Kirchen, Schlösser, Burgen und Ruinen: Kultur- und Geschichtstourismus ist ein boomender Zweig. Dabei suchen die Touristen das Authentische. Doch was genau ist damit gemeint?
Der Verlag Librum Publishers in Basel hat jüngst den achten Band seiner Serie «Ausflug in die Vergangenheit – Archäologische Streifzüge durch ...» dem Kanton Schaffhausen gewidmet. Auf dem Kantonsgebiet finden sich viele kulturelle Schätze. Etwa ein Viertel der archäologischen und kulturhistorischen Fundstellen sind im Buch aufgeführt, zusammen mit Wandervorschlägen.
Geschichtstourismus liegt im Trend. Davon zeugen die verkauften Exemplare der Streifzüge-Serie. «Wir setzen teilweise gegen 5000 Exemplare ab», so Herausgeber Dominique Oppler. Doch nicht die Verkaufszahlen sind der Grund, weshalb die Reihe fortgeführt wird: «Wir sind überzeugt, dass es solche Bücher braucht.» Derzeit ist der Band zum Kanton Waadt im Druck.
Auch wenn der Librum-Verlag nicht genau weiss, wie die Kundschaft aussieht, vermutet er, dass sich alle erwachsenen Altersgruppen angesprochen fühlen. «Vielfach sind es Laien und Studenten, die die Bücher kaufen», so Oppler. Interessant sei, dass die Käufer nicht nur Bücher aus ihrem eigenen Kanton kaufen, sondern auch aus anderen Gebieten. «Dieser Umstand ist aus touristischer Sicht sehr spannend», so Oppler.
Doch woher kommt das Bedürfnis, sich historische Orte anzuschauen? Das Auswählen des Ferienziels hat eine Vorgeschichte, die bis zu Goethe und zur Grand Tour, zur populären Bildungsreise im 18. Jahrhundert, zurückreicht. Dabei ist immer das authentische Erlebnis zentral.
Authentisch im Sinne von «echt» wird ab dem 13. Jahrhundert für Reliquien verwendet. «Authentica» waren die von der Kirche vorgeschriebenen Beweise, dass es sich um einen echten Knochen einer Heiligen handelte. Aus der Reliquienverehrung wurde das Wort im modernen Sprachgebrauzu Echtheit umgewandelt.
Wie die Reliquie hat auch das Authentische mit Vervielfältigung zu tun. Etwas muss kopiert werden können, damit es als authentisch bezeichnet werden kann. «Wir wollen bis heute im Urlaub das Echte erleben, und das soll uns zu entspannteren, gebildeteren, toleranteren Menschen machen», sagt der österreichische Historiker Valentin Groebner (59), der seit 2004 als Professor für Geschichte des Mittelalters und der Renaissance an der Universität Luzern lehrt und sein Wissen in den beiden Büchern festgehalten hat: «Retroland», 2018 im Fischer Verlag und «Ferienmüde» 2020 im Wallstein Verlag erschienen. «Das Element der Pilgerfahrt, also die Veränderung durch die Reise an einen bestimmten Ort, ist nie ganz verloren gegangen. Nur wollen wir heute neben einer intakten Infrastruktur auch Wellness und Wlan dazuhaben.»
Das Versprechen von authentischen Orten durchzieht den ganzen Tourismus. «Tourismus ist eine Fiktion, die echte Strukturen erzeugt und so eine milliardenschwere Dienstleistungsbranche ist», so Groebner.
(Ruth Marending)