Im Schweizer Hotelmarkt gibt es immer mehr neue Hotelketten und private Hotels, die sich diesen anschliessen. Wie überleben Hoteliers, die sich für die Eigenständigkeit entscheiden?
Die Begrüssung ist locker und spontan. «Tschau, ich bin der Dani», sagt Daniel Aschwanden, Gastgeber und Koch im Beckenrieder Hotel-Restaurant Schlüssel. «Wir duzen alle unsere Gäste», erklärt er. «Wenn du Gäste zu dir nach Hause einlädst, siezt du sie ja auch nicht», schiebt er zur Erklärung nach.
Die Begrüssung schafft sofort Nähe. Und so fühlen sich die Gäste schon beim Eintreten in die Gaststube daheim. «Das ist unser Ziel», so Gabrielle Aschwanden-Huber. «Wir führen den Betrieb seit 20 Jahren und haben mit dem Du-Sagen immer Erfolg gehabt.»
Das Gastgeberpaar Aschwanden hat in Beckenried Heimvorteil. Er ist im Ort aufgewachsen, sie im nahen Hergiswil. «Für mich war schon als Kind klar, dass ich Köchin werden würde», erinnert sich Gabrielle Aschwanden-Huber an ihre Berufswahl. In Hergiswil begann sie im Hotel Belvédère die Lehre – und traf auf Daniel, der zwei Lehrjahre über ihr war.
Von da an gingen die beiden ihren Lebensweg gemeinsam. Nach der Grundbildung folgten Lehr- und Wanderjahre, unter anderem vier Jahre in den USA. Wieder in der Heimat, erhielten sie die Chance, den «Schlüssel» zu pachten und nach zwei Jahren zu kaufen, nachdem sie im Vorjahr bereits das Nachbarhaus erwerben konnten. Dass sie nicht nur in der Küche stehen würden, sondern dereinst auch Hoteliers sein sollten, war so nicht geplant. «Als wir den ‹Schlüssel› übernahmen, befand sich in der oberen Etage eine Wirtewohnung, Gästezimmer gab es keine», erinnern sich die beiden. Nach und nach richteten sie solche Unterkünfte ein, gedacht vor allem für Restaurantgäste, die nächtens keinen weiten Heimweg mehr antreten wollten. «Zu Beginn war alles noch einfach, Dusche und Toilette waren auf dem Gang», so Gabrielle Aschwanden. Mit der Zeit wurden die Zimmer komfortabler und erhielten eigene Nasszellen.
Heute ist der «Schüssel» ein charmantes Boutique-Hotel mit Viersterneniveau. «Wir verbinden bei uns Trouvaillen aus vergangener Zeit mit moderner Infrastruktur», so das Ehepaar. WLAN und Flachbildschirme, ein Facebook- und ein Instagram-Account sind genauso selbstverständlich wie rustikale Holzböden und währschafte Holztische und -stühle in der Gaststube. Die zwölf individuell eingerichteten Zimmer sind eine Symbiose aus modernen Betten und historischem Ambiente. Die jährliche Auslastung liegt bei etwas über 50 Prozent. Überall im Haus fallen die kleinen Dekorationen auf. Da sind beispielsweise historische Schlüssel liebevoll drapiert oder alte Wäschekörbe wie zufällig unter dem Lavabo deponiert.
Bei den Aschwandens stehen der Gast und sein Wohlbefinden während seines Aufenthaltes im Zentrum: «Wir sind in unserem Betrieb nah beim Gast, das schätzen wir», sagt das Ehepaar. «Wir pflegen zu allen ein freundschaftliches Verhältnis und nehmen uns viel Zeit, ihre Wünsche und Bedürfnisse abzuholen.»
Das Hotel Krafft in Basel verkauft seine Zimmer schon alleine durch die einzigartige Lage am Rhein. Das Drei-Sterne-Superior-Boutiquehotel bietet ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis in einem durchgestylten Hotelzimmer mit Vitra-Mobiliar. Je nach Typ und Saison ist das Logement bereits für unter 200 Franken zu haben. Damit der Gast den immer gleich hohen Zimmerstandard vorfindet, wird regelmässig erneuert. «In diesem Frühjahr haben wir unsere 60 Zimmer sanft renoviert und alle Nasszellen komplett saniert», sagt Nicole Körkel, seit vier Jahren als General Manager im Amt.
Die jährliche Auslastung ist mit 74 Prozent höher als der Schweizer Durchschnitt. Und dennoch: «In den letzten Jahren haben in Basel viele grosse Häuser geöffnet, das hat den Preiskampf verschärft», gibt Körkel unumwunden zu. Doch sie und die dahinterstehende Krafft Gruppe mit vier privaten Aktionären beschlossen, kein Preisdumping hinzunehmen. Vielmehr setzen sie auf besondere Leistungen, die sie von der Kettenhotellerie abheben. Als Beispiel nennt Nicole Körkel besondere Innovationen, die der Gast nur indirekt spürt, wie die neu geschaffene App für die interne Kommunikation. «Damit können wir alle relevanten Betriebsnachrichten auf diesem Tool kommunizieren, und die Nachrichten erreichen sofort die betroffenen Mitarbeiter.»
Besonders gut angenommen hätten dies die Mitarbeiter der Hauswirtschaft, was sie sehr erstaunt habe: «Diese Mitarbeiter sind seit vielen Jahren dabei und eher älter.» Doch alsbald erkannten sie die Vorteile des neuen Tools: Entdeckt die Gouvernante beispielsweise einen defekten Stuhl in einem der Zimmer, geht diese Information sofort an alle ihre Mitarbeiter weiter.
«Die Mitarbeiter-App vereinfacht auch die Übergabe bei Schichtwechsel in allen Abteilungen», so Körkel. Alle relevanten Informationen können für die nächste Equipe via App gepostet werden. Zwar stehen den Mitarbeitern dazu keine Firmenhandys zur Verfügung. Doch im Haus gibt es viele Computer, die permanent zugänglich sind. Und wer will, kann die App gratis aufs private Handy downloaden.
Überhaupt ist die Einbindung der Mitarbeiter für Körkel wichtig. «Ich bin viel an der Front, doch ich kann nicht immer überall sein», sagt sie. Deshalb übernimmt jeder Abteilungsleiter und jeder Mitarbeiter die Funktion des Gastgebers.
Das Hotel Innere Enge ist eine Institution mit Weltcharakter. Seitdem das Ehepaar Hans Zurbrügg und Marianne Gauer Zurbrügg dort oberhalb der Stadt Bern das Zepter führt, gehen internationale Jazz-Stars ein und aus. Mehr noch: 15 der 26 Hotelzimmer sind Jazz-Legenden gewidmet, die von den Musikern meistens persönlich bewohnt und eingeweiht worden sind.
Aber nicht nur in den Musikerzimmern wird das Thema Jazz auf ganzheitliche Weise aufgenommen, sondern auch im haus- eigenen Jazzclub Marians. Dort sind schon viele Jazz-Stars aufgetreten und haben sich mit einer Unterschrift auf der dafür vorgesehenen Wand verewigt – von Dizzie Gillespie über Hazy Osterwald bis Wild Bill Davison und Lionel Hampton. Höhepunkt des Veranstaltungsprogramms ist das Internationale Jazzfestival Bern, das im denkmalgeschützten Hotelgarten stattfindet. Ob der perfekten Fokussierung auf ein einziges Thema, wird das Hotel Innere Enge gerne auch als Jazzhotel bezeichnet, das eine jährliche Auslastung von etwas über 60 Prozent hat.
Als das Ehepaar Zurbrügg das 1850 erbaute Haus 1991 übernahm, fand es ein vernachlässigtes Gebäude vor. Das Geschick von Marianne Gauer Zurbrügg, einer begnadeten Innendesignerin, war gefragt, sie schuf aus jedem Zimmer eine Oase. Das Ehepaar Zurbrügg weiss, worauf es bei einer erfolgreichen Hotelführung ankommt: «Ein Hotelier sollte sich selber einbringen und erkennen, was seine Gäste wollen.» Wichtig sei, mit dem Betrieb etwas Einzigartiges zu schaffen. Genauso wichtig sei ein guter Mitarbeiterstab, der die Ideen der Betreiber mitträgt und diese im Hotelalltag umzusetzen weiss.
(Ruth Marending)
HGZ: Immer mehr Hotels treten in den Schweizer Markt ein. Wie kann der individuelle Betrieb überleben?
Adrian Stalder: Es gibt verschiedene Kriterien, die für den Erfolg eines Hauses wichtig sind. Ich denke da an ein stimmiges Konzept, eine solide Finanzstruktur und eine gelebte Führungskultur. Mitentscheidend für den Erfolg sind die klare Positionierung und die Qualität der Kommunikation.
Was heisst das konkret?
Ich kommuniziere offen, was mein Produkt leistet und für wen es gedacht ist. Entsprechend erschaffe und kommuniziere ich die Stärken meines Betriebes und unterscheide mich so klar von meinen Mitbewerbern.
Was ist das Wichtigste dabei?
Es muss ein Fokus gesetzt werden. Der Hotelier muss nicht für jedes Gästesegment etwas bieten, sondern mit einer klaren Story zum Betrieb das Konzept und Angebot definieren und via Web oder Prospekt kommunizieren. Zudem ist aktuelles, lebendiges und professionelles Bildmaterial für alle Kommunikationsmedien und die Vitrine vor dem Hotel wichtig.
Und die Mitarbeiter?
Sie müssen geschult und eingebunden werden. Es ist wichtig, dass die definierte Positionierung in der Service-Kette täglich gelebt wird. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Versprechungen, die der Gast aufgrund der Positionierung erwartet, nicht erfüllt werden. Das führt zu Enttäuschungen und starker Negativ-Werbung.
Was sind die schlimmsten Fehler in Hotels?
Die Gäste nicht offen und persönlich nach Eindrücken und Anregungen fragen. «War alles recht?» oder «Hatten Sie einen schönen Aufenthalt?» ist leider Alltagsblabla, das nicht mehr ausreicht.
Zur Person
Als Konzeptentwickler und Hotelier baute Adrian Stalder während zehn Jahren Vier- und Fünf-Sterne-Hotels auf und führte diese als Direktor, unter anderem das «Saratz» in Pontresina. Seit 13 Jahren betreibt er mit seiner Frau Ursula ein Beratungsunternehmen für die Hotellerie im Tessin.