Werber, Zukunftsforscher und Branchenprofis diskutierten im Igeho Campus, wohin die Reise der Schweizer Hotellerie geht.
Die gute Nachricht vorweg: Die Aussichten für den Schweizer Tourismus sind besser als auch schon. Politiker und führende Vertreter von Verbänden sehen positiv in die Zukunft. Dies zumindest ist das Fazit eines Polit-Talks im Igeho Campus zum Thema «Quo Vadis, Schweizer Tourismus?». Daran nahmen unter anderen Dominique de Buman, Nationalrat und Präsident des Schweizer Tourismusverbands, sowie Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer und Hotelleriesuisse-Präsident Andreas Züllig teil.
Mit Besorgnis betrachten die Branchenvertreter den anhaltenden Fachkräftemangel. Wenn diesem Punkt allerdings etwas Positives abgewonnen werden kann, dann dieser Aspekt: «Qualifizierte Mitarbeiter, die jetzt auf Stellensuche sind, haben die Qual der Wahl», so Esther Lüscher, Präsidentin der Hotel & Gastro Union, in der Diskussion.
Also alles in Butter? Natürlich nicht. Tourismus und Hotellerie stehen vor grossen Herausforderungen. Eine Frage lautet dabei: Kann die Schweiz als Hochpreisinsel überleben. «Sie kann», glaubt Star-Werber Frank Bodin. Aus seiner (Quer-)Sicht brauche es allerdings Mut. In einem fulminanten Vortrag las er der Branche und der Politik die Leviten. «Schweizer Touristiker, macht Ferien im Ausland und holt euch frische Ideen!», rief er dem Publikum zu. Er sei überzeugt, dass die Branche und das Land dynamisiert werden müssen und die Schweiz Pioniertaten mit Strahlkraft brauche. Als Beispiele nannte er die Hamburger Elbphilharmonie und den neuen «Louvre» in Abu Dhabi. Für seinen Geschmack werden in der Tourismuswerbung nur Berge und Seen in den Mittelpunkt gerückt. «Ist das Vielfalt?», fragt Frank Bodin. «Wo bleibt der Faktor Mensch, wo bleiben unsere Städte und unsere Kulturen?»
Neben Tourismusfragen standen im diesjährigen Igeho Campus vor allem Trends in den Bereichen Food, Hotellerie und Digitalisierung im Mittelpunkt. «Die Menschen sind heute googleschlau, deshalb braucht es neue Angebote», forderte der Hamburger Zukunftsforscher Oliver Leisse. Eine seiner Prognosen lautet: «Der Koch wird zum Assistenten des Arztes. Gemeinsam erstellen sie, was wir essen dürfen.»
Und wie sieht die Zukunft der Hotellerie aus? 2008 stellte das deutsche Fraunhofer-Institut in Duisburg erstmals ein «Future Model» vor. Vor wenigen Jahren setzte das Institut in Zusammenarbeit mit einer Wiener Hoteliersfamilie das Projekt in die Tat um. «Schani» heisst das Hotel und wird von Benedikt Komarek geführt. Der Wiener Hotelier stellte im Igeho Campus sein Haus vor, das ohne Réception auskommt. Stattdessen setzt er auf eine Kaffeehaus-Lobby, in der sich die Gäste zum Austausch und Co-Working treffen. Zimmer werden im «Schani» ausschliesslich online gebucht. Maximal 48 Stunden vor dem Check-in wird jedem Gast ein Zimmerschlüssel auf das Handy gesendet. Check-out und Bezahlen erfolgen über das Smartphone. Sogar Licht und der individuelle Wasserverbrauch auf dem Zimmer lassen sich mobil steuern beziehungsweise kontrollieren.
Online-Marketingprofis wie Gabriele Bryant aus Solothurn erwarten hierzulande eine Flut von digitalen Neuheiten. Im Igeho Campus präsentierte sie unter anderem «Affective Computing». Dabei erkennt der PC die Gemütslage des Hotelgastes und entscheidet, wie er kommuniziert. Ob das immer gut ankommt?
(Jörg Ruppelt)