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Paralleluniversum Metaverse

Geht es nach Meta-CEO Mark Zuckerberg, liegt unsere Zukunft in der Verschmelzung der virtuellen und physischen Welt – im Metaverse. Hier sitzen Avatare gemeinsam in der Bar, tauschen «Non-Fungible Tokens» aus und buchen vielleicht bald schon ihre nächsten Ferien.

  • Illustration Sonja Burri.
  • Der Leiter Digital Management bei ST leitet ein Team von 19 Fachleuten. (ZVG)

Alle sprechen vom Metaverse, doch was ist das überhaupt? Wie kommt man dahin, und welche Möglichkeiten bieten sich hier für Hotellerie und Tourismus? Fragen, die gar nicht so leicht zu beantworten sind. Zumal es «das Metaverse» so noch nicht gibt. Was es hingegen gibt, sind Plattformen, die einem ein Gefühl dessen vermitteln, wie es dereinst in diesem dritten, virtuellen Lebensraum zu- und hergehen könnte.

Einer dieser Räume ist die Seite altvr.com. Alles, was es zur Nutzung der Plattform braucht, ist eine Virtual-Reality-Brille (siehe Box) und natürlich eine stabile Internetverbindung. Auf «Altvr» finden Comedy Shows statt, man kann sich mit anderen Avataren im Fitnesscenter austoben, sich in einer Bar mit einem Fremden unterhalten oder eine Kunstausstellung mit Non-Fungible-Tokens (NFT) ansehen (siehe Box).

Verbesserungspotenzial besteht

Einen Eindruck dessen, welches Potenzial das Metaverse für die Hotellerie bergen könnte, konnte das Hotel The Chedi Andermatt bereits gewinnen. Dieses präsentierte sich heuer im Sommer während eines Monats im Metaverse-Showroom von Worldline, einem Anbieter von Zahlungsdienstleistungen. Wie viele Menschen den virtuellen Ausstellungsraum in dieser Zeit besucht haben, will oder kann General Manager Jean-Yves Blatt nicht beantworten. «In erster Linie war es für das ‹The Chedi Andermatt› äusserst spannend, erstmals im Metaverse präsent zu sein und so erste Erfahrungen in dieser virtuellen Welt zu sammeln», sagt der General Manager. Im virtuellen Showroom konnten die Besucherinnen und Besucher an einer Säule das «The Chedi Andermatt»-Logo sowie ausgewählte Bilder sehen. Zudem konnten sie drei exklusive Angebote anschauen, buchen und über verschiedene Online-Payment-Kanäle bezahlen.

Dazu, wie oft die jeweiligen Angebote gebucht wurden, will Blatt keine Auskunft geben. Das Metaverse sei für viele Menschen aktuell noch eine nicht ganz fassbare Welt. Er führt aus: «Die-jenigen Personen, welche sich bereits im Metaverse bewegen, haben positiv auf die Präsenz des ‹The Chedi Andermatt› reagiert.» Selbstverständlich bestehe noch Verbesserungspotenzial, «gerade bei der Visualisierung oder der User Experience», räumt Blatt ein.

Virtuelle Hotel-Zwillinge

In der Schweiz hat das «The Chedi Andermatt» den Schritt ins Metaverse gewagt. Weltweit sind es vor allem die grossen Hotelketten, die an vorderster Front mitmischen. Beispielsweise als Partner bei der Entwicklung der Plattform «Rendezverse», die sich in Sachen Metaverse auf die Hotellerie spezialisiert hat. Zu den Partnern gehören etwa die Gruppen Marriott, Intercontinental und Accor.

Rendezverse programmiert virtuelle Zwillinge der jeweiligen Hotels. Mit einer VR-Brille oder der App und einem Headset kann ein Gast diese Zwillinge besuchen. «Stellen Sie sich das ultimative ‹try before you buy› vor», so James Rodd, Chief Marketing Officer von Rendezverse. Im Moment konzentriert sich die Firma noch auf den B2B-Bereich, mit Fokus auf virtuelle Meetings und Standortbesichtigungen. Die Plattform ist jedoch noch in der Entwicklung und deshalb nicht öffentlich zugänglich. «Dieser Tage lancieren wir eine neue Version im Rahmen der Veranstaltung Tfest in Dubai», so Rodd. Sobald die Plattform öffentlich ist, kann man sie laut Rodd betreten, indem man beispielsweise die App herunterlädt.

Bis Ende 2023 rechnet Rendezverse mit 1000 digitalen Zwillingen echter Hotels. Einen Vorteil, den diese Zwillinge laut Rendezverse bieten, ist etwa die Reduktion des ökologischen Fussabdrucks. Reisen für Meetings fallen weg. Ebenso Reisen, um sich als Organisator vor Ort ein Bild der Räume zu machen. Letzteres geht mit einer grossen Zeitersparnis einher, die wiederum auch den Hotels zugute kommt.

Nicht aus Gründen der Zeitersparnis, sondern um Gäste zum Entdecken anzuregen, hat sich auch Schweiz Tourismus (ST) dem Metaverse genähert. Dies mit dem Einsatz von NFTs entlang der Grand Tour of Switzerland. Im Interview verrät Stefan Künzle, Leiter Digital Management, was sich ST davon erhofft und welches Potenzial er für den Tourismus im Metaverse sieht.

(Désirée Klarer)


Non-Fungible Token (NFT)

Ein wichtiger Bestandteil des Metaverse sind die so genannten Non-Fungible Tokens (NFT). Ein Token ist salopp gesagt ein digitaler Vermögenswert, auch Kryptowährung genannt. Laut Klemens Kilic, Redaktor des Online-Fachmagazins Wired, bauen Tokens – anders als Coins wie zum Beispiel Bitcoin, welches eine eigene Blockchain besitzt – auf bestehenden Blockchains auf. Ein Token ist entweder austauschbar (fungible) oder nicht (non-fungible). Fungible Tokens können, ähnlich wie Bargeld, in kleinere Summen aufgeteilt werden. Non-Fungible Tokens hingegen sind digitale, nicht ersetzbare Vermögenswerte, die nicht geteilt oder kopiert werden können. Nehmen wir zum Beispiel das Gemälde der Mona Lisa. Das kann zwar kopiert werden, doch das Original gibt es nur einmal. Der Wert einzelner NFTs wird dabei stark vom Wert beeinflusst, der ihnen von den Menschen beigemessen wird. Ähnlich wie bei physischen Kunstwerken. «Der NFT-Markt ist unreguliert und das Handeln mit Non-Fungible Tokens hochspekulativ», sagt Stefan Luber, technischer Redaktor der Online-Zeitschrift Cloudcomputing-Insider. Gemäss Luber existieren NFTs beispielsweise für digitale Kunstwerke oder virtuelle Sammelkarten. Manche werden sich nun denken: «Digitalisierte Gegenstände gibt es doch schon lange.» Stimmt, nur: Der Besitz konnte bei diesen Gegenständen nicht eindeutig nachgewiesen werden. Dank der Blockchain-Technologie ist dies bei NFTs möglich.

Blockchain-Technologie

Ein weiteres Buzzword nebst Metaverse ist der Begriff Blockchain. Bei der Blockchain handelt es sich laut dem deutschen IT-Unternehmen Ahd mit Sitz in Dortmund um eine verteilte, öffentliche Datenbank. Die Datenbank startet mit einem Ursprungsblock, an den chronologisch neue, überprüfte und bestätigte Blöcke angehängt werden. Jeder, der an dem Blockchain-System teilnimmt, speichert auf seinem Rechner eine vollständige Kopie der Datenhistorie. Wird eine Kopie manipuliert, wird sie aussortiert. Weiter verhindert eine Prüfsumme, dass die Reihenfolge der Blöcke im Nachhinein geändert werden kann. Welche Rolle spielt Blockchain im Metaverse? Eine ganz entscheidende. Sehr viele wichtige Vorgänge im Metaverse basieren auf dieser Technologie. Non-Fungible Tokens ebenso wie Fungible Tokens machen sich die Blockchain-Technologie zunutze (siehe Box oben). Dies wiederum macht es für die Menschen, die sich im Metaverse bewegen, einfacher, Dinge zu kaufen oder zu tauschen. Zum Vergleich: Wenn jemand in der physischen Welt jemandem etwas verkauft oder etwas tauschen möchte, kann er dies problemlos ohne vertrauenswürdige Drittpartei tun. Anders im virtuellen Raum. Hier braucht es zwangsläufig eine dritte Partei. Anders verhält sich dies bei Kryptowährungen wie etwa Bitcoin, die wiederum auf Blockchain-Technologie basieren. Dank Kryptowährungen können Parteien ohne Drittperson sicher ein Geschäft abwickeln.

Virtual-Reality-Brille (VR-Brille)

Um die echte Welt zu verlassen und ins Metaverse abzutauchen, braucht es das entsprechende Equipment. Etwas, das zwingend notwendig ist, ist die Virtual-Reality-Brille, auch Virtual-Reality-Headset genannt. Dabei gibt es auf dem Markt zig verschiedene Hersteller. Einer, der mit Hochdruck an der perfekten VR-Brille arbeitet, ist Mark Zuckerberg mit seinem Unternehmen Meta. Bereits 2014 übernahm Meta, welches damals noch Facebook hiess, den VR-Brillenhersteller Oculus für gut zwei Milliarden Dollar. Gemäss dem Online-IT-Fachmagazin «The Information» möchte Meta bis 2024 gar vier neue Headsets auf den Markt bringen. Ein nachvollziehbares Ziel, schaut man sich an, wie rasant der VR-Markt wächst. In Deutschland zum Beispiel betrug das Umsatzwachstum 2021 gemäss einer Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Pricewaterhouse Coopers im gesamten Markt 38 Prozent. Bei den Headsets gar 48 Prozent. Das Rennen machen dürften auf lange Sicht jene, bei deren Nutzung möglichst keine gesundheitlichen Beschwerden auftreten wie etwa Übelkeit oder Kopfschmerzen. Martin Banks, Professor der University of California in Berkeley (US), befürchtet, dass sich durch die Nutzung der VR-Brillen die Kurzsichtigkeit in der Bevölkerung erhöhen könnte. Etwas besorgniserregend in Hinblick auf das immersive Erlebnis im Metaverse ist zudem, dass die VR-Brillen nicht dazu geeignet sind, mehrere Stunden am Stück getragen zu werden.


Stefan Künzle «Ich glaube an das Potenzial von NFT»

Stefan Künzle, Schweiz Tourismus (ST) setzt im Kon­text der Grand Tour App seit Kurzem auf NFT-Technologie und ist damit ein Stück näher ans Metaverse gerückt. Was war Ihre Motivation, auf diese Technologie zu setzen?
Stefan künzle: Wir spürten bereits in der Konzeptphase der App, dass sich dieses Projekt für den Einsatz von NFT-Technologie gut eignen könnte. Durch den Austausch mit unseren Technologiepartnern haben wir uns an mögliche Anwendungen herangetastet. So ist die Idee entstanden, die Foto-Spots auf der Grand Tour als digitale Sammelobjekte in die App einzubinden. Gleichzeitig gehört es zur Aufgabe von Schweiz Tourismus, sich stetig mit neuen Technologien ausein-anderzusetzen.

Was erhoffen Sie sich vom Einsatz der NFT-Technologie?
Im Vordergrund steht einerseits ein neuartiges Erlebnis für unsere Gäste mit der Erweiterung der Realität, andererseits sehen wir mittelfristig die Möglichkeit, Touristinnen und Touristen zu dem Besuch von weniger bekannten Orten entlang der Grand Tour zu inspirieren. Zudem erhalten wir dank der Technologie und ihrer Anwendung wertvolle Einblicke in Bezug auf die Verteilung unserer Gäste entlang der Grand Tour of Switzerland.

Sie meinten kürzlich, dass es in ferner Zukunft möglich sein könnte, sowohl reale als auch virtuelle Objekte entlang der Grand Tour of Switzerland digital zu sammeln. Was schwebt Ihnen da konkret vor?
Die Möglichkeiten sind geradezu unbegrenzt, doch wir möchten die Erfahrungen mit dieser ersten Anwendung nun erst einmal abwarten und in Ruhe gründlich auswerten. In weiteren Ausbaustufen können wir uns vorstellen, dass Sammelobjekte beispielsweise gegen reale eingetauscht werden können – sozusagen als Loyalitätsbonus für die ultimativen Grand-Tour-Fans. Dazu wäre unsere eingesetzte Technologie auch grundsätzlich bereit.

Was glauben Sie, in welchen Bereichen besteht für die einzelnen Player im Tourismus das grösste Potenzial im Metaverse?
Ein spezielles Augenmerk gilt es auf das MICE-Segment zu richten, bei dem die Entscheidungsfindung nicht zwingend vor Ort erfolgen muss, sondern Kundin und Gastgeber dank VR-Brillen beispielsweise virtuell die Gegebenheiten eines Kongress- oder Seminarzentrums gemeinsam erkunden können. Hier besteht Potenzial für alle Phasen. Sei es in der Inspiration mit immersiven 3D-Erlebnissen, in der Konkretisierung des Reiseplans dank virtueller Reise-Assistenz oder bei der Buchung über ein Reisebüro im Metaverse durch Bezahlung mit einer Kryptowährung. Oder eben während der Reise, wo NFT-basierte Anreizsysteme Gäste zusätzlich inspirieren, neue Orte zu besuchen. Generell rechne ich der NFT-Technologie grosses Potenzial im Kontext von neuartigen Loyalitätsmodellen zu.

Die Freuden des Reisens – etwas essen, frische Bergluft schnuppern, die schöne Aussicht geniessen – sind allesamt sehr sinnliche Freuden. Inwieweit könnte es Ihres Erachtens gelingen, die Sinnlichkeit in den virtuellen Raum zu holen?
Das ist eine spannende Frage. Heute strecken beispielsweise an einem Konzert viele im Publikum ihre Smartphones in die Höhe, anstatt das eigentliche Konzerterlebnis mit allen Sinnen zu geniessen. Den Moment digital festzuhalten und mit den Liebsten zu teilen, scheint eine hohe Wichtigkeit einzunehmen.

Wozu braucht es dann das Metaverse?
Das kann ich so pauschal nicht beantworten, zumal es keine präzise Definition für das Metaverse gibt. Was ich sagen kann, ist Folgen-des: Mit unseren Entwicklungen möchten wir in erster Linie unsere Gäste spielerisch an Destinationen heranführen, die sie vielleicht sonst nicht besuchen würden. Das Erlebnis vor Ort, sei es in einer unserer Boutique Towns, auf dem eindrücklichen Berggipfel oder an einem malerischen See ist schlussendlich trotz unserer Begeisterung für digitale Technologien am besten echt und authentisch zu geniessen.


Zur Person

Stefan Künzle ist Leiter Digital Management und Mitglied der Geschäftsleitung von Schweiz Tourismus. Davor war er zuletzt beim Schweizer Medizinaltechnikunternehmen Nobel Biocare als Head Global E-Commerce tätig.