Jeweils am ersten Sonntag im Mai findet die Glarner Landsgemeinde statt. Die Stimmberechtigten treffen sich mitten in Glarus im Ring auf dem Zaunplatz, auch Landsgemeindeplatz genannt.
Es ist ein eindrückliches Bild und wirkt wie aus der Zeit gefallen. Wenn in Glarus die Landsgemeinde tagt, stimmen die Einwohner – und seit 1972 auch die Einwohnerinnen – über anstehende politische Geschäfte ab.
Die Versammlung ist bis heute das oberste Organ des Kantons. Sie nimmt nach wie vor einige wenige Wahlen vor: den Landammann und den Landesstatthalter aus dem Kreis der an der Urne gewählten Regierungsräten und Richtern. Vor allem aber ist sie für Verfassungs- und Gesetzgebung, für die Festsetzung des Steuerfusses und andere wichtige Sachentscheide zuständig.
Die Glarner Landsgemeinde findet in diesem Jahr am 5. Mai mit Verschiebungsdatum 12. Mai statt. Durch Abschätzen ermittelt der Landammann bei den Wahlen und Abstimmungen das Resultat. Grundlage für die Stimmberechtigten ist das «Memorial für die Landsgemeinde» mit der Traktandenliste und einer Beschreibung aller anstehenden Geschäfte sowie dem Antrag des Landrates, hier Kantonsparlament genannt. An der Landsgemeinde haben die Stimmberechtigten das Recht «zu raten, zu mindern und zu mehren». Das heisst, sie können zu jedem Sachgeschäft das Wort verlangen und Änderungen beantragen. Zutritt zum Ring haben nur stimmberechtigte Personen.
Wann die Landsleute von Glarus erstmals zu einer Landsgemeinde zusammentraten, ist nicht überliefert. Jedenfalls reichen die Wurzeln bis mindestens ins 13. Jahrhundert zurück. Es ist der politisch wichtigste Tag im Leben der Glarnerinnen und Glarner und gleichzeitig ein Volksfest. «Die Landsgemeinde interessiert als urdemokratisches Instrument viele Heimwehglarner, zieht aber auch grosses Publikum von weither an», sagt Roland Wermelinger, Informationsbeauftragter des Kantons Glarus. «Es melden sich immer wieder Gäste aus internationalen Regierungsorganisationen an, die erleben möchten, wie eine Landsgemeinde funktioniert.»
Wichtig an diesem Tag ist ein Festessen: Kalberwurst mit Kartoffelstock. Der Wurstverkauf nimmt vor dem Landsgemeindesonntag deutlich zu, denn sowohl in den Privathaushalten als auch in den Gasthäusern wird die Spezialität gekocht. Die Glarner Kalberwurst ist eine weisse Brühwurst aus Kalbfleisch, Wurstspeck, Milch, Ei, Weissbrot und Gewürzen. Dani Hösli von der gleichnamigen Metzgerei in Glarus sagt: «Seit wann wir Kalberwürste produzieren, weiss ich zwar nicht, doch das Rezept wurde im Laufe der Jahre mehrmals den gesetzlichen Richtlinien angepasst. Die Grundzutaten blieben dabei aber immer die gleichen.» Die Landsgemeinde sei natürlich der Peak der Kalberwurstproduktion. «Wir produzieren rund zwei Tonnen auf dieses Wochenende hin, ein Vielfaches der üblichen Menge.»
(Ruth Marending)