandidierende wie noch nie für einen Sitz im Nationalrat. Viele Wählerinnen und Wähler dürften das dicke Couvert mit den zahlreichen Listen und Namen bereits erhalten haben. Bei der Orientierung helfen kann die Wahlhilfe von Smartvote, auf der 81 Prozent der Kandidierenden vertreten sind und ihre Positionen offenlegen. Nach dem Ausfüllen eines Fragenkatalogs mit 30 oder 75 Fragen gibt Smartvote eine persönliche Wahlempfehlung heraus. Jetzt gilt es, die Chance zu nutzen und Kandidierende zu wählen, welche die eigene Meinung und Zukunftsvision teilen – und im besten Fall bei einer Wahl auch einen positiven Einfluss auf die Branche haben werden.
(Alice Guldimann)
1 Wie wollen Sie sich im Falle einer Wahl in Bern für Tourismus und Gastgewerbe stark machen?
2 Weil Fachkräfte fehlen, müssen viele Betriebe ihr Angebot trotz bestehender Nachfrage einschränken. Einzelne Stimmen fordern bereits eine
Wiedereinführung des Saisonnierstatuts. Was kann die Politik Ihrer Meinung nach gegen den Fachkräftemangel tun?
3 Seit 2014 wurden in sechs Kantonen kantonale Mindestlöhne beschlossen. Es ist umstritten, ob diese künftig durch Lösungen im
Gesamtarbeitsvertrag GAV ausgehebelt werden sollen. Wie stehen Sie dazu?
Graziella Collenberg-Grichting (53)
Kanton Wallis,NEO – Die sozialliberale Mitte, seit 23 Jahren Gastgeberin im Ausflugsrestaurant Weidstübli in Leukerbad/VS
1 Als Gastronomin bin ich täglich mit den Herausforderungen der Branche konfrontiert und stelle mich diesen mit Freude und Stolz. Als Nationalrätin setze ich mich für verbessertes Bewusstsein für die Bedeutung und die Bedürfnisse des Tourismussektors ein. Dabei ist das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht zwischen Berg und Tal für unser Zusammenleben und für unser ökonomisches Gefüge zentral.
2 Den Fachkräftemangel werden wir leider nicht in kürzester Frist beheben können. Aber mit mehr Wertschätzung unseren Mitarbeitenden gegenüber, mit einem höheren Mass an Flexibilität bei den Arbeitsmodellen, dem Angebot von Weiterbildungen und einer marktgerechten Entlöhnung kann die Problematik in unserer Branche entschärft werden.
3 Ich sehe in einem vertretbaren – das heisst die Branche wirtschaftlich nicht zu stark unter Druck setzenden – Rahmen festgesetzte Mindestlöhne in der Gastronomie als gangbaren Weg, um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern. In der Gastronomie bewegen wir uns in tendenziell eher niedrigen Lohnsegmenten, die nur mit Grossbetrieben wie der Lonza konkurrenzieren können, wenn ein moderater Mindestlohn festgeschrieben wird.
Adriana Marti-Gubler (35)
Kanton Solothurn, FDP, Gemeindepräsidentin Kienberg/SO, Präsidentin Region Olten Tourismus
1 Wir brauchen in der Schweiz eine liberale Wirtschaftspolitik, einen flexiblen Arbeitsmarkt und eine administrative Entlastung der Unternehmen. Kleinere Familienbetriebe, aber auch grössere Arbeitgeber aus Tourismus und Gastgewerbe müssen sich wieder auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können. Zudem brauchen wir gerade in touristischen Regionen tadellose Infrastruktur und gutes Standortmarketing.
2 Der duale Bildungsweg muss gestärkt werden. Jugendliche können sich mit der Berufsbildung bestmöglich in den Arbeitsmarkt integrieren, ihre ersten Berufserfahrungen sammeln und zu wichtigen Verantwortungsträgern in den Betrieben heranwachsen. Es ist deshalb wichtig, den Stellenwert der Berufsbildung zu steigern. Es muss wieder attraktiv sein, eine Lehre als Köchin, Restaurationsfachmann oder in der Hauswirtschaft anzutreten.
3 Sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen wie etwa auch Gesamtarbeitsverträge sind eine wesentliche Errungenschaft der Schweizer Wirtschaftspolitik. Es ist der einzig richtige Weg, wenn Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter gemeinsam tragfähige Lösungen aushandeln. Dieses Erfolgsmodell darf nicht durch kantonale Initiativen gefährdet werden. Ein politischer Eingriff ist unnötig und würde sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Katja Riem (26)
Kanton Bern, SVP, Winzerin bei der Weinkellerei Riem, Daepp & Co AG
1 Als Gewerbebetriebe leiden wir oft unter den gleichen Hürden und Auflagen und ziehen politisch am selben Strang. Mit dem Ziel, diese Hürden – auch für das Gastgewerbe – abzubauen, möchte ich mich für den Tourismus und das Gastgewerbe stark machen.
2 Der Fachkräftemangel ist eine riesige Herausforderung! Ein zentraler Faktor ist dabei die Bildung. Eine Lösung könnte sein, die Maturitätsquote zu senken. Die Berufslehre ist meiner Meinung nach der beste Start ins Berufsleben nach der obligatorischen Schulzeit und könnte somit gestärkt werden. Dank unseres dualen Bildungssystems bleiben auch nach der Lehre immer noch alle akademischen Optionen offen.
3 Mindestlöhne sind für mich keine gute Lösung. Die Lohnfrage sollte durch die Gewerbebetriebe selbst beantwortet werden können oder bestenfalls durch Branchenlösungen zusammen mit den Sozialpartnern. Ich finde es deshalb nicht falsch, wenn diese speziellen kantonalen Lösungen ausgehebelt werden können.
Mustafa Atici (53)
Kanton Basel-Stadt, SP, Nationalrat, Unternehmer in der Gastronomie und im Lebensmittelbereich, unter anderem mit Catering im Fussballstadion St. Jakob-Park
1 Ich bringe meine Erfahrungen als kleiner Gastrounternehmer eigentlich in allen politischen Themen mit ein. Besonders wichtig ist mir zurzeit die schlechte soziale Absicherung vieler Selbständigerwerbender: Jeder vierte Selbständige zahlt weder in die zweite noch in die dritte Säule ein. Da werde ich in der nächsten Legislatur den Finger drauf heben.
2 Wir sollten dringend unsere duale Berufsbildung stärken und das Potenzial, das wir in der Schweiz haben, besser nutzen. Die Berufslehren müssen für junge Erwachsene wieder attraktiver werden. Ganz wichtig ist mir auch die Weiterbildung der vorhandenen Arbeitskräfte, da lohnt es sich wirklich zu investieren.
3 Ich unterstütze sowohl die Mindestlohn-Initiative wie auch die Bestrebungen, im GAV auf Branchenebene die Löhne anzuheben. Bei aktuelle Fachkräftemangel müssen wir als Branche konkurrenzfähig werden, sonst verlieren wir noch mehr Personal.
Nina Suma (48)
Kanton Aargau, FDP, Geschäftsführerin Thermal Baden AG/Wellness-Therme Fortyseven
1 Ich möchte das Bewusstsein fördern, dass Wirtschaft und Tourismus viel stärker zusammenarbeiten könnten und sollten. Die Massnahmen während der Corona-Pandemie haben sicher nicht dazu beigetragen, dass eine Beschäftigung in der Tourismus- und vor allem Gastronomiebranche als attraktiv betrachtet wird. Dies hat sich in den Köpfen potenzieller Arbeitnehmender festgesetzt und dazu geführt, dass viele ehemalige Gastromitarbeiter der Branche den Rücken gekehrt haben.
2 Die Wiedereinführung des Saisonnierstatuts wäre definitiv eine der Möglichkeiten. Gleichzeitig braucht es aber auch Massnahmen, welche die Arbeit im Gastgewerbe und Tourismus für Junge attraktiv machen. Dazu gehören sicherlich angemessene Mindestlöhne und Weiterbildungsprogramme, auch für Quereinsteiger.
3 Ich bin klar für die Festlegung von Mindestlöhnen in dieser Branche, finde aber auch, dass es hier kantonale Unterschiede geben sollte, da die Lebenshaltungskosten in Zürich als Beispiel anders sind als im Jura.
Esther Maag (60)
Kanton Graubünden, Grünliberale, Inhaberin, Verwaltungsratspräsidentin und Hoteliere im Berghotel Sterna in Feldis/GR
1 Der Tourismus in der Schweiz muss sich zwingend stärker an Nachhaltigkeitskriterien orientieren bezüglich Betriebsabläufen, Verkehr, Ressourcen-Nutzung und Infrastruktur. Das muss die Politik fördern und fordern. Nachhaltigkeitsvorgaben müssen zwingend werden, damit der Schweizer Tourismus seine Stärken wie hohe Qualität, Ursprünglichkeit, Naturerlebnis, landschaftliche Diversität und kulturelle Vielfalt weiter ausspielen kann.
2 Es braucht eine erleichterte Anerkennung von ausländischen Fachabschlüssen und erleichterte Verfahren für die Einstellung ausländischer Fachkräfte, zudem eine Ausbildungsoffensive für hier wohnhaftes Hilfspersonal, um dieses unkompliziert besser zu qualifizieren. Ein weiterer Ansatz ist die Ermutigung von Quereinsteigenden jeglicher beruflicher Herkunft. Zudem sollte man jede Art von Teilzeitarbeit begrüssen, statt sie zu kritisieren.
3 Ich ziehe den GAV kantonal festgesetzten Mindestlöhnen vor und würde mich auch dafür einsetzen. Der GAV wurde branchenspezifisch ausgehandelt, Mindestlöhne sind allgemein übergestülpt und entsprechen den Anforderungen und Bedingungen im Gastgewerbe oft nicht.
Roland Frauchiger (63)
Kanton Aargau, EVP, Wirt und Besitzer Gasthaus Thalner Bär in Thalheim/AG
1 Das Gastgewerbe erbringt für die Gesellschaft wichtige Dienstleistungen. Dieses Bewusstsein gilt es in Diskussionen grundsätzlich zu stärken. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie darf nicht angetastet werden. Administrative Hürden bei der Anstellung von Personal sind abzubauen. Bei künftigen Pandemien sollen nur minimalste Einschränkungen erlassen werden.
2 In Betrieben mit starken saisonalen Schwankungen – insbesondere bei touristischen Hotspots – könnte eine zeitgemässe Form des Saisonnierstatuts durchaus ein sinnvoller Beitrag zur Entschärfung der Fachkräftesituation sein. Zudem sollte die Teilzeitarbeit in verschiedenen Branchen einfacher werden.
3 Kantonale Mindestlöhne werden den lokalen Bedürfnissen besser gerecht als ein nationaler GAV. Andererseits fördern Mindestlöhne in einem GAV einen einheitlichen Branchenauftritt. Das Thema Minimallohn wird sich aber in Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel bald erübrigen, da gutes Personal sowieso einen höheren Lohn verdienen soll.
Mario Gsell (65)
Kanton Luzern, SP 60 Plus, ehemaliger Verlagsleiter des Hotellerie Gastronomie Verlags,Mitglied der Hotel & Gastro Union,Gemeinderat Mauensee/LU
1 Die Ausbildung muss gestärkt werden. Denn gute Fachkräfte sind das Wichtigste für eine funktionierende Branche.
2 Alle Studien zeigen, dass Faktoren wie faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen das Wichtigste sind, um gute Mitarbeitende zu finden und zu halten. Also rauf mit den Löhnen, Arbeitspläne rechtzeitig erstellen, Zimmerstunde abschaffen und so weiter. Das Schlechteste wäre die Wiedereinführung des Saisonnierstatuts – das drückt die Löhne.
3 Leider können Mitarbeitende zum Teil nicht von ihren Löhnen leben. Dann muss die Sozialhilfe Beiträge leisten und subventioniert so indirekt die Betriebe. Kantonale Mindestlöhne sind ein Mittel dagegen.
Dominik Hartmann (32)
Kanton Schwyz, FDP, gelernter Koch und ehemaliger Restaurantleiter, heute Kunden-berater in einer Regionalbank
1 Im Gastgewerbe ist nach wie vor die mangelnde Wertschätzung gegenüber den Angestellten ein grosses Thema. Durch gezielte Förderung des Ausbildungsprogramms für Fachkräfte, Investitionen in nachhaltige Praktiken und mit gezielten Marketingstrategien soll die Branche wieder ihren altbekannten Glanz erlangen.
2 Durch gezielte Bildungsprogramme und Schulungen soll die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften erhöht werden. Eine Erleichterung der Arbeits- und Einwanderungsregelungen für ausländische Fachkräfte könnte ebenfalls helfen, den Bedarf in den Hauptsaisons zu decken und gleichzeitig die heimische Belegschaft zu unterstützen.
3 Es braucht hier eine sorgfältige Herangehensweise, um angemessene Löhne zu gewährleisten, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Ohne angemessene Löhne gibt es für Angestellte spätestens im Alter wegen fehlender AHV- und Pensionskassen-Leistungen Probleme. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen kantonalen Regierungen, Sozialpartnern und der nationalen Politik.
Raphael Seunig (24)
Kanton Schwyz, Junge Mitte, gelernter Kaufmann HGT, aktuell Student an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern SHL
1 Wir müssen Sorge zu unserer Schweiz tragen, auf unsere Natur achten und Slow-Tourismus gezielt fördern. Dabei sollen die Akteure unserer Branche grösstmögliche Freiheiten geniessen. Wirtschaftlichkeit und deren Ausgleich gehen Hand in Hand und machen unsere Schweiz zu dem, was sie heute ist einmalig, wunderschön und finanziell abgesichert.
2 Die Rahmenbedingungen seitens Politik für die Wirtschaft müssen stimmen. Arbeitsgesetze sollten zum Beispiel so liberalisiert werden, dass Vier-Tage Wochen mit längeren Arbeitstagen realistisch umsetzbar werden und die Effizienz gesteigert werden kann. Wie das genau umgesetzt wird, müssen die Sozialpartner im GAV regeln.
3 Die Sozialpartner machen mit dem GAV eine wichtige Vorarbeit. Ich teile aber die Auffassung des Bundesrates, dass die Höherstellung des GAV gegenüber dem kantonalen Recht demokratisch problematisch ist. Unsere Branche muss auf die Probleme hinweisen, die bei einem kantonalen Mindestlohn anfallen können und jenen frühzeitig verhindern. Ist der Volkswille dennoch anders, geht dieser vor.
Esther Friedli (46)
Kanton St. Gallen, SVP, Ständerätin, Gastronomin, Vorstandsmitglied Gastrosuisse
1 Ich führe zusammen mit meinem Partner einen Landgasthof im Toggenburg und bin Vorstandsmitglied von Gastrosuisse. Ich kenne die Herausforderungen und Probleme der Branche daher aus eigenen Erfahrungen und setze mich für gute Rahmenbedingungen für das Gastgewerbe und den Tourismus ein.
2 Mit dem Fachkräftemangel kämpfen alle Branchen. Gefordert sind wir als Branche und Arbeitgeber: Wir müssen noch mehr in die Aus- und Weiterbildung investieren und attraktive Arbeitgeber sein. Neue Arbeitszeitmodelle und gute Lohnbedingungen sind da sicher zentral. Der Staat muss mehr Anreize setzen, damit sich arbeiten, und zwar auch zu höheren Pensen, wieder mehr lohnt.
3 Ich stehe zur Sozialpartnerschaft. Es ist eine grosse Errungenschaft der Schweiz, dass nicht der Staat, sondern die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in vielen Bereichen die Arbeitsbedingungen aushandeln. Das Unterlaufen der Sozialpartnerschaft mit kantonalen und städtischen Mindestlöhnen lehne ich ab.
Levin Freudenthaler (19)
Kanton Zug, Juso, gelernter Koch EFZ, aktuell Berufsmaturität Natur, Landschaft und Lebensmittel am Strickhof in Lindau/ZH
1 Ich möchte den ÖV stärken, indem ich für Senkungen der Preise sorge und dafür, dass auch abgelegene Tourismusorte besser erreichbar sind, nämlich durch den Ausbau des Zugnetzes.
2 Das Saisonnierstatut führt zu Ausbeutung von ausländischen Arbeitnehmenden durch schlechtere Bezahlung und zu einer prekären Lage. Wir müssen die Grenzen öffnen und allen Menschen ermöglichen, in der Schweiz zu arbeiten und zu leben. Zusätzlich muss das Gastgewerbe durch Erhöhung der Löhne sowie durch mehr staatliche Investitionen attraktiver gemacht werden.
3 Der GAV muss dazu dienen, das Arbeitsrecht zu erweitern, nicht einzuschränken. Wenn kantonal ein Mindestlohn vorhanden ist, gehört dieser eingehalten. Wenn diese Mindestlöhne nicht eingehalten werden, wird der Fachkräftemangel verstärkt und der Ruf der Branche verschlechtert.
Gaby Billing (64)
Kanton Zug, SP, eidg. diplomierte Tourismusexpertin, unterrichtete unter anderem an der Tourismusfachschule IST
1 Die Branche steht vor grossen Herausforderungen (Klimawandel, Verhaltensänderungen, Schweizer Franken). Um bestehen zu können, braucht es Innovationen, gute Ausbildung und Anpassungen bei der Infrastruktur. Für diese Bereiche werde ich mich einsetzen.
2 Wir sollten das Potenzial der Menschen, die schon hier wohnen, besser nutzen und nicht immer auf das Ausland zurückgreifen. Ein Ansatzpunkt ist eine flexiblere und günstigere Kinderbetreuung, damit Frauen mehr arbeiten können. Die Erwerbsquote bei den Asylsuchenden und Flüchtlingen kann durch einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und entsprechende Bildungsmassnahmen erhöht werden.
3 In den Kantonen, die Mindestlöhne einführten, blieben die negativen Auswirkungen aus. Im Gegenteil, wenn den Menschen mehr Geld zur Verfügung steht, können sie mehr konsumieren – auch in der Gastronomie. Die demokratisch legitimierten Mindestlöhne dürfen per Gesetz nur ausgehebelt werden, wenn dies zum Vorteil der Arbeitnehmenden gereicht.
Silvio Schmid (64)
Kanton Graubünden, SVP, diplomierter Tourismusexperte, bis 2018 CEO Andermatt-Sedrun Sport AG, heute Projektleiter
1 Ich werde mich für optimale Rahmenbedingungen für den Tourismus und speziell den alpinen Tourismus einsetzen. Die Raumplanung soll so ausgestaltet sein, dass bauen und leben im Berggebiet noch möglich sind. Es braucht keine überbordenden Umweltschutzmassnahmen, dafür bessere Erschliessung mit Strassen und ÖV sowie die Sicherung und Schaffung attraktiver Arbeitsplätze.
2 Allgemeine Massnahmen sind nicht einfach, im Berggebiet noch schwieriger als im Mittelland. Einerseits muss vor allem bezahlbarer Wohnraum für Einheimische und Arbeitskräfte geschaffen werden. Das Berggebiet muss auch als Arbeitsplatz attraktiv werden. Dafür muss unter anderem die Erreichbarkeit entsprechend ausgebaut werden. Wenn das Saisonnierstatut die Lösung ist, warum nicht. So kann auch die Einwanderung besser kontrolliert werden.
3 Ich bin gegen jegliche Art von Mindestlohnregelungen, weder auf bundes- noch auf kantonaler Ebene. Hier muss der Markt spielen.
Elisabeth Stäger (32)
Kanton Zürich, Grüne, Restaurationsfachfrau im Alterszentrum Tertianum in Zürich
1 Ich möchte hervorheben, was für einen hohen Wert der Tourismus und die Gastronomie für die Schweizer Wirtschaft haben. Wir profitieren nämlich nicht nur von der luxuriösen Seite, sondern gerade eben auch von der pointierten Herzblut-Arbeit der währschaften Gastroszene.
2 Eine Wiedereinführung des Saisonnierstatuts würde wohl die bereits bestehenden ungenügenden Arbeitsbedingungen noch befeuern. Deshalb sollte man bei fairen Arbeitsbedingungen anfangen wie zum Beispiel bei anständig bezahlter Nacht- und Sonntagsarbeit.
3 Falls es solche Lösungen gibt, welche sich gegen kantonale Mindestlöhne stellen, sind diese wohl nicht zielführend. Es ist doch klar im Interesse der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, für kompetente Arbeit anständig zu bezahlen beziehungsweise bezahlt zu werden.