Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

So lassen Hoteliers heute ihr Essen produzieren

Die Strecke wird immer kürzer: Diese Hotelköche beziehen ihre Lebensmittel aus dem Dorf, dem eigenen Garten oder gar aus dem eigenen Gutsbetrieb und Bauernhof.

  • Der Gutsbetrieb Terreni alla Maggia ist riesig. Er gehört derselben Besitzerfamilie wie das Hotel Castello del Sole. So kann Chefkoch Mattias Roock sogar Risottoreis aus dem Hotelgarten beziehen. (Bilder ZVG)
  • Die Köche des Posthotels Achenkirch erfreuen sich Frischprodukten von eigenen Kühen.
  • Das Romantik Hotel The Alpina Mountain Resort & Spa bezieht fast alles aus dem kleinen Dorf Tschiertschen.

Executive Chef Mattias Roock hat im 5-Sterne-Superior-Hotel Castello del Sole seine Traumstelle gefunden. Dort im Resort, das eingebettet ist in eine 100 Hektaren grosse Parklandschaft in Ascona/TI, kann er mit unzähligen Frischprodukten aus dem eigenen Garten arbeiten. Zahlreiche Früchte stehen dem Hamburger Sternekoch zur Verfügung. Der 36-Jährige kann sich sogar an eigenen Dashibirnbäumen und Zitrusfrüchten erfreuen. «Ich habe die Wahl zwischen 15 verschiedenen Zitronen. Sogar die rare Yuzu oder Buddhas Hand gedeiht im Garten», freut er sich. Was ihm aber wohl als einzigem Koch der Schweiz zur Verfügung steht, sind Weine sowie verschiedene Mais-, Reis- und Teigwarensorten vom hoteleigenen Gutsbetrieb. Die Terreni alla Maggia SA wurden 1930 gegründet und befinden sich seit 1942 im Besitz der Familien Anda und Franz-Bührle, welchen unter anderem auch das «Castello del Sole» gehört. Zum Betrieb im Tessin zählen rund 150 Hektaren, wovon 130 landwirtschaftliche Nutzfläche sind und in den Gemeinden von Ascona, Locarno, Avegno und Gordola liegen.

Eigener Mais, Reis, Quinoa

Als Spezialitäten gedeihen auf dem Gutsbetrieb die antike, einheimische Maissorte «La Rossa del Ticino», aber auch weisse, gelbe und schwarze Maissorten wachsen dort. Seltene Spezialitäten, von welchen sich die Hotelköche bedienen können. Als nächstes Projekt soll Quinoa angepflanzt werden.

Doch Mattias Roocks Favorit ist der Loto-Reis, der Reistyp «Lungo A», der sich hervorragend für Risotto eignet. Klar, kommt dieser in jedem Gourmetmenü «Sapori del nostro orto» vor. In diesem so genannten Gartenmenü setzt er im Gourmetrestaurant Locanda Barbarossa ausschliesslich saisonale Produkte aus dem Tessin ein, wo immer es geht, natürlich die eigenen. Anfang September waren das Seeforelle mit Gurken, Joghurt, Radieschen und Yuzu, danach eine kalte Tomatensuppe sowie Loto-Risotto mit Butternuss-Kürbis und Ziegenfrischkäse aus dem Verzascatal. Als Hauptgang servierte er Schweizer Rehrücken mit Sellerie-Vanille-Püree und ein CassisKonfit. Beim Dessert arbeitete er mit Farina Bona aus dem Onsernonetal. «Unsere eigenen Produkte sind limitiert, das steigert ihren Wert bei den Gästen.»

Generaldirektor vom Hotel Castello del Sole Simon V. Jenny weiss um den Wert der eigenen Lebensmittel des Hotels: «Insgesamt decken wir 80 Prozent vom Frühstücksbuffet mit Tessiner Produkten ab. Zudem stellt das «Terreni alla Maggia» rund 450 Tonnen Rohreis her. Somit ist es der grösste Reisproduzent Nordeuropas», erzählt er stolz. Der Deutschschweizer führt das 5-Sterne-Superior-Hotel seit 14 Jahren mit seiner Frau Gabriela. Die Auslastung der 150 Betten, die sich zur Hälfte auf Suiten und Doppelzimmer verteilen, liegt bei über 80 Prozent. Er könnte sich vorstellen, dass die Auslastung durch das Projekt «The Living Circle» noch höher wird.

Das Projekt wurde im April 2017 initiiert und setzt sich aus zwei landwirtschaftlichen Betrieben, zwei Restaurants sowie zwei Hotels zusammen. Diese sind neben dem «Castello del Sole» das «Rustico del Sole» und die «Terreni alla Maggia» in Ascona, der «Storchen» in Zürich, das «Schlattgut» und das Restaurant Buech in Herrliberg/ZH. Alle Betriebe befinden sich seit Jahrzehnten in Privatbesitz der Schweizer Familien Anda und Franz-Bührle. Mit der neuen, eigenständigen Marke will man gemeinsam auftreten und zusätzliche Verkaufsmöglichkeiten in neuen Märkten mit einem reichhaltigeren Angebot und einer einzigartigen Geschichte schaffen. Dazu zählen die Produkte der eigenen Bauernhöfe, weil sie zu besonderen Restauranterlebnissen führen. Auch die Möglichkeit, die Natur in den landwirtschaftlichen Betrieben geniessen zu können, wird als Mehrwert verkauft.

Regionalität als gutes Verkaufsargument

Auch für Sascha Jurt, Sales-Verantwortlicher des Hotels Alpina in Tschiertschen/GR, stellt das klar regionale Konzept des Hotels ein gutes Verkaufsargument dar: «Unser Genusskonzept spricht immer mehr Menschen an. Sie wollen wissen, was sie essen, woher das Fleisch stammt.» Da er weiss, dass die Gäste in den hoteleigenen Restaurants rasch um die 200 Franken ausgeben, kann er ihnen unter der Woche im Viersterne-Superior-Hotel die Zimmer zu sehr günstigen Konditionen anbieten, wie er sagt. «Und die Rechnung geht trotzdem auf.»

Vielfältiges Fleisch von ganz nah

Seit der Neueröffnung 2015 arbeitet das Hotel sehr eng mit Produzenten aus dem Dorf zusammen. Das Direktionspaar Marlies und Michael Gehring setzten schon vorher auf den Einkauf von Lebensmitteln aus der Umgebung. Ein Vorgehen, das in Südtirol, ihrem vorherigen Wirkungsort, seit jeher gang und gäbe ist. Im kleinen Bergdorf Tschiertschen jedoch eine Herausforderung. Und doch bezieht Koch und Slow-Food-Ambassador Lukas Pfaff nicht nur Trockenfleisch, Wurstwaren, Käse und Butter von den in Fussdistanz liegenden Hofläden. Beim «Bächlihof» kann er sogar ganze Tiere bestellen. Ein Vorteil für beide Seiten: Er erhält die Tiere so zugeschnitten, wie er es gerne hätte, und die Bauernfamilie hat einen sicheren Abnehmer.

Lukas Pfaff bezieht sein Fleisch zu 100 Prozent aus der Region und schwärmt von der Vielfalt der Rinderrassen: «Ich erhalte hier Fleisch von glücklichen Tieren, die auf der Alp waren: Grau- und Braunvieh, Schottische Hochland- und Limousin-Rinder. Weil ich die Produzenten kenne, weiss ich, dass die Qualität stimmt. Da nehme ich die rund 15 Prozent teureren Einkaufskosten gerne auf mich.» Während Lukas Pfaff und sein Stellvertreter Antonino Messina auf regionale Gourmetkreationen setzen, bringt Tony Leung asiatischen Flair in die Gourmet-Küche. Er schafft dies mit 90 Prozent Lebensmitteln aus der Region.

Produzent bringt Gäste ins Hotel

Den Käse bezieht das Hotel Alpina zu 100 Prozent aus der Gemeinde. Da die grösste Vielfalt bei der Sennerin Nini von der Alp Farur erhältlich ist, macht sich Direktor Michael Gehring persönlich auf den Weg zur 800 Meter höher gelegene Alp, um ihre Käsekreationen einzukaufen. Die Deutsche, die schon seit 14 Alpsommern Käse auf der Alp produziert, stellt neben dem Bündner Bergkäse verschiedene Spezialitäten her. Dazu zählen Ziger, Camembert, Mutschli sowie diverse Brotaufstriche und Quarks.

Mit dem «Alpenhirt» verbindet das «Alpina» mehr als eine Produzenten-Kunden-Beziehung. Es liegt auf der Hand, dass das Hotel die ursprünglich hergestellten Fleischspezialitäten sowie die Wanderbündel für die Gäste vom Nachbarn Adrian Hirt bezieht. Seit kurzem bieten die Köche auch seine Dry-Aged-Fleischstücke von Kühen aus der Region an, die zehn oder mehr Jahre den Sommer auf der Alp verbracht haben und mehreren Jungtieren das Leben schenkten. «Uns verbindet seit Eröffnung des Hotels eine enge Zusammenarbeit», sagt Adrian Hirt. Nicht selten übernachten Kunden, die bei ihm an Events teilgenommen haben, im Hotel. Und umgekehrt schickt das «Alpina» ihm seine Gäste in den Laden. «Besonders im MICE-Bereich sind die Führungen und Degustationen beim ‹Alpenhirt› ein gutes Verkaufsargument», weiss der Sales-Verantwortliche des Hotels Sascha Jurt.

Mit dem Fleisch von zehn Kälbern vom eigenen Hof hat es einmal begonnen im Posthotel im österreichischen Achenkirch. Auch heute noch legt die Besitzerfamilie Reiter sehr grossen Wert auf Regionalität in ihrem Fünfsternehotel. Deswegen versorgen 40 Hektaren Landwirtschaft und 250 Hektaren Alpfläche die Küche täglich mit frischer Milch, Butter, Frühstückseiern, Speck, Dammwild, Rind- sowie Lammfleisch. Wenn die verwendeten Produkte nicht aus der hoteleigenen Landwirtschaft kommen, beziehen Küchenchef Fabian Leinich sowie Sous-chef James Kruse die Lebensmittel von regionalen Anbietern, die nach ökologischen Aspekten arbeiten.

«Gäste sowie Mitarbeiter auf dem Ampelsbacherhof werden durch Gespräche und Aktionen wie Brotbacken oder Wanderungen sensibilisiert und in ein umweltbewusstes und nachhaltiges Handeln mit eingebunden», so Hoteldirektor Karl C. Reiter. Seit September 1983 wird ein ganz spezieller Brauch im «Posthotel» zelebriert. Anfangs noch in der Scheune des Ampelsbacherhofes, mittlerweile in einem grossen Zelt findet das Fest zum Abtrieb der Tiere von der hoteleigenen Alp statt.

(Sarah Sidler)