Arbeitskräftemangel führt dazu, dass immer mehr Restaurants am Sonntag zubleiben. Eine Massnahme, mit der das Problem entschärft und der Personaleinsatz gewinnbringender geplant werden kann, ist Revenue Management.
Dass ein Flug, eine Bahnfahrt oder ein Hotelzimmer zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich teuer ist, daran haben sich die Schweizerinnen und Schweizer gewöhnt. Nun müssen sie sich zunehmend darauf einstellen, dass selbst der Wurstkäsesalat und die Bratwurst mit Rösti je nach Tageszeit, Gästeaufkommen, Wetter und anderen Parametern einen anderen Preis haben. Dies, weil auch die Restaurants Revenue Management und dynamische Preisgestaltung für sich entdecken und sich bei der Angebotsgestaltung auf die Prognosen und Preisempfehlungen künstlicher Intelligenz verlassen.
Fabian Bartnick ist Mitgründer von Perfect Check. Diese Revenue-Management-Plattform hat sich auf die Fahne geschrieben, die Produktivität und Rentabilität von Food & Beverage zu erhöhen. Dies nicht nur in Hotels, sondern eben auch in Restaurants und Bars. Fabian Bartnick war Gastredner am letzten Global Revenue Forum in Luzern und berichtete dort von seinen Erfahrungen. «Wir sehen, dass Restaurants mit Revenue-Management ein fünfmal höheres Umsatzwachstum ausweisen als Restaurants, die keines betreiben.»
Unter anderem prognostiziert die künstliche Intelligenz, wie viele Gäste an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt kommen. Die Vorhersagen gehen so weit, dass die KI verrät, ob die Gäste pärchenweise, zu viert oder in einer grösseren Gruppe das Restaurant oder die Bar besuchen. Unter Einbezug von weiteren Faktoren und Erfahrungswerten berechnet die KI sogar, welche Menüs mit grösster Wahrscheinlichkeit und in welcher Anzahl an einem bestimmten Abend bestellt werden.
Weiss man im Voraus, wann Gäste kommen und was sie bestellen werden, ist das für die Personal- und Produktionsplanung ein enormer Vorteil. Auch können die Öffnungstage den Umsatzerwartungen entsprechend angepasst werden. Leerzeiten, in denen der Service auf Gäste wartet, fallen weg. Auch das spontane Tischerücken und Umdecken entfallen, da man ja aufgrund der Prognose die Tische schon von vornherein nachfrageorientiert stellen und eindecken kann.
Da genügend Arbeitskräfte zur Stosszeit anwesend sind, reduziert sich der Arbeitsstress. Dem Service bleibt genug Zeit für die individuelle Gästebetreuung und das Generieren von Zusatzverkäufen. Und die Küche kann noch zielgerichteter vorproduzieren. Überproduktionen und Food Waste werden so vermieden.
Einen anderen Blick auf Revenue-Management-Systeme hat Adrian K. Müller. Er ist Inhaber und Gastgeber im Hotel Stern in Chur/GR und sagt von sich: «Ich bin altmodisch und verlasse mich lieber auf meine langjährige Erfahrung.» Er sei sich bewusst, dass es viele tolle Revenue-Management-Systeme und Prognosetools auf dem Markt gibt. Für seinen traditionsreichen, familiär geführten Betrieb findet er deren Einsatz jedoch unnötig. Ausserdem: «Die Systeme sind nicht gratis. Da verdient immer noch jemand mit.»
Das Hotel Stern ist in der komfortablen Lage, sehr treue Stammkunden und langjährige Mitarbeitende zu haben. «Wir wissen, wann die Schlagerparade und das World Economic Forum stattfinden und welche Preise wir wann verlangen können. Dafür brauchen wir keine Software.»
Adrian K. Müller kann den Management-Revenue-Systemen aber durchaus etwas abgewinnen. «In einem neuen Haus, wo man auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen kann – oder für eine junge Führungskraft – können sie ein wichtiges und nützliches Instrument sein.»
(Riccarda Frei)
Ertragsmanagement oder auch Profitmanagement. Durch vorausschauende Planung gelingt es, den bestmöglichen Preis für ein Produkt/eine Einheit zu erzielen, die Auslastung zu erhöhen sowie Kosten zu senken.
Revenue per available time-based inventory unit = Umsatz im Verhältnis zur verkauften Einheit (Zimmer/Tisch/Seminarraum) mal Nutzungsdauer.
Revenue per available room = Umsatz pro verfügbarem Zimmer und Nacht.
Revenue per available seat hour = durchschnittlicher Umsatz pro Stunde pro Sitz.
OCC
Occupancy rate= Belegungsrate
In Zusammenarbeit mit der SHS Academy bietet die Hotel & Gastro Union diesen Herbst den dreitägigen Weiterbildungskurs «Hotel Revenue Management» an. Neben Grundlagen zu Konzepten und Strategien im Ertragsmanagement gehören Live-Anwendungen, operatives Revenue Management und Fallstudien zum Kursinhalt. Besonders spannend dürfte die Einführung ins Total Revenue Management sein. Dabei werden Anwendungsbereiche des Ertragsmanagements ausserhalb der Hotelzimmer vorgestellt. Darunter Revenue Management für die Bereiche F & B, Spa und MICE *. Der Kurs richtet sich an Front Office Manager, Reservation & Revenue Manager und Direktoren, die ihr Wissen zu diesem komplexen Thema vertiefen möchten. Geleitet wird der Kurs «Hotel Revenue Management» von Andreas Klar, Senior Consultant & Lecturer bei SHS Swiss Hospitality Solutions.
* MICE = Meetings, Incentives, Conferences, Events
Hotel Revenue Management
28. Oktober, 18. November und 25. November
690 Franken inklusive eines Jahres kostenloser Mitgliedschaft im Berufsverband Hotel, Administration & Management.
Vom ersten Kontakt bis zur Abreise und sogar darüber hinaus hinterlassen Gäste Daten. Diese gilt es zu sammeln. Sie sind die Grundlage, auf der alle weiteren Entscheidungen aufgebaut werden. Den Gast und seine Vorlieben, Verhaltensmuster und Bedürfnisse zu kennen, reicht aber nicht. Man muss auch das eigene Angebot und dessen Möglichkeiten, den Markt, die Mitbewerber und die Erfahrungen aus der Vergangenheit im Auge behalten und Informationen dazu sammeln. Das gilt auch für aktuelle und zukünftige Ereignisse wie zum Beispiel den Eurovision Song Contest 2025 in der Schweiz
Die Daten sind gesammelt. Nun müssen sie verwaltet, sortiert und vor allem analysiert und interpretiert werden. Vieles übernimmt die künstliche Intelligenz. Den höchstmöglichen Preis für ein Hotelzimmer zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelt sie schneller und besser als ein Revenue Manager aus Fleisch und Blut. Aber ganz ohne «Manpower» kommt man im Revenue Management bis auf Weiteres doch nicht aus. Denn an die Kreativität des Menschen, mit Blick auf die Datenlage komplett neue Angebote und Dienstleistungen zu erschaffen, kommt künstliche Intelligenz noch nicht ran.
Basierend auf dem Datenmaterial, den Erfahrungen aus der Vergangenheit und den bereits bekannten zukünftigen Ereignissen können nun Prognosen erstellt werden. Je mehr und je genauere Daten vorliegen, desto zutreffender fallen die Vorhersagen aus. Wer beim Datensammeln geschlampt hat, erhält nun die Quittung: falsche oder ungenaue Prognosen. Wie beim Datensammeln besteht auch beim Erstellen von Vorhersagen die Gefahr, sich zu verzetteln. Die Kunst liegt darin sicherzustellen, dass der Ertrag, den eine detaillierte Voraussage bringt, höher ausfällt als der Aufwand, der dafür nötig ist.
Wie viele Gäste darf man zu einem bestimmten Zeitpunkt erwarten? Welche Menüs werden sie mehrheitlich bestellen? All das und noch viel mehr können Revenue-Management-Systeme anhand der berechneten Prognosen beantworten. Auf Grundlage dieser Antworten lassen sich Wareneinkauf, Produktion und Personaleinsätze besser planen und Leerläufe und Kosten sparen. Basierend auf den Vorhersagen lassen sich auch die Öffnungszeiten anpassen und die Preisgestaltung optimieren. Bei Flug-, Bergbahn- und Zimmerpreisen ist das längst üblich; bei Menüpreisen noch kaum.
So zutreffend Prognosen auch sein mögen, so rasch können sie überholt sein. Deswegen ist es unabdingbar, Daten und Vorhersagen laufend neu zu evaluieren und zu analysieren, um dann dynamisch auf Veränderungen oder neue Bedürfnisse eingehen zu können. Durch das stetige Erneuern und Neubewerten des Datenmaterials, der Prognosen und der tatsächlichen Betriebsergebnisse wird rasch sichtbar, ob die eingeschlagene Revenue-Management-Strategie funktioniert. Auch Angebotslücken, unprofitable Leistungen und unrentable, falsch gewählte Öffnungszeiten werden entlarvt.
Wilko Weber: Definitiv ja! Sobald man einen Preis bestimmt, befindet man sich mitten im Revenue Management. Keine andere Managemententscheidung hat mehr Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs.
Für Betriebe, die keinen Revenue Manager einstellen können, ist eine fachliche Begleitung wichtig. Arbeitet man die ersten sechs bis zwölf Monate mit einem Experten, vermeidet man Fehler und sieht rasch Resultate. Gute Berater spielen ihr Honorar während des ersten Jahres wieder ein.
Meist sind die Daten im Betrieb vorhanden – wichtig ist es, sie logisch aufzubereiten. Die rechtliche Seite spielt kaum eine Rolle, da wir hauptsächlich mit anonymisierten Daten arbeiten. Personenbezogene Informationen oder zahlungsmittelbezogene Daten werden nicht benötigt. Bei Daten zu Markt und Mitbewerbern ist das Kartellrecht zu beachten.
Zuerst ist zu klären, welche Aufgabe das Revenue-Management-System erledigen soll. Danach wählt man den Anbieter aus, der mit seinem Angebot und seiner Firmenkultur am besten zum Betrieb passt. Die meisten Systeme sind gut bis sehr gut. Ich ziehe den «Open Pricing»-Ansatz den traditionelleren Rechenmodellen vor. Ohne Fachwissen ein System zu kaufen, weil ‹das jetzt alle machen›, ist verantwortungslos, da man die Preisgestaltung an ein System delegiert, das man weder versteht noch beherrscht.
Wilhelm K. Weber ist Dozent für Revenue Management. Zudem ist er Chief Strategy and Digital Officer bei Grand Metropolitan Hotels und Verwaltungsratspräsident der Swiss Hospitality Collection.