Das Motto des vierten Hospitality Summit in Oerlikon/ZH lautete «Gemeinsam die Zukunft gestalten». Auf und neben der Bühne diskutieren Referentinnen, Referenten und Gäste touristische Herausforderungen und Trends. Allgegenwärtiges Thema war die künstliche Intelligenz.
Bereits zum vierten Mal trafen sich dieses Jahr Branchenvertreterinnen und -vertreter zum von Hotelleriesuisse initiierten Hospitality Summit. Die zweitägige Fachveranstaltung brachte 90 Referentinnen und Referenten sowie über 1500 Besucherinnen und Besucher zusammen, um aktuelle Herausforderungen und Lösungen zu diskutieren. Erstmals fand zudem der Career Day statt, bei dem sich Unternehmen als attraktive Arbeitgeber präsentieren und Nachwuchskräfte kennenlernen konnten. Der Career Day richtet sich spezifisch
an Lernende aus dem dritten Lehrjahr, Studierende und Maturanden sowie Nachwuchskräfte und soll die dringend benötigte nächste Generation von Fachkräf-
ten mobilisieren.
Nicole Brändle, die neue Direktorin von Hotelleriesuisse, zog nach der Tagung eine positive Bilanz: «Wir haben in diesen zwei Tagen viele wertvolle Impulse für die Zukunft der Beherbergung erhalten und innovative Lösungsansätze diskutiert.» Es sei inspirierend zu sehen, wie viele Fachkräfte und Experten zusammengekommen seien, um gemeinsam die Zukunft der Branche zu gestalten.
In den kommenden Jahren wandelt sich nicht nur das Klima, sondern auch die Weltwirtschaft. Auf diese neuen Herausforderungen muss der Schweizer Tourismus sich einstellen.
Ökonom Klaus W. Wellershoff kennt sich mit der Wirtschaft bestens aus. Eine kurzfristige Wirtschaftsprognose gab er am Hospitality Summit trotzdem nicht ab – diese seien oft wenig exakt. «Lang- fristige Prognosen für die nächsten 10 bis 15 Jahre sind interessanterweise genauer.» Wie sieht die Weltwirtschaft also in 15 Jahren aus? «China wird vor den USA die grösste Volkswirtschaft der Welt sein», so der Professor für Nationalökonomie an der Universität St. Gallen. «Das ist natürlich keine Überraschung. Spannend ist aber, dass auf Platz drei Indien und auf Platz vier Indonesien stehen könnten – das wird sich auf den Tourismus auswirken und neue Märkte erschliessen.» Insgesamt werde sich das Gewicht der Weltwirtschaft nach Osten verlagern. Aber auch Schwellenländer wie Mexiko entwickelten sich rasant, und es lohne sich, künftige Gästegruppen im Auge zu behalten.
Eine weitere Entwicklung, welche insbesondere die Berggebiete betreffen wird, ist der Klimawandel. «Der Schnee wird weniger und die Saison kürzer», konstatierte Fabian Wolfsperger vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos/GR in einer Podiumsdiskussion. In der Branche müsse ein Umdenken stattfinden: «Der Schnee sammelt sich über die Wintermonate Dezember, Januar und Februar an, gegen Ende der Saison liegt deshalb am meisten Schnee.» Die Saison sollte daher nicht früher anfangen, sondern länger dauern: «Im März und April herrschen oft bessere Pistenbedingungen als im Dezember.»
Insgesamt werden gemäss Wolfsperger die Gebiete in mittleren Lagen von 1000 bis 1700 Metern über Meer bis Mitte des Jahrhunderts bis zu 50 Prozent weniger Schnee haben. «In Lagen ab 1900 Metern über Meer hingegen wird dies kein Problem darstellen, nicht zuletzt dank der technischen Beschneiung.» Der Schneetourismus werde sich daher auf weniger Gebiete konzentrieren – alle andern sind gefordert, Alternativen zu finden und sich in Richtung 365-Tage-Betrieb zu entwickeln.
Zu den Höhepunkten des Hospitality Summit gehört die Verleihung der Auszeichnung Hotelier des Jah- res. 2024 dürfen sich Claudio und Patrick Dietrich vom «Waldhaus Sils»/GR über den Preis freuen. Die beiden Brüder führen den Fami- lienbetrieb bereits in fünfter Ge- neration. Der Special Award ging an Claudia Züllig-Landolt, Gast- geberin im Hotel Schweizerhof Lenzerheide/GR. Sie wurde für «ihr unermüdliches Engagement zugunsten der Nachwuchsförderung in der Beherbergungsbranche» geehrt.
Der Blick ins Programmheft bestätigt: KI regt zum Diskurs an. Ebenso für Gesprächsstoff sorgte an Tag zwei die Verlängerung der touristischen Saison.
Muss man Angst vor der KI haben? «Nein», sagt Thilo Stadelmann in seiner Rede. Stadelmann ist Professor für künstliche Intelligenz an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Wichtiger sei es, KI für sich einsetzen zu wissen. Als Beispiel nennt der Experte das Projekt der Firma Kitro und der ZHAW. Es nutzt künstliche Intelligenz, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Das System wiegt die Abfälle und erfasst sie mit einer Kamera. Ein Deep-Learning-Algorithmus analysiert die Fotos und unterscheidet beispielsweise zwischen ganzen Karotten und Schalen. Die Ergebnisse helfen, Food Waste zu erkennen und zu vermeiden. Als Denkanstoss zitiert Stadelmann zum Schluss Harvard-Professor Karim R. Lakhani: «KI ersetzt keine Menschen. Aber Menschen mit KI ersetzen Menschen ohne KI.»
Auf der Bühne trafen sich zudem Marijana Jakic, CEO von St. Moritz Tourismus, Christian Gurtner, Hoteldirektor vom «Six Senses» in Crans-Montana/VS und Martin Nydegger, Direktor von Schweiz Tourismus. Sie sind sich einig: Das Potenzial ist da, um mit den Monaten Mai, Juni und September die Saison zu verlängern. Marijana Jakic sieht darin eine Chance, Mitarbeitende zu halten und sie an die Region zu binden. Auch Einheimische würden vom ganzjährigen Tourismus profitieren, was die Abwanderung hemmen könne. Einen Erfolgsfaktor sieht Christian Gurtner in Events wie der Mountain Bike World Series, die im Juni in Crans-Montana/VS stattfindet. Nydegger gibt zu bedenken, dass das Wachstum graduell stattfände und man nicht einfach einen Hebel umlegen könne.
(Angela Hüppi/Andrea Decker)