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Die 222-Franken-Bombe

Saas-Fees Winterabo-Aktion platzte herein und überraschte alle. Vor allem traf sie jedoch Gastronomen und Hoteliers, die unvorbereitet in die überfüllte Saison starten mussten. So erlebten sie den Winter.

1600 Menschen leben im Örtchen Saas-Fee. In der Wintersaison steigt die Zahl bis auf 10 000 an. (Photopress / Annex)

Es war Anfang vergangener Woche, als wir dem Ferienörtchen Saas-Fee einen Besuch abstatten. «Ich dachte, am Montag ist Ruhetag», begrüssen wir Sigi Burgener, der seit 30 Jahren das Restaurant Chämi-Stuba im Dorfkern führt. «Ruhetag? Seit dem 2. Dezember arbeiten wir teilweise bis zu 15 Stunden pro Tag. Jeden Tag», erzählt der Wirt. Und er ist nicht der Einzige. Fast alle Gastronomen und Hoteliers der Region wurden in dieser Saison mehr als gefordert. Das brachte Umsatz. Doch war das Gastgewerbe der Aufgabe gewachsen? Die Tische wurden am Mittag dicht besetzt. Am Abend gab es teilweise zwei Sittings. Hotels wurden überbucht. Und da wäre noch das Problem der fehlenden Mitarbeiterunterkünfte. Doch dazu später mehr.

Grund für den plötzlichen Aufschwung war die Lancierung der Wintercard-Aktion. Für 222 Franken stand ein Saisonabonnement zum Verkauf. Bei einem Normalpreis von 72 Franken für den Tagespass hätte man schon am vierten Tag von der Aktion profitiert. Etwa 80 000 Menschen schnappten zu und sicherten den Bergbahnen damit den gesamten Jahresumsatz auf einen Schlag. 10 000 wurden dabei von Hotels und Ferienwohnungsbesitzern ergattert, um spezielle Deals für ihre Gäste anbieten zu können. Der Skiort, der in den letzten zehn Jahren stets sinkende Zahlen aufwies, hatte in diesem Winter 45 Prozent mehr Ersteintritte zu verzeichnen. Und 10 Prozent mehr Logiernächte als im Vorjahr. Saas- Fee ist aus dem Tiefschlaf erwacht und an den Puls des Geschehens zurückgekehrt.

Saas-Fee boomte – doch auf wessen Kosten?

«In der ganzen Schweiz steht der Tourismus vor grossen Herausforderungen. Durch die Aktion hat Saas-Fee neuen Schwung bekommen. Alleine deshalb hat es sich schon gelohnt», erzählt Andreas Zurbriggen, Medienleiter bei der Saastal Marketing AG. Über Saas- Fee wurde viel gesprochen, und das zeigte Wirkung: Neben den verkauften Saisonabos wurden auch sehr viele Tagespässe gelöst. «Es war beachtlich mehr los. Auf den Pisten waren dieses Jahr mindestens ein Drittel mehr Wintersportler unterwegs. Mehr Bergbahnmitarbeiter wurden jedoch nicht eingestellt», wie uns ein Angestellter der Bergbahnen anonym erzählt, «vor allem an den Kassen und in den Bergrestaurants war an manchen Tagen die Hölle los.»

«Ende Oktober liessen die Bergbahnen die Bombe platzen», erzählt Patricia Burgener. «Auf die Schnelle war es schwer, neue Mitarbeiter einzustellen», sagt sie weiter. Eine Bewilligung für neue Angestellte zu bekommen, kann teilweise bis zu drei Monate dauern. Zwei zusätzliche Mitarbeitende konnte das Paar im Endeffekt doch noch anstellen. Jedoch kam bereits das nächste Problem. Viele Wintercard-Besitzer mieteten Ferienwohnungen für die gesamte Saison. «Wir haben teilweise keine Studios mehr für unsere Mitarbeiter bekommen», sagt Patricia Burgener.

Mangelware: Mitarbeiterunterkunft

Ein Problem, das auch andere Wirte kannten. Besonders die Bergrestaurants hatten mit personellen Problemen und vielen Gästen zu kämpfen. Die Situation eskalierte an dem Punkt, als Mitarbeitende in den Bergrestaurants übernachten mussten, wie uns ein Einheimischer anonym erzählt. Ein gefährliches Unterfangen auf 2500 Meter Höhe. Und dazu illegal.

Besonders an den Wochenenden wurde die Lage oft strapaziert. «Wir waren jeden Tag komplett ausgebucht und servierten durchgängig ab der Mittagszeit. Am Abend besetzten wir die Tische sogar doppelt in zwei Durchgängen», erzählt Sigi Burgener. «Nicht selten haben wir den Fumoir-Betrieb geschlossen und dort Gäste platziert, weil sie sonst nirgendwo etwas zu essen bekommen hätten», erinnert sich Patricia Burgener. Oft schickte sie Gäste in das benachbarte Restaurant, da es dort Take-away-Gerichte gab.

Die Bilanz nach vier Monaten harter Arbeit: «Nächste Saison können und werden wir es besser machen. Wir wissen nun, was auf uns zukommt und werden dementsprechend reagieren», sagt Patricia Burgener.

Die Stimmung bei den Gastronomen und Hoteliers im Dorf ist jedoch grösstenteils positiv. Man freut sich über den zusätzlichen Umsatz, der überraschend kam. «Wir hatten die Befürchtung, dass wir bei Grossandrang unsere Qualität nicht halten können. Und im Nachhinein hätten wir wirklich mehr Mitarbeiter benötigt. Denn wir wurden erst spät über die Aktion informiert. Doch am Ende haben wir es sehr gut gemeistert», sagt Alex Supersaxo, Direktor des Dreisternehotels Mistral in Saas-Fee.

Gewinn für die Zwischensaison

Besonders in der Zwischensaison hat sich die Aktion für Hoteliers gelohnt. Das Hotel Mistral war durchweg ausgebucht, auch in erfahrungsgemäss schwächeren Zeiten wie vor Weihnachten, im Januar oder vor Ostern. «Besonders freut uns, dass Stammgäste Drei-Jahres-Pässe kauften und bereits jetzt für nächstes Jahr Zimmer reservierten», erzählt Supersaxo. So geht es auch Raphael Herzog, Direktor des Hotels The Capra: «Wirklich alle im Dorf haben profitiert – Jugendherbergen, Hotels oder Ferienwohnungsbesitzer.» Wieso ein Fünfsternehaus wie das Capra von einem günstigen Pauschaldeal profitieren sollte, wollten wir wissen. «Unsere Gäste haben das nicht nötig, das stimmt. Doch auch der Fünfsternegast liebt Deals. So eine günstige Karte finden alle super», erklärt uns Raphael Herzog, «Ausserdem haben sich viele Besuchende gedacht ‹Wenn ich schon so günstig ein Skiticket bekomme, hänge ich doch noch einen Kurzurlaub in einem Fünfsternehaus› dran.»

Alle Gastronomen, Hoteliers und Angestellten erwarten sehnlichst die Ferien am Ende der Saison. Wohin es gehen soll? «Noch haben wir keine Zeit, Ferien zu buchen. Wir laufen immer noch auf Hochtouren. Zuerst müssen wir zur Ruhe kommen», erzählt Patricia Burgener.

Bis zum 22. April ist der Skibetrieb noch voll im Gange. Danach haben das Dörfchen und die Angestellten bis zum Spätsommer Zeit, Kräfte für die neue Saison zu tanken. Diesmal hoffentlich besser vorbereitet.

(Anna Shemyakova)


Nächste Saison erneut mit Wintercard und neu: der VIP-Card

Auch in der kommenden Saison wird das Crowdfunding-Projekt weitergeführt. 42 956 Karten wurden bereits verkauft. 77 000 braucht es bis Ende April für die Realisirung. Voraussichtlich werden später zusätzliche Angebote lanciert, jedoch zu einem höheren Preis.

Neu ist eine VIP-Card geplant, die unterschiedliche Leistungen beinhalten wird. Diskutiert werden Deals für den Autoverlad am Lötschberg, Rabatte bei Skimiete oder Gastro-Angeboten.