Wer seine Geschäftsziele auf Familien ausrichtet, sichert seine wirtschaftliche Zukunft. Durch Familienfreundlichkeit bindet man Stammgäste und gewinnt neue.
Covid-19 hat zur Folge, dass Schweizer mehr denn je ihre Ferien im eigenen Land verbringen. Jetzt ist die Chance gross, bei Schweizer Familien zu punkten und diese langfristig an sich zu binden – über Generationen.
Das machen sich auch die Tourismusorganisationen zunutze, wie das Beispiel des kantonsübergreifenden Vereins Kinderregion zeigt. Diesem trat kürzlich Schwyz Tourismus als sechste Trägerorganisation bei. Bereits da-bei sind die Regionen Zürichsee, Zürich, Zug, Baden und Winterthur. Auf der Website kinder-region.ch finden Familien Ideen und Inspirationen für den nächsten Ausflug. Familienfreundliche Hotels und Restaurants sind prominent aufgelistet.
«Das Interesse an Angeboten für Kinder und Familien direkt vor der Haustür ist gross», so Lisa Schilling, Geschäftsführerin Verein Kinderregion. «Viele Leistungsträger aus Hotellerie, Gastronomie sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen haben während der Corona-Zeit realisiert, dass Familien ein spannendes Gästesegment sind», führt Schilling aus. Sie rechnet damit, dass das Interesse auch in naher Zukunft gross bleiben wird. Gastronomen und Hoteliers, welche auf der Plattform «Kinderregion» gelistet sein möchten, müssen ein für Familien relevantes Angebot anbieten und sollten Partner oder Mitglied einer der Trägerorganisationen sein.
Dass Ferien in der Schweiz für Familien im Trend liegen, macht sich auch im Tessin bemerkbar. So nutzten 2020 rund 15 Prozent mehr Familien das Ticino-Ticket als 2019. Das Bündnerland wurde seit dem Ausbruch der Pandemie sehr gut besucht. Einige Destinationen wie die Lenzerheide/GR wurden regelrecht überrannt.
Dies verspürten auch die Hoteliers. «Wir konnten im vergangenen Sommer eine erfreuliche Zunahme an Familien verzeichnen», so Claudio Dietrich, Gastgeber im Fünfsternehotel Waldhaus Sils in Sils-Maria/GR. Er fügt an: «Wir wissen, dass im vergangenen Jahr zehn Prozent unserer Gäste Kinder waren. Wenn wir davon ausgehen, dass eine Familie im Durchschnitt zwei Kinder hat, dann machen Familien gut 20 Prozent unserer jährlichen Übernachtungen aus.»
Er und seine Geschwister, mit denen er das Hotel leitet, könnten eine beträchtliche Anzahl Gäste aufzählen, mit welchen sie schon als Kinder im Hotel-Kinderclub gespielt haben und die jetzt mit ihren eigenen Familien ins «Waldhaus» kommen. «Dasselbe gilt auch für die Generation meiner Mutter oder meines Onkels», fügt er an. Um die Kinder zu unterhalten, gibt es einen Kinderclub sowie diverse sportliche Aktivitäten wie Tennis, Minigolf und Schwimmen. Im Sommer sind Trottinettfahrten und Ausflüge in den Klettergarten im Angebot. Zudem finden separate Nachtessen nur für die Kinder statt, damit die Eltern in Ruhe das breite kulturelle Angebot des Hotels geniessen können. Eine Betreuung für Kinder ab drei Jahren gibt’s täglich. Dreimal wöchentlich dauert die Kinderbetreuung bis 21 statt bis 18 Uhr, so dass die Eltern in Ruhe ihr Nachtessen geniessen können.
Über eine Zunahme an Familien aus der Schweiz berichtet auch Francesca Märky. «Über die Feiertage sowie im Februar beherbergten wir mehr Kinder als in anderen Jahren», so die Gastgeberin im Hotel Steffani in St. Moritz/GR. Rund 70 Prozent ihrer Gäste an Weihnachten und Neujahr machten Familien aus. Während der Sportferien zählten sie eine Zunahme von 25 auf 35 Prozent an Schweizer Gästen mit Kindern.
Teils verbringt jede Generation ihre Ferien im Viersternehaus im Herzen des Engadin. «Wir haben sehr treue Gäste, die waren schon bei meinem Grossvater zu Gast und kommen nun mit Kindern und Enkeln», berichtet Francesca Märky. Es kommt sogar vor, dass die Grosseltern die Ferien ihrer Enkel nicht nur bezahlen, wenn diese noch klein sind, sondern auch während des Studiums. Und wenn sich die Kinder verschiedener Familien von klein auf einmal jährlich im Hotel treffen und anfreunden, stehen die Chancen gut, dass sie auch als Erwachsene wieder dort abmachen. «Familien verweilen durchschnittlich zwischen einer und zwei Wochen im Hotel, während die Verweildauer bei Gästen ohne Kinder bei vier bis fünf Tagen liegt», weiss Francesca Märky.
Damit sich die kleinen Gäste im «Steffani» wohlfühlen, dürfen sie das Hallenbad benutzen und im ersten Stock herumrennen. Zudem steht ihnen ein Spielraum zur Verfügung. Im Restaurant werden sie behandelt wie Erwachsene. Möchten sie dasselbe essen wie die Eltern, erhalten sie das Menü in Kleinformat. Francesca Märky hat die Erfahrung gemacht, dass kleine Geschenke bei den Kindern für Entspannung sorgen. «Sie merken so, dass sie willkommen sind.» Es lohne sich, auch zu den ganz jungen Gästen Sorge zu tragen. «Wenn Kinder sich für ein Hotel entscheiden, weil es ihnen gefällt, ist der Aufenthalt für die Eltern entspannter.»
Was es braucht, damit sich Kinder für ein Restaurant entscheiden, weiss Kathrine Berger. Die Bergdietikerin betreibt den Gastroführer «Food 4 Family» mit Schweizweit 145 Restauranttipps für Familien. «Wirte können mit einem attraktiven Beschäftigungsangebot für Kinder punkten», weiss sie. «Eine Vorlage zum Ausmalen oder Spielangebote wie eine Basteltasche am Tisch erhöhen die Chance, dass Eltern und andere Gäste den Restaurantbesuch geniessen können», so Berger.
Beliebt sind Kinderspeisekarten, bei denen Zutaten sowie Beilagen angekreuzt werden können. Zudem bietet das Ausfüllen der Speisekarte Unterhaltungswert und hilft beim Überbrücken der Wartezeit. «Die Kinder fühlen sich ernst genommen, das schätzen sie.» Ist keine Kinderspeisekarte vorgesehen, rät sie Gastronomen, offen für Extrawünsche zu sein und Kindergerichte weniger stark zu würzen. Oftmals sei eine gesunde und abwechslungsreiche Kost gefragt. Freude bereitet man hungrigen Kindern mit einem Gemüsedip vor dem Essen.
Kathrine Berger rät Gastgebern, Kinder und ihre Eltern auf allfällige Spielecken oder Spielplätze aufmerksam zu machen und sie in deren Nähe zu platzieren. Gleichzeitig sollen die Restaurantregeln kommuniziert werden. Etwa, dass eine Mitarbeit der Familie beim Aufräumen der Spielecke gefragt ist und dass die Kinder nicht im Restaurant herumrennen dürfen. Mitarbeiter sollten diesbezüglich geschult werden.
Zudem rät sie kinderfreundlichen Gastgebern, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen, etwa auf Social-Media-Kanälen wie Facebook und Instagram oder in ihrem Gastroführer. «Verhältnismässig wenig Gastrobetriebe sind kinderfreund-lich eingestellt. Sie verfügen also über einen Wettbewerbsvorteil.» Die Aargauerin kennt viele weitere Vorteile: Kinder beeinflussen die Restaurantwahl, sie sind die Kunden von morgen. Sind sie zufrieden, ist der Grundstein für eine lange Kundenbindung ge-legt. Eltern empfehlen ein kinderfreundliches Restaurant anderen Familien und somit profitieren Gastronomen von Gratiswerbung. Mit steigendem Alter der Kinder steigen auch die Ausgaben beim Restaurantbesuch. «Familien feiern dort ihre Familienfeste. Eltern geben bei der Auswahl des Restaurants kinderfreundlichen Betrieben den Vorrang», weiss Kathrine Berger.
(Sarah Sidler)
www.kinderregion.ch
www.food4family.ch
40 Prozent der Volksschulkinder reden bei der Entscheidung für ein Lokal mit. Ab elf Jahren sind die Wünsche der Kinder sogar dominant, berichtet «Falstaff».
Egal ob mit Kartenspielen, Basteltaschen oder Kinderspeisekarten – Kinder wollen unterhalten sein.
5 Sterne - Im Hotel Sacher in Wien werden Kinder mittels eines Büchleins spielerisch durch das Hotel geführt. Im Badezimmer-Set finden die Kleinen ein Kinderschaumbad und im Zimmer eine DVD-Sammlung. Im Spa werden kinderfreundliche Treatments angeboten.
Kleine Kinder beschäftigt man am Tisch immer noch am einfachsten mit Holzklötzen.