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Wenn der Arbeitsort nicht am Weg liegt

Ob auf der Bergspitze, am Ende eines Tals oder auf einer Insel – in der Schweiz gibt es in den abgelegensten Winkeln des Landes fast immer ein Gasthaus und Menschen, die dort arbeiten.

  • Das Berghotel Pilatus-Kulm wurde 1890 erbaut und 2010 komplett saniert. Es verfügt über 27 Doppelzimmer und drei Junior-Suiten. 20 weitere Doppelzimmer befinden sich im Hotel Bellevue, welches 1964 neu gebaut und eröffnet wurde. Vier Jahre zuvor war auf dem Luzerner Hausberg das erste «Bellevue» aus dem Baujahr 1860 abgebrannt. (ZVG)
  • Die Insel Ufenau mit ihrem Gasthaus gehört dem Kloster Einsiedeln und ist ein beliebtes Ausflugsziel.
  • Sankt Martin ist eine historische Siedlung mit Restaurant und Gästezimmern, die auf die Häuschen verteilt sind.
  • Matthias Kögl ist Leiter Hotels & Gastronomie bei der Pilatus-Bahnen AG. Er ist verantwortlich für zwei Hotels und sechs Restaurants.
  • Michel Péclard ist Gastronomie-Unternehmer im Raum Zürich. Seine Pump­station GmbH betreibt fünfzehn Betriebe.

Viele Menschen sehnen sich in der Hektik des Alltags nach Abgeschiedenheit, Natur und Ruhe. Dies aber meist nur für eine begrenzte Zeit. Zum Beispiel während der Ferien oder sogar nur für ein paar Stunden bei einem Tagesausflug. Doch wie ist es, in einem abgeschiedenen, vielleicht auch umständlich zu erreichenden Betrieb zu arbeiten? Und braucht es spezielle Eigenschaften wie zum Beispiel Schwindelfreiheit oder Seetüchtigkeit?

«Solche Eigenschaften sind bei uns nicht notwendig», sagt Matthias Kögl. Der Leiter der Hotels & Gastronomie bei der Pilatus-Bahnen AG in Kriens/LU ergänzt: «Aber Freude an der Natur und den Bergen sollten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon mitbringen.» Immerhin liegt der Arbeitsplatz auf 2132 Metern über dem Meer.

Die Anreise erfolgt ganzjährig mit der Seilbahn von Kriens aus und ist im Sommer zusätzlich mit der Zahnradbahn ab Alpnachstad möglich. Letztere wurde 1889 in Betrieb genommen und ist berühmt, weil sie mit einer Steigung von bis zu 48 Prozent die steilste Zahnradbahn der Welt ist. «Beides sind spektakuläre Arbeitswege», schwärmt Matthias Kögl.

Spektakulär schon, aber auch zeitintensiv. Die Fahrt mit der Zahnradbahn dauert immerhin eine halbe Stunde. Und mit der Panorama-Gondelbahn und der Seilbahn «Dragon Ride» ist der Arbeitsweg von der Talstation auf den Berg sogar 40 Minuten lang.

Gratisparkplätze und Fahrtwegpauschale

Beide Talstationen sind gut mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen. Zudem wohnen die meisten Mitarbeitenden im Raum Luzern–Kriens.

«Ein schöneres Pendeln zum Arbeitsplatz gibt es nicht.»

Matthias Kögl, Leiter Hotels & Gastronomie, Pilatus-Bahnen AG, Kriens


Dennoch kommen die Mitarbeitenden der Hotels und Restaurants der Pilatus-Bahnen AG in den Genuss von kostenlosen Parkplätzen bei den Talstationen, wenn sie mit dem Auto anreisen müssen. Zudem wird der Fahrtweg auf den Berggipfel vergütet. «Neben einem bereits sehr umfangreichen Paket an Mitarbeiter-Benefits ist diese finanzielle Fahrtweg-Entschädigungspauschale ein weiteres tolles Plus», ist Matthias Kögl überzeugt.

Trotz dieser Benefits muss auch er sich, wie seine Kollegen im Tal, mit dem Fach- und Hilfskräftemangel auseinandersetzen.

Noch sind nicht alleStellen besetzt

«Es gibt bei uns noch Vakanzen in Küche, Hauswirtschaft und Service», sagt der Leiter Hotels & Gastronomie. «Dank der guten Erreichbarkeit können wir verschiedenste Anstellungsverhältnisse anbieten: von Stundenaushilfe über Teilzeit bis hin zu ganzjährigen Festanstellungen.» Rund die Hälfte der über 100 Angestellten sind ganzjährig beschäftigt. Grundsätzlich kommen sie morgens auf den Pilatus und fahren abends wieder ins Tal.

Für den Abendbetrieb im Hotel werden die Mitarbeitenden in der Regel ein- bis maximal dreimal pro Woche im Spätdienst eingeteilt. Sie bleiben dann über Nacht auf dem Berg und logieren in einem der Personalzimmer. «Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die allermeisten unserer Mitarbeitenden im Tagdienst arbeiten und die Abende freihaben. Auch gibt es bei uns praktisch keinen Dienst mit Zimmerstunde mehr», erklärt Matthias Kögl.

Wetterprognosen sind wichtige Planungshilfe

Im Sommer ist die Zufahrt auf den Berg dank der Zahnradbahn immer möglich. Doch wie ist es im Winter? Kann es passieren, dass Mitarbeitende und Gäste unerwartet von der Umwelt abgeschnitten werden? «Wir haben nur eine geringe Anzahl Sturmtage, an denen der Seilbahnbetrieb unmöglich ist. Dank äusserst zuverlässigen Wetterprognosen können wir Arbeitseinsätze meist sehr gut planen. Auch kurzfristig.» Dadurch seien böse Überraschungen sehr unwahrscheinlich.

Auf dem Seeweg zur Arbeit

Während die Angestellten eines Berggipfelhotels oder Berggipfelrestaurants in die Luft gehen müssen, um zur Arbeit zu kommen, führt der Arbeitsweg der Angestellten der Inselwirtschaft Ufenau übers Wasser. Das Gasthaus liegt auf einer Insel mitten im Zürichsee. Und zwar dort, wo die Kantone Zürich, St. Gallen und Schwyz aneinander grenzen.

«Bei Sturm bleiben unsere Leutedaheim oderarbeiten in einem unserer anderen Betriebe mit.»

Michel Péclard, Gastronomie-Unternehmer, Pumpstation GmbH, Zürich


Die Ufenau ist die grösste Insel der Schweiz, die nicht über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Sie liegt zwar auf dem Gemeindegebiet von Freienbach/SZ, gehört aber mit allem, was auf ihr steht seit über 1000 Jahren dem Kloster Einsiedeln.

Bis zum Herbst 2021 wurde das Gasthaus Ufenau – das eigentlich den klangvollen Namen «Haus zu den zwei Raben» trägt – vierzehn Sommer lang von Rösli und Beat Lötscher geführt. In diesem Jahr hat die Pumpstation Gastro GmbH unter der Leitung von Michel Péclard und Florian Weber das Inselgasthaus übernommen.

«Ich bin sehr stolz auf die Insel, und die Zusammenarbeit mit dem Kloster Einsiedeln macht enorm Spass», freut sich Michel Péclard. Viele der regionalen Produkte, mit denen auf der Ufenau gekocht wird, bezieht er aus der Landwirtschaft des Klosters. Da Michel Péclard in Hurden/SZ aufgewachsen ist, hat er einen persönlichen Bezug zur Ufenau. Kein Wunder, wenn man schon als Bub im Kanu zur Insel paddelte.

Arbeitsweg ist kein Handicap, sondern ein Highlight

Mit dem Kanu zur Arbeit kommen, könnten seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwar, aber sie müssen es nicht. «Wir haben ein Shuttle-Boot, das unsere Crew zur Insel bringt», antwortet Michel Péclard auf die Frage nach dem Arbeitsweg seiner Mitarbeitenden. Es gibt aber auch die Möglichkeit, mit dem öffentlichen Verkehr zum Arbeitsort zu gelangen. Das Kursschiff ab Schiffsteg Pfäffikon/SZ braucht für die Überfahrt zur Insel Ufenau elf Minuten. Etwa zwei Minuten länger ist die Fahrt von Rapperswil/SG aus. «Mit unserem Zodiac dauert die Überfahrt acht und mit dem Stand-up-Paddle etwa fünfzehn Minuten», schätzt der Gastronom.

Wie sein Berufskollege am Berg sieht auch Michel Péclard den speziellen Arbeitsweg nicht als Handicap, sondern als reizvolles Extra. Zumal bei ihm der Seeweg als Arbeitszeit zählt. Und auch er lässt sich von allfälligen Wetterkapriolen nicht beeindrucken. «Wenn ein Sturm die Passage verunmöglicht, können auch keine Gäste kommen. Dann bleiben unsere Leute daheim oder werden in einem unserer anderen Betriebe beschäftigt.»

Apropos Beschäftigung: Auch auf der Insel werden noch gute Leute für Küche, Service und als Runner gesucht. Michel Péclard sagt über die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt: «Es ist auch für uns schwierig, gutes Personal zu finden. Da wir aber eine eingeschworene Gastro-Family sind, erleichtert das vielen den Entscheid, zu uns zu kommen.»

Ganz am Ende des Tals

Während sich die Ufenau mitten im Zürichsee befindet, liegt die historische Walsersiedlung Sankt Martin, die auch ein Hotel mit Restaurant ist, ganz am Ende des Gigerwaldstausees im Calfeisental/SG. Es führt nur eine Strasse hierher, und die ist ab dem Staudamm bloss einspurig. Wer tagsüber ins Tal hinein- oder hinausfahren möchte, hat dazu in jeder Stunde pro Fahrtrichtung nur ein Zeitfenster von 20 Minuten zur Verfügung. Zu Fuss kann die Strasse durchgehend begangen werden. Die nächstgelegene Postautohaltestelle ist allerdings gut 45 Minuten Fussmarsch weit entfernt. Um lange Arbeitswege einzusparen, stehen den Mitarbeitenden daher Personalzimmer zur Verfügung.

(Riccarda Frei)


Zahlen und Fakten

Pilatus Kulm Hotels und Restaurants in Kriens/LU

Die Hotels und Restaurants auf dem Luzerner Hausberg, dem Pilatus, sind Jahresbetriebe. Die Hälfte der Gäste stammt aus der Schweiz. Zehn Prozent der Gäste kommen aus Europa und 40 Prozent der Besucher aus Übersee. Obschon die Hotels über ein modernes Konferenzzentrum verfügen, sind 80 Prozent der Gäste Individualreisende und nur 20 Prozent Gruppen- und Seminargäste (Stand vor Corona). Insgesamt stehen fünfzig Hotelzimmer zur Verfügung. Hundert Mitarbeitende kümmern sich um die Hotelgäste und die bis zu 5000 Tagesgäste. Je dreissig Mitarbeitende arbeiten in Küche, Restauration und Hauswirtschaft. Zehn weitere Per­sonen sind am Empfang und in der Administration tätig. Zudem werden auf dem Pilatus zwei Lernende Koch/Köchin sowie je ein Lernender/eine Lernende in den Berufen Restaurantfachfrau/-mann, Hotelfachfrau/ -mann, Kauffrau/-mann HGT sowie Hotel-Kommunikationsfachfrau/ -mann ausgebildet.

pilatus.ch

Inselwirtschaft Ufenau im Zürichsee

Der neueste Zugang im Portfolio der Pumpstation GmbH ist nur im Sommer geöffnet. Als Geschäftsführung für die Inselwirtschaft Ufenau hat Michel Péclard das Duo Lisa Schefer und Daniel Berchtold eingesetzt. Sie werden im ehemals «Haus zu den zwei Raben» genannten Restaurant das neue Gastronomiekonzept vonMichel Péclard umsetzen. Dieses beinhaltet unter anderem fangfrischeFische aus dem Zürichsee sowie Produkte, die auf dem Grund und Boden des Klosters Einsiedeln gedeihen. Auch Fleisch und Geflügel werden regional aus den Kantonen bezogen, die an den Zürichsee grenzen. Vegane Gerichte sowie eine Auswahl erlesener Weine runden das Angebot der Inselwirtschaft Ufenau ab.

inselufenau.ch

Bergrestaurant und Alphotel Sankt Martin im Calfeisental/SG

Die historische Walsersiedlung Sankt Martin liegt auf 1350 Meter über Meer und wurde im 14. Jahrhundert erbaut. Sie besteht aus einem Kirchlein, um das sich eine Handvoll Holzhäuser gruppiert. Im grössten der Häuser befindet sich das Restaurant. Hier werden regionale Produkte und Spezialitäten wie Alpkäse, Bauern-Speck, Capuns und Tatsch serviert. Das Restaurant ist im Sommer für Tagesgäste täglich von 8 bis 19 Uhr geöffnet. Auf Voranmeldung werden Tagesgäste auch abends bewirtet. Die zehn Hotelzimmer – teilweise mit und ohne eigenes Bad – sind auf die verschiedenen Häuschen und ehemaligen Ställe verteilt. Insgesamt stehen in Sankt Martin 26 Gästebetten zur Verfügung. Das Bergrestaurant und Alphotel Sankt Martin wird als Saisonbetrieb geführt. Die Geschäftsleitung teilen sich Petra Eggenberger und Astrid Riser.

sanktmartin.online