Am eigenen Gemüsegarten erfreuen sich Köche, Hotelbesitzer und ganz besonders die Gäste. Jahr für Jahr kommen sie wieder, um ihn zu geniessen.
Frische, eigene Produkte à gogo vor der Haustür: ein Eldorado für jeden Koch. Rund 200 Lebensmittel aus Gärten und Eigenproduktion stehen den Köchen des Restaurants der Stiftung Kartause Ittingen in Warth/TG zur Verfügung. Das sind genug, um auf der Speisekarte gleich mehrere so genannte Null-Kilometer-Menüs anzubieten. Das sind Menüs, die ausschliesslich mit Produkten der Kartause zubereitet werden. Das kann zur Vorspeise ein Ittinger Wildkräutersalat mit Frischkäse aus der Hofkäserei und Streifen von getrockneten Tomaten, zum Hauptgang ein Schweinssteak vom Ittinger Säuli mit Gravadossauce, hausgemachten Spätzli und Zucchetti aus der Klostergärtnerei und zum Dessert eine Joghurtquarkcreme mit Johannisbeerkompott und schwarzer Ittinger Nuss sein.
«Um auch den Burger mit dem Null-Kilometer-Label verkaufen zu können, haben die Köche eigenes Ketchup gemacht und Gurken und Zwiebeln eingelegt», sagt Hoteldirektor Valentin Bot von der Kartause Ittingen. «Die Einschränkung macht sie kreativ. Zudem kommt das Label bei den Gästen super an.»
Auf dem Gelände der Stiftung Kartause Ittingen in Warth/TG wird schon seit 900 Jahren Gemüse angebaut. Im Lauf der Zeit ist dort eine eindrückliche Gartenanlage entstanden, in der sich Rebberge, Hopfen- und Gemüsegärten mit der Blütenpracht von Blumengärten zu einem einzigartigen Ganzen verbinden. Dies sieht der Gast bereits bei der Anreise zur ehemaligen Klosteranlage, die heute als Hotel, Restaurant, Kulturzentrum, Museum, Wohnheim und Konzertlocation dient. «Unser Konzept basiert seit 40 Jahren auf den klösterlichen Werten Gastfreundschaft, Fürsorge, Kultur, Spiritualität, Bildung und Selbstversorgung», erzählt Valentin Bot. Um die Gäste soweit wie möglich mit eigenen Produkten verpflegen zu können, dient ein Drittel der 100 Hektaren dem Ackerbau. «Mitarbeiter unseres Gutsbetriebs pflanzen zum Beispiel Sonnenblumen, Weizen, Kartoffeln, Zuckerrüben, Raps, Mais und Kürbisse an. Sie haben schon Versuche mit Quinoa und Hirse gemacht.» Zur Kartause gehört eine Gärtnerei, deren Mitarbeiter 200 Tee- und Kräutersorten und eine Vielzahl an Gemüse kultivieren. Chefkoch Jürgen Stöckel und seinem Team stehen neben dem herkömmlichen Gemüse eigene Artischocken, Gurken, Zucchetti und Federkohl zur Verfügung.
Der Landwirtschaftsbetrieb und die Gärtnerei, wo auch betreute Mitarbeiter helfen, können zusammen rund 15 Prozent vom benötigten Gemüse und Obst für das Restaurant produzieren. Um 100 Prozent abzudecken, müssten die Gärten Unmengen hergeben, generieren Restaurant und Hotel der Kartause doch 10 der 18 Millionen Franken Umsatz jährlich. «Dafür decken wir 40 Prozent des verkauften Fleisches, 90 Prozent des Weins und fast 100 Prozent der Milchprodukte sowie Mehlspeisen aus eigener Produktion ab», so der Hoteldirektor stolz.
Auf dem Bauernhof leben 50 Milchkühe, 200 Mastschweine und etliche Hühner. Auf zehn Hektaren wachsen acht verschiedene Rebsorten, und in der eigenen Käserei werden Rahm, Butter und verschiedene Käsesorten aus Rohmilch produziert. Auch Honig, 2000 Forellen, Nüsse und diverse Früchte, Beeren und essbare sowie dekorative Blüten gedeihen auf dem Gelände.
Ohne seine Gemüsegärten gäbe es das Gasthaus Hospezi nicht. Denn die Besitzer Ursula und Christian Weber bieten im ehemaligen Pilgerhaus oberhalb von Trun im Bündner Oberland nur Selbstangebautes an. Vor rund 20 Jahren haben der Jurist und die ehemalige Chefin der Mode-Boutique Donna Karan in Zürich ihre Berufe an den Nagel gehängt und entschieden, sich und ihre Gäste fortan selbst zu versorgen.
Dank eines grossen Gemüsegartens, eigener Hühner, Schweine und Schafe, viel selbst angeeigneten Wissens und grossen Engagements ist dies möglich. Rund drei Hektaren Land stehen den beiden für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung. Auch ein langer und harter Winter hindert die Gastgeber nicht daran, ihren Gästen jederzeit glustige Menüs anzubieten: «Es bereitet uns keinen Stress, einen feinen Fünfgänger aufzutischen», so Christian Weber. Als Vorspeise gibt es einen Frühlingssalat mit Blüten, danach eine Wildkräutersuppe. Die Spargeln spriessen schon; er serviert sie mit frischen Morcheln zu selbstgemachter Pasta. Wer Fleisch möchte, erhält eigenes Gitzi, dazu frischen Blattspinat sowie die blauen Veltliner Kartoffeln von Pro Specie Rara. Zum Dessert wird etwas mit Rhabarber aufgetischt. Es stehen auch Wintersalate, Rüebli, Randen, getrocknete Bohnen und Apfelringli, eingemachtes Sauerkraut, Peperoni oder Gurken sowie eigene Polenta und vieles mehr zum Kochen zur Verfügung. «Unsere Landwirtschaft versorgt uns gut», so Christian Weber. Zudem bieten die Wiesen derzeit feine Wildpflanzen wie Wildspinat, Hopfentriebe und Wiesenbärenklau.
Jederzeit abwechslungsreiche Gerichte aus dem eigenen Garten anzubieten, erfordert viel Arbeit. «Derzeit sind wir vor allem am Jäten. Doch pflanzen wir bereits Kartoffeln, Salate und Tomaten an. Die blühenden Beerensträucher und Bäume bereiten uns wie auch unseren Gästen grosse Freude.» Diese schätzen die naturnahe Umgebung sowie das selbst angebaute Essen. Nicht wenige reisen extra deswegen ins abgelegene Trun. Unter anderem zählt der Pionier der Naturküche Oskar Marti, besser bekannt als Chrüter-Oski, zu ihren Gästen.
Obwohl eine Übernachtung in einem der sieben Doppel- oder drei Einzelzimmer mit Nachtessen sowie Frühstück ab 165 Franken zu haben ist, ist das «Hospezi» selten ausgebucht. Das wollen die Gastgeber auch nicht. Lieber haben sie genügend Zeit, um sich um die Gäste zu kümmern. «Zudem ist es nicht einfach, das Gleichgewicht zwischen Gästebetreuung und landwirtschaftlicher Produktion zu finden.» Ursula und Christian Weber machen nämlich alles zu zweit. Das Paar hat sich diese Art zu leben ausgesucht und lieben gelernt, doch das geht an die Substanz. «Wir sind auf der Suche nach Nachfolgern. Wer interessiert ist, darf sich gerne bei uns melden.» Um das «Hospezi» gut für die Zukunft gerüstet weiterzugeben, soll es bis Ende 2019 autonom Energie produzieren. Dazu ist das umtriebige Paar derzeit auf der Suche nach Geldgebern.
Um ihre Gäste mit eigenen Produkten zu versorgen, haben Tamara und Marco Kälin ein 600 Quadratmeter grosses, benachbartes Grundstück gepachtet. «Ich war schon immer ein Ökofreak», sagt Marco Kälin, Gastgeber im Eco-Hotel Cristallina in Coglio/TI. Für 40 000 Franken hat das Paar die alten Terrassen erneuern lassen. «Der Garten wurde 30 Jahre lang vernachlässigt, wir mussten Bäume fällen sowie die Mauern instandsetzen lassen.» Doch der Aufwand war es ihm wert: «Wir wollten für unser Restaurant eigene, biologische Produkte anbauen», so der naturnahe Gastgeber. Inzwischen stehen dem Küchenteam 90 Prozent biologische Zutaten für ihre meist vegetarischen Gerichte zur Verfügung. Die eigenen Lebensmittel bereiten nicht nur ihm und Koch André Bähler Freude. Der Insalata Caprese mit fünf verschiedenfarbigen Tomaten lässt die Gäste staunen. Kommen selbst gemachte Pizzoccheri mit farbigem Krautstiel und violetten Kartoffeln auf den Tisch, macht sich Begeisterung im Restaurant breit. Und die ergiebige Kürbispflanze bietet frisches Gemüse für den ganzen Winter.
20 verschiedene Obstbäume sorgen für eigene Äpfel, Birnen, Zwetschgen, aber auch für Kiwis, die bis März die Gäste im «Cristallina» begeistern. Rund 60 Kilogramm der süssen Frucht liefern die zwei Bäume. Auch Exotisches wie die Bergbanane – Pawpaw genannt –, eine Mischung aus Mango und Banane, gedeiht im Tessin. Die Früchte sorgen neben frischen Fruchttellern im Sommer auch für feine Konfitüren und Desserts im Winter.
Stolz sind die Kälins auf ihre zahlreichen Beeren. Bis zu 20 Kilogramm können sie jährlich ernten. Steht der Garten in voller Blüte, bedarf es täglich rund einer Stunde Pflückzeit, die einer der zwei Servicefachmitarbeiter oder der zwei Köche übernimmt. Das automatische Bewässerungssystem lässt jeder Pflanze die exakt benötigte Wassermenge zukommen. Als nächstes Projekt möchte Marco Kälin mittels Permakultur Gemüse, Kräuter und Früchte anbauen.
Der Chef arbeitet an jedem freien Tag im Garten. «Diese Arbeit ist eine fantastische Erfahrung und ein guter Ausgleich. Sie macht mir den Kopf frei.» Nicht nur ihm tut der Garten gut. «Der ist sehr beliebt und gibt unserem Hotel das gewisse Etwas. Der Garten beeindruckt die Gäste und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.» Sie hätten Gäste, die nach Ankunft im Hotel als Erstes gleich in den Garten gingen. Und sie tun es jedes Jahr wieder.
(Sarah Sidler)
Kartause Ittingen
Stiftung Kartause Ittingen
8532 Warth/TG
Tel. 052 748 44 11
www.kartause.ch
Gasthaus Hospezi
Ursula und Christian Weber
Nossadunna dalla Glisch
7166 Trun/GR
Tel. 081 943 11 73
www.hospezi.ch
Cristallina Restaurant Eco-Hotel
Fam. Kälin-Medici
6678 Coglio/TI
Tel. 091 753 11 41
www.hotel-cristallina.ch
140 verschiedene Tees, Gemüse, Getreide und Früchte wachsen rund um das Gasthaus Hospezi in Trun. Christian und Ursula Weber können ihre Gäste deshalb das ganze Jahr über mit eigenen Lebensmitteln bekochen.
Ursula und Christian Weber sind auf der Suche nach Nachfolgern für ihr Gasthaus Hospezi in Trun.
40 000 Franken haben Marco und Tamara Kälin, Gastgeber im Eco-Hotel Cristallina in Coglio, in ihren Garten investiert.
1000 Rosenstöcke, davon 250 Raritäten, locken Liebhaber in das ehemalige Kloster in Warth.
Im Garten des «Hospezi» wachsen auch Bohnen aus Griechenland.
20 verschiedene Beerensorten wie auch Tomaten gedeihen im Garten des Eco-Hotels Cristallina in Coglio.
Auf dem Gelände der Kartause Ittingen gedeihen genügend Lebensmittel, um im Restaurant mehrere Null-Kilometer-Menüs anzubieten.
200 Tee- und Kräutersorten wachsen rund um die Kartause Ittingen.