Mit Dominique Crenn, Ana Roš und Antonia Klugmann gaben an der diesjährigen Chef Alps gleich drei Ausnahmeköchinnen Einblicke in ihr Schaffen. Dabei zeigten sich überraschende Parallelen.
Sie wird auch Dichterin der poetischen Kulinarik genannt. Dominique Crenn, die Französin, die auszog, um 2011 in San Francisco das Atelier Crenn zu eröffnen. Bereits 2012 erhielt die heute 51-Jährige als erste Köchin Amerikas für ihr persönliches Projekt zwei Michelin-Sterne, 2016 wurde sie zur World’s Best Female Chef erkoren.
Gemäss ihrem Motto «Food is an Art and Life is a Poem» schreibt sie Gedichte statt Menüs. Eine Zeile für jedes Gericht. «Ich will in meinem Restaurant ein spezielles Gefühl kreieren», sagt die schlanke, tätowierte Frau, die als Mädchen adoptiert wurde und schon als Femme fatale Schlagzeilen machte. Ihre feinfühligen Gedichte handeln auch mal vom frühzeitigen Tod ihres Vaters.
«Das Atelier Crenn ist ein Ort, der kreative Menschen willkommen heisst. Ich will sie mit meinen Gerichten inspirieren und mit ihnen über meine Speisen in Dialog treten.» Essen sei für Dominique Crenn eine Sprache, um ihre Gefühle mit anderen zu verbinden. Inspiration brachte sie Ende Mai nach Zürich, indem sie den 1400 Anwesenden am International Cooking Forum Chef Alps eines ihrer wichtigsten Gerichte dieses Frühlings präsentierte: Fish and Chips. Dafür grillierte und räucherte sie das Mark des Schwertfisches und servierte es mit Passionsfrucht sowie selbst gemachtem Essig. Dominique Crenn stellt diesen gerne aus Gemüseresten her. Die Chips stellte sie als Kartoffelspaghetti dar und richtete sie separat an.
Bei der Kreation ihrer Gerichte setzt Dominique Crenn bewusst keine Grenzen. Zutaten und Techniken werden beliebig gemixt. «Ich bin unkonventionell und denke gerne ‹out of the Box›.» Köche müssen ihrer Meinung nach kreativ und ohne Angst sein. Nur so könne man seine Art zu kochen verändern und neue Kreationen hervorbringen.
«Köche sollen denken, bevor sie kochen, bewusster darangehen, sich ihrer Verantwortung klar sein.» Verantwortung nicht nur gegenüber den Lebensmitteln und den Produzenten, sondern auch gegenüber dem Team. «Ich muss mein Team kennen, es mit meiner Vision inspirieren und mich von ihm inspirieren lassen.» Dazu gehöre auch, das eigene Ego etwas zurückzustecken.
Wenn jemand ein Lied davon singen kann, wie es ist, das eigene Ego zurückzustecken, dann ist das Ana Roš. Die «World’s Best Female Chef 2017» erlernte das Kochhandwerk komplett autodidaktisch. Und verzweifelte zu Beginn fast am Entscheid, in die Küche des schwiegerelterlichen Betriebs Hiša Franko in Kobarid einzusteigen. Die ehemalige Spitzensportlerin und Fast-Diplomatin fällte ihn 2011 gemeinsam mit ihrem Mann, dem Sommelier Valter Roš. Dies, als sie bemerkten, dass ihr damaliges Team den Ideen, die sie auf ihren Auslandsreisen gesammelt hatten, nicht mehr folgen konnte. Auch sie betonte, wie wichtig es sei, sich selbst auszudrücken. Dieser Prozess sei oft einsam und beschwerlich gewesen, führe aber zur Entdeckung phänomenaler Ergebnisse.
Interessanterweise hat der gebürtigen Slowenin das Muttersein geholfen, zu der weltberühmten Köchin zu werden, die sie heute ist. «Ich habe zu der Zeit zu kochen begonnen, als meine beiden Kinder zur Welt kamen. Das hat mich ans Haus gefesselt. Ich hatte keine Zeit mehr, den Trends zu folgen und musste mich auf mich selbst konzentrieren.» Heute arbeitet sie mit den verschiedensten Techniken, die sie auf Reisen und aus Büchern lernte, oder die ihr ein Freund des Hauses beigebracht hat. Viele stammen aus der Region, oft von älteren Menschen übernommen und weiterentwickelt. «Mein Essen erzählt Geschichten über die Tradition meiner Umgebung.» Eines ihrer derzeitig am häufigsten verkauften Gerichte ist Zunge, die sie nach alter Tradition im Ofen gart. Ana Roš versteckt das butterzarte Fleisch und die marinierten Jakobsmuscheln mit Mayonnaise und der japanischen Bouillon Dashi unter fein gehobelten Selleriescheiben. «Jedes meiner Gerichte enthält eine Überraschung.» So mariniert sie die Rande in einem selbstgemachten Kaki-Essig oder kocht Kutteln in Entenjus. Ein sehr persönliches Gericht, wie Ana Roš sagt: «Es ist eines dieser Menüs, die mir meist morgens in den Sinn kommen und ich einfach weiss, es funktioniert!» Für diesen Frühling hat sie 18 neue Gerichte kreiert. Sie seien ausbalancierter als die vorherigen. «Unsere Emotionen und unser Bewusstsein ist immer anders. Am Essen kann man spüren, ob der Koch müde ist oder ob er Streit mit dem Partner hat», ist sich Ana Roš sicher.
Bei der norditalienischen Spitzenköchin Antonia Klugmann ist es ähnlich. Sie ist bekannt für ihr subtiles Spiel mit Kräutern aus der Umgebung oder ihrem Garten. «Ich spüre einfach, wenn ein Gericht stimmt. Ich koche im Kopf und folge meinem Herzen», sagt die Gastgeberin des «L’Argine a Vencò» in Dolegna del Collio. Die Erfahrung dazu sammelte die Köchin in ihrem ersten Restaurant, dem sie im Alter von 26 bis 31 treu blieb. «Diese fünf Jahre waren ein Geschenk für mich. Dort konnte ich mich in Ruhe entwickeln.» Antonia Klugmann liebt es, neue Dinge zu kreieren. Es seien die schönsten Momente in ihrem Leben als Köchin, wenn diese neuen Menüs aufpoppen und sie jeweils nur noch die Details in der Küche anpassen müsse. Wie etwa die Kochart der Erdbeeren für die Spaghettisauce, welche sie in Zürich zeigte. «Ich denke immer an mich, selbst wenn ich koche. Man muss sich selbst sein, aber verbunden mit den Trends, um weiterzukommen.» Ihnen nur zu folgen, wäre so einfach. Sie zu gestalten jedoch, das sei das Interessanteste an ihrem Beruf.
(Sarah Sidler)