Lernende, die mit ihrer Berufswahl nicht glücklich sind, sind meist über- oder unterfordert. Zum Glück gibt es Stellen, an die sie sich wenden können.
«Mein Lehrbetrieb hatte zu Beginn meiner Lehre mit meinen Eltern vereinbart, dass ich bis elf Uhr statt bis um zehn Uhr abends arbeite. Sowohl meine Eltern, die selbst einen Betrieb führten, als auch ich hatten dafür Verständnis», sagt Restaurantfachfrau EFZ Lisa Müller. Wenig Verständnis habe sie jedoch gehabt, als sie, kaum habe sie die Berufslehre begonnen, praktisch jeden Tag bis Mitternacht habe arbeiten müssen.
«Freitags und samstags ging es häufig noch länger. Hinzu kam, dass wir auch während der Zimmerstunde immer länger arbeiten mussten, als im Arbeitsplan festgehalten war. Einem Hobby nachzugehen, wurde dadurch praktisch unmöglich», resümiert sie.
Hinzu sei gekommen, dass die Chefs de service es nie lange im Betrieb ausgehalten hätten. Die ständigen Wechsel hätten ihr die Lust auf diese Branche erst recht genommen, auch wenn sie tolle, fähige Chefs de service erlebt hätte, die sie unterstützten. «Ich habe der Branche den Rücken erst nach Abschluss der Ausbildung gekehrt, doch ich verstehe all jene, die schon während der Ausbildung aufgeben.»
Jeder fünfte Jugendliche in der Schweiz löst den Lehrvertrag auf. Die höchste Quote hat das Coiffeurgewerbe (33 Prozent); es folgt die Branche Elektrizität und Energie (32 Prozent). Auf Platz drei liegen die Branchen Sport und Gastgewerbe (beide 31 Prozent). Die Quote im Gastgewerbe ist damit seit 2015 auf hohem Niveau stabil. Das zeigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Mehr als die Hälfte der Verträge werden bereits im ersten Lehrjahr aufgelöst.
Yousty, die grösste Lehrstellenplattform der Schweiz, fand in einer Umfrage heraus, welches die Gründe für die Lehrvertrags-auflösungen sind: ungenügende schulische oder betriebliche Leistung, die falsche Berufswahl, zwischenmenschliche Schwierigkeiten, Diebstahl und Vertrauensmissbrauch, gesundheitliche oder psychische Probleme sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch. «Positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass wenige Verträge aufgrund der wirtschaftlichen Lage oder des persönlichen Verhältnisses aufgelöst werden müssen», sagt Robin Villoz von Yousty.
Bevor ein Lernender sich zur Vertragsauflösung entscheidet, sollte er, gemeinsam mit seinen Eltern, das Gespräch mit den Berufsbildenden suchen. Kommt es zu keiner Einigung, empfiehlt es sich, Hilfe bei der zuständigen Lehraufsicht zu holen. In einigen Kantonen sind dies die Berufsinspek-toren. Wird auch hier keine Einigung gefunden oder ist sich der Lernende unsicher, wie er vorgehen soll, findet er auf der Website von Pro Juventute eine Liste mit Angeboten. Darauf gibt es auch einen Link zu Job Caddie. Die Organisation ist in den Kantonen Zürich, Zug und Bern mit Geschäftsstellen präsent. Eine weitere Geschäftsstelle ist für den Kanton Schwyz und die Region Oberer Zürichsee geplant.
(Désirée Klarer)
Die Organisation wurde 2008 von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft SGG gegründet. Sie bietet kostenlose Unterstützung für Jugendliche und junge Erwachsene, deren berufliche Integration gefährdet ist. Job Caddie vermittelt freiwillig tätige Mentorinnen und Mentoren, welche ihre Schützlinge individuell begleiten.