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«Wir müssen endlich die Negativspirale umdrehen»

In seiner Bachelorarbeit hat Julian Mair nach Lösungsansätzen für den Fachkräftemangel im Gastgewerbe gesucht.

Julian Mair hat an der Hochschule Luzern das Studium zum Bachelor of Science in Business Administration absolviert. (zvg)

Julian Mair, in Ihrer Arbeit schreiben Sie, dass Arbeitnehmende neuartige Ansprüche stellen. Welche?
Die Einstellung zur Arbeit hat sich verändert. Früher waren Privat- und Berufsleben klar getrennt. Heute verschwimmen diese Lebensbereiche. Arbeit wird als Mittel der Selbstverwirklichung gesehen. Mitarbeitenden ist es wichtig, ihre Ideen einbringen zu können.

Was können Arbeitgeber tun?
Wer Arbeitskräfte haben und halten will, muss flexibler auf individuelle Bedürfnisse wie Teilzeitpensen und Jobsharing eingehen. Dies auch beim Kader. Ausserdem müssen Arbeitgeber die Mitarbeitenden mehr in Entscheidungen einbeziehen, sie besser unterstützen und weiterbilden.

In Ihrer Bachelorarbeit steht, dass 66 Prozent der Arbeitgeber Weiterbildung anbieten, aber nur 24 Prozent der Angestellten sich weiterbilden, obwohl Weiterbildungen seit rund vier Jahren durch die Branche finanziert werden. Warum nutzen so wenig die gebotenen Chancen?
Besonders jungen Angestellten und solchen mit tiefem Bildungsniveau ist der Nutzen von Weiterbildung – besserer Job und höherer Lohn – oft zu wenig bewusst. Zudem wissen sie nicht, dass viele Weiterbildungen für sie kostenlos sind. Die Branche müsste mehr und bessere Werbung in eigener Sache machen.

Wie meinen Sie das?
In der Öffentlichkeit hat das Gastgewerbe als Arbeitgeber kein ­besonders gutes Image. Die Branche sollte ihre Vorteile, darunter die kostenlosen Weiterbildungen und die Schönheit der Berufe, mehr in den Vordergrund stellen und publik machen. Ausserdem müssen die Arbeitgeber aufhören, Mitarbeitende als Kostenpunkt zu sehen und sie endlich als ­Ressource wahrnehmen, in die ­es sich zu investieren lohnt. Sonst dreht sich die Negativspirale immer weiter.

Welche Negativspirale?
Läuft das Geschäft schlecht, wird sofort am Personal und an den Löhnen gespart. Das zeigt den schnellsten Effekt. Dadurch verliert man aber Fachleute an andere Betriebe oder Branchen. Weil unqualifizierte Angestellte nachweislich weniger produktiv arbeiten und weniger Umsatz generieren, muss immer weiter gespart werden. Diese Negativspirale dreht sich immer weiter, bis der Betrieb schliessen muss.

Wie lässt sich die Negativspirale stoppen?
Damit diese Spirale ausgebremst und sogar umgedreht werden kann, müssen die Arbeitgeber umdenken. Statt am Personal zu sparen, sollten sie gute Löhne bezahlen und so Fachkräfte halten, die durch ihre guten Leistungen den Umsatz stärken. Der Betrieb fährt mehr Gewinn ein und kann noch bessere Löhne bezahlen, was das Abwandern in andere Branchen uninteressanter macht.

Sind die Gäste überhaupt bereit, mehr zu bezahlen?
Das ist ein weiteres Kommunikationsproblem, das die Branche zu lösen hat. Den Gästen fehlt oft das Verständnis und die Wertschätzung für die erbrachten Leistungen. Auch hier muss das Image des Gastgewerbes verbessert werden.

Und wer soll dies konkret tun?
Alle! Branchen- und Berufsverbände, Berufs- und Hotelfachschulen, Betriebe, Gesellschaft. Es wird schon viel unternommen, gerade auf Verbandsebene, doch es braucht noch mehr Öffentlichkeitsarbeit. Und es braucht Angestellte, die positiv über ihren Beruf reden und ihre Leidenschaft für die Branche teilen und auch  zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel, indem sie Mitglied eines Berufsverbands werden und auch so dabei helfen, das Image der Gastronomie zu steigern.

(Riccarda Frei)


Zur Person

Julian Mair ist 1992 in Südtirol geboren und hat die Landeshotelfachschule Kaiserhof in Meran besucht. Seit 2014 arbeitet er in der Schweiz. Er hat sechs Jahre im «Victoria-Jungfrau» in Interlaken gearbeitet und sich dort vom Stationskellner bis zum Chef de service hochgearbeitet. Während seines Vollzeitstudiums an der Hochschule Luzern jobbte er an Wochen-enden weiterhin im «Victoria-Jungfrau». Seine Bachelor­arbeit «Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie – Ursachen und Lösungsansätze» erstellte er im Auftrag der Hotel & Gastro Union.

Mehr Informationen unter:

hotelgastrounion.ch