Noch nie mussten das Gastgewerbe und seine Angestellten sich so oft und schnell auf ein verändertes Umfeld einstellen wie in 2020.
Bär, Löwe, Eule – in diversen Kulturen kennt man sie als Krafttiere, die mit ihren Eigenschaften den Menschen helfen, schwierige Aufgaben und Herausforderungen zu meistern. Krieger sollten zum Beispiel listig wie Schlangen, flink wie Wiesel und stark wie Bären sein; ihre Anführer wiederum weise wie Eulen, sozial wie Wölfe und mutig wie Löwen.
Für das Gastgewerbe dürfte derzeit wohl das Chamäleon das geeignete Krafttier sein. Es begeistert nicht nur durch sein Farbspiel, mit dem es Emotionen ausdrückt und sich seiner Umgebung perfekt anpasst. Mit seinen beweglichen Augen und scharfem Blick schaut es gleichzeitig in alle Richtungen und reagiert blitzschnell, wenn es eine gute Gelegenheit entdeckt.
Ein Hotelier, der nicht gezögert hat, schnell zu reagieren, ist Felix Helbling. Er bietet im Hotel Alexander in Zürich Quarantänezimmer an. Felix Helbling leitet das «Alexander» mit seiner Frau Denise zusammen in dritter Generation. Das Garnihotel ist mit drei Sternen klassiert und verfügt über 41 Zimmer. Zum «Alexander» gehört noch ein Guest House mit 20 weiteren Zimmern.
«Als kleines, familiengeführtes Unternehmen haben wir die Möglichkeit, Ideen schnell umzusetzen und auszuprobieren, ob sie funktionieren. Wenn wir sehen, dass etwas nicht klappt, können wir es genauso rasch wieder aufgeben», sagt Felix Helbling. Auf die Idee, Quarantänezimmer anzubieten, kam er, als die Liste der Länder, nach deren Besuch sich Rückkehrer in der Schweiz in eine Quarantäne begeben sollten, immer länger wurde.
«Gerade als wir uns überlegten, ob wir mögliche infizierte Gäste wirklich aufnehmen wollten, bekamen wir die erste Anfrage.» Zu Felix Helblings Überraschung kam diese von einem Jugendlichen, der in Quarantäne musste. Dem jungen Mann haben die zehn Tage alleine im Hotelzimmer mit Gratis-Wlan so gut gefallen, dass er seinen Aufenthalt gleich um zwei Tage verlängerte.
Mittlerweile haben vier Gäste ihre Quarantänezeit im Hotel Alexander verbracht. Bei den einen stellte sich heraus, dass sie sich nicht mit Covid-19 angesteckt hatten, während andere schwache Symptome zeigten und die Krankheit einen milden Verlauf nahm. Gemeinsam war allen, dass sie es sehr schätzten, ihre Quarantäne im Hotel verbringen zu können, auch wenn der Kontakt zum Hoteldirektor und seinem Team auf das Minimum reduziert war.
«Bevor wir einen Quarantänegast aufnehmen, klären wir am Telefon mit ihm, ob wir das anbieten können, was er braucht», sagt Felix Helbling. So müsse es dem Anrufer klar sein, dass die Hotelcrew keine medizinische Pflege übernimmt und dass er das Hotelzimmer während der Quarantäne-dauer nicht verlassen darf.
«Zehn Tage in einem Hotelzimmer können sehr lang sein», warnt der Hoteldirektor. Um es den Quarantänegästen möglichst angenehm zu machen, bekommen sie wenn immer möglich eines der grössten Zimmer. Zudem erhalten sie mindestens einmal täglich einen Anruf von der Réception. «Wir erkundigen uns nach der Befindlichkeit des Gastes. Plaudern ein bisschen mit ihm und fragen, ob er etwas braucht oder was er essen möchte.»
Da das «Alexander» ein Garnihotel ist, wird das Essen von benachbarten Restaurants und Take-aways angeliefert. Damit der Quarantänegast auswählen kann, fotografieren die Hotelangestellten die Menükarten ab und schicken ihm die Bilder per Whatsapp. Die Speisen werden dann bis vor die Zimmertür geliefert.
Nach dem Essen, stellt der Gast das Tablett vor die Tür. Ein Mitarbeiter, ausgestattet mit Mundschutz und Handschuhen, holt das Geschirr und wäscht es separat ab. Auch der Wechsel der Badezimmer- und Bettwäsche erfolgt ohne persönlichen Kontakt und unter Einhaltung strenger Sicherheitsmassnahmen. Diese zeigen Erfolg. Bis jetzt ist jedenfalls niemand aus dem Hotel-Alexander-Team an Corona erkrankt.
Trotz der durchwegs guten Erfahrungen warnt Felix Helb-ling vor überzogenen Hoffnungen: «Auch die Quarantänezimmer sind keine Lösung für die Probleme, die Corona unserer Branche bereitet. Solche Zimmer rentieren nicht wirklich, sind aber ein Zeichen, dass wir nicht jammern, sondern aktiv etwas machen, um unsere Situation zu verbessern.»
Das Dialoghotel Eckstein in Baar/ZG bietet ebenfalls Quarantänezimmer an. «Wir haben zwar auf Social Media Tausende von Likes für dieses Angebot erhalten, aber noch keine einzige Buchung», sagt Hoteldirektor Willy Graf. Den Umsatz konnte er zwar nicht steigern, dafür aber das Image und den Bekanntheitsgrad seines Hauses. Statt eines Quarantänegastes konnte einer Frau, für die im überfüllten Frauenhaus kein Platz mehr war, eine sichere Unterkunft gewährt werden. In einer Zeit, in der die Fälle von häuslicher Gewalt sehr zugenommen haben, erfüllen Hotels so eine enorm wichtige Aufgabe.
Quarantäne- und Notfallzimmer gibt es auch in der Parahotellerie. Einer der Anbieter ist die Glandon Apartments AG mit Sitz in Meggen/LU. «Wir bieten schweizweit in über 20 Liegenschaften möbliertes Wohnen auf Zeit an», sagt Severin Glanzmann, Gründer und CEO von Glandon Apartments. Bereits im März habe man begonnen, neue Zielgruppen anzusprechen. Darunter:
Das Angebot kommt an. Allein zwischen Oktober und Mitte Dezember wurden 30 Apartments für Quarantänezwecke gemietet. «Für dieses Angebot haben wir jene Apartmenthäuser ausgewählt, die etwas ausserhalb der Städte liegen und deren Wohnungen über einen grosszügigen Grundriss sowie Balkone verfügen», sagt Severin Glanzmann.
Da Glandon ein Self-Check-in und Check-out anwendet, besteht kein direkter Kontakt zwischen Gast und Mitarbeitenden. Das bleibt auch so, denn während des Aufenthalts findet keine Wohnungsreinigung statt. Obschon die Möglichkeit besteht, Vollpension zu buchen, verpflegten sich bisher alle Gäste selber. Nach dem Check-out werden die Wohnungen penibel gereinigt und alle Oberflächen desinfiziert. «Bisher wurden erst zwei unserer Gäste Corona-positiv getestet. In deren Apartments haben wir eine Raumdesinfektion mit Vernebelung durchführen lassen.»
Ein weiteres Beispiel für die chamäleongleiche Wandelbarkeit der Hotellerie geben die Accor Hotels. Sie stellen Schulen in der DACH-Region Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre Seminarräume kostenlos als Klassenzimmer zur Verfügung. Mit der Initiative «Fliegendes Klassenzimmer» möchten die Accor Hotels Schulen während der Pandemie darin unterstützen, sichere Bedingungen für den Unterricht und die Betreuung von Schülerinnen und Schülern zu schaffen.
Während in Deutschland das Novotel München City und das Ibis Erfurt Altstadt bereits mehrfach als Klassenzimmer dienten, hat in der Schweiz bis jetzt noch keine Schule das Angebot angenommen. Eine erste Kooperation in Zürich wurde kurzfristig abgesagt, weil die Schule auf digitalen Unterricht umgestiegen ist. Sobald die Schule wieder Bedarf an Räumen hat, werde sie auf das Angebot zurückkommen.
Neben der Initiative Fliegendes Klassenzimmer haben die Accor Hotels noch weitere coronabeeinflusste Projekte lanciert. Mit «Hotel Office» bieten sie Arbeitsräume für Menschen an, die zu Hause keine geeignete Homeoffice-Infra-struktur oder zu wenig Ruhe zum Arbeiten haben.
Um die Sicherheit und das Wohlbefinden der Gäste und Mitarbeitenden zu gewähren, etablierte Accor Hotels das Hygiene-label Allsafe. Sollte es dennoch in einem ihrer 5000 Hotels zu einem Covid-19-Fall kommen, garantiert die Partnerschaft mit dem Versicherungsunternehmen Axa medizinische Beratung auf höchstem Niveau.
Darüber hinaus hat Accor Hotels weltweit den «All Heartist Fund» ins Leben gerufen. Durch diesen werden wegen Covid-19 in Not geratene Mitarbeitende sowie ihre Partner und Familien finanziell unterstützt.
(Riccarda Frei)
Büro mit Seeblick direkt beim Bahnhof – das hat, wer im Hotel Sedartis ein Homeoffice-Zimmer mietet. Das Zimmer ohne Bett kostet pro Tag 100 Franken, mit Bett 160 Franken. Die Zimmer können auch mehrere Tage gebucht werden. Eine Arbeitswoche (5 Tage) ist ab 300 Franken zu haben. «Das Angebot wird gelegentlich genutzt, aber nicht so, dass es coronabedingte Ausfälle wettmachen würde», sagt Martin von Moos. Über die Festtage wird der Geschäftsführer einen Take-away und Home-Delivery-Dienst mit Festtagsgerichten einführen. «So können wir unsere Gäste auch bei geschlossener Gastronomie verwöhnen.»
www.sedartis.ch
Direkt beim Bahnhof, nahe der Autobahnausfahrt und doch ländlich – ein Homeoffice-Hotelzimmer kostet hier pro Tag 48 Franken. Die Fünf-Tage-Woche schlägt mit 230 Franken zu Buche. Parkplatz vor dem Haus, Mineralwasser und Kaffee inbegriffen.
www.swissheidihotel.ch
Arbeiten im Luftkurort – bereits 1876 wurde das Bad Bienenberg als Luftkurort und Solbad eröffnet. Heute kann man in diesem Tagungs- und Ausbildungszentrum Zimmer und Seminarräume als Alternative zum Homeoffice buchen. Ein Tag kostet 60 Franken, fünf Tage 200 Franken. Aussicht, Früchtekorb, Mineralwasser sowie Fair-Trade-Kaffee in unlimitierter Menge sind im Preis enthalten.
www.hotelbienenberg.ch
In Graubünden können Einheimische auf der grhome-Plattform Hotelzimmer in ihrer Nähe für Büroarbeiten buchen. Für dieses «Bunalavur» genannte Projekt hat die Tourismusorganisation Graubünden Ferien ihre Buchungstechnologie zur Verfügung gestellt. Lanciert wurde «Bunalavur» von Heidiland Tourismus und rund einem Dutzend Hotels.
www.grhome.ch
Vor oder nach dem Weekend am Ferienort einen Homeofficetag anhängen und die zusätzliche Nacht gratis logieren – das kann man mit Bed ’n’ Bureau. Aktuell stehen 27 Angebote aus allen Landesteilen ab 200 Franken zur Auswahl.
www.myswitzerland.com