Die Neulinge der SHL schauten bei der Schlachtung einer Sau zu und legten bei der Kürbisernte Hand an.
Die Dusche beruhigt das Schwein, gleichzeitig macht sie es feucht, was für die Betäubung nötig ist. Die Elektroschock-Zange wird angesetzt, das Schwein sackt zusammen. Ein gezielter Stich in die Halsschlagader. Letzte Muskelkontraktionen, doch das Tier ist bereits tot. «Den stressfreien Tod hat das Nutztier verdient», erklärt Metzger Ernst Goldener. «Zudem ist die Fleischqualität besser, wenn die Sau nicht leiden muss.»
Es sind keine alltäglichen Bilder, welche die Studenten der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern SHL zu Gesicht bekommen. Die einen treten einen Schritt zurück, andere nutzen die Gelegenheit, um den Profi auszufragen und das frische Schlachtgut anzufassen.
Die Exkursion in der Ostschweiz gehört seit 1994 zu den Highlights des ersten Semesters an der SHL. Zwei Tage im Zeichen der Landwirtschaft. «Es ist uns wichtig, dass die Studenten wissen, wie die Produkte hergestellt werden, die sie in der Küche verwenden», erklärt Marc-André Dietrich, Leiter des ersten Semesters und Küchenchef. «Man muss wissen, wie der Bauer denkt und wie Kürbis wächst. Hier wird klar, warum Schweizer Produkte teurer aber oftmals sinnvoller sind. Sie sollen auch nachvollziehen können, wie ein Tier geschlachtet wird, von dem wir letztlich dem Gast ein Filet servieren.»
Am Morgen des ersten Tages steht deshalb der Besuch bei Gemüsebauer Andreas Giger in Sevelen/SG an. Weshalb wird beim Gemüseanbau eine Fruchtfolge eingehalten? Welche Schädlingsbekämpfung ist gestattet? Wie sehen die ersten Versuchsresultate auf dem Süsskartoffelfeld aus?
Daniela Marschall, kantonale Beraterin im Bereich Gemüsebau, sorgt bei den SHL-Neulingen für mehr Klarheit im Wirrwarr der zahlreichen Bio-Labels. Suisse Garantie, Culinarium, Demeter IP-Suisse, AOP, Terrasuisse und weitere – was steckt dahinter? Daniela Marschall hinterfragt deren Sinn: «Der Kunde ist damit überfordert. Und auch wir müssen aufpassen, worauf wir setzen.»
Am Nachmittag geht’s nach Salez/SG. Dort wird die Klasse geteilt. Der Appenzeller Melkberater Max Waldburger zeigt der einen Hälfte, wie Käse gemacht wird: vom Melken einer Kartonkuh bis letztlich das Mutschli in der Hand der Studenten landet. Die andere Hälfte der Klasse sieht Ernst Goldener bei der Schlachtung einer Sau zu. Wer will, hilft beim Entborsten. Der Metzger erklärt, unterstützt durch Dietrich, sämtliche Teile des Tiers: Wo sitzt das Filet? Wo endet die Haxe? Welche Garmethode eignet sich für welches Stück?
Die Studenten übernachten in Zweiergruppen bei Bauernfamilien in der Region. Eine Gruppe erlebt am nächsten Morgen die Geburt zweier Kälber, manche helfen beim Melken der Kühe mit. Zurück in Salez wechseln die Gruppen: Wer am Vortag beim Schlachten zuschaute, darf nun zum Käser. Wer Käse zubereitete, geht zum Metzger. Als krönender Abschluss kommt das schlachtwarme Fleisch des zweiten Tags auf den Grill. Dietrich: «So ist die Qualität am besten. Herz und Zunge schmecken unglaublich.»
In der Folgewoche steht die Revanche an: Landwirtschaftsschüler sind dann zu Besuch an der SHL und tauchen in eine für sie unbekannte Welt ein. Unter anderem steht eine Degustation mit Hummer, Kaviar und Foie gras an. Zudem lernen sie die Verarbeitung ihrer Produkte in der Küche kennen. «Es geht ums gegenseitige Verständnis und darum, dass die Kommunikation gefördert wird», erläutert Hans Oppliger, Marketingleiter Landwirtschaft des Kantons St. Gallen. «Wir sitzen im gleichen Boot: Wir haben schlechte Arbeitszeiten, tiefe Löhne und arbeiten am gleichen Produkt.»
(Benny Epstein)