Der Weinliebhaber und Weinbuchautor hat ein Hilfsmittel geschaffen, mit dem Weinverkosten einfach und selber gelernt werden kann.
Kurt Gibel, Wein-Apps gibt es bereits einige auf dem Markt. Weshalb lancierten Sie Ihre in diesen Tagen?
Kurt Gibel: Meine ersten Wein-Apps habe ich 2009 veröffentlicht und einige der mittlerweile fünf Apps aus Zeitgründen vernachlässigt. Jetzt bin ich pensioniert und habe Zeit und Musse, sie auf den neuesten Stand zu bringen. Vor allem die Degustations-App liegt mir am Herzen. Sie ersetzt nicht nur meinen langjährigen Buchbestseller «Weine degustieren – leicht und spielend», von dem 2021 die 20. Auflage erschien, sondern eröffnet ganz neue Dimensionen des Lernens.
Worum geht es in den fünf Apps?
Die fünf Apps der Vino-Mobile-Reihe sind alle eigenständig und technisch noch nicht direkt miteinander verknüpfbar. Es wird aber spannend sein, in naher Zukunft Wege zu finden, die umfangreiche Datenbank der App «Weinsteckbriefe» für das Weinraten oder Blindverkosten zu nutzen. Derzeit enthält diese App Geruchs- und Geschmacksprofile zu 1300 Weinregionen und Rebsorten, weitere werden folgen. In den nächsten Monaten gilt es, auch die anderen Apps technisch und gestalterisch auf den neuesten Stand zu bringen. Die App «Jahrgänge» ist mit über 5700 Bewertungen die umfassendste und vor allem aktuellste App ihrer Art im Store-Universum.
Da haben Sie sich viel vorgenommen.
Ja, zumal der Inhalt jederzeit erweitert werden kann. Auch weitere Sprachen sind möglich. Derzeit gibt es die neue App «Vino Moblie» in Deutsch, Französisch und Englisch. Im nächsten Jahr werden wir zudem eine weitere Funktion für Neulinge einbauen, um sie noch schneller zu den wesentlichen Punkten einer Verkostung zu führen.
Welche andere Apps haben Sie angeschaut, bevor Sie mit Ihrem Projekt begannen?
Da ich meine Apps schon seit Ewigkeiten in den Stores habe, verfolge ich diese Szene schon immer. Es gab einige gute Wein-Apps in englischer Sprache, aber leider sind sie alle im Sand verlaufen, da es sehr schwierig ist, Apps zu monetarisieren. Wer nicht bereit ist, langfristig Energie und Geld in die Entwicklung von Apps zu stecken, sollte nicht damit anfangen. Für mich ist es einfach eine Leidenschaft, wie für andere das Sammeln von Legosteinen. Ich verfolge meine eigene Vision: Weinwissen so einfach wie möglich zugänglich zu machen.
An welche Zielgruppe richtet sich die App?
Oberstes Ziel war es immer, ein Hilfsmittel zu schaffen, mit dem man möglichst einfach selbst lernen kann, Wein richtig zu verkosten. Mein eigener Werdegang und die daraus entstandene Degustationsfibel dienten mir dabei als Richtschnur. Die wichtigste Zielgruppe sind daher ambitionierte Einsteigerinnen und Einsteiger sowie Menschen, die Spass am Entdecken von Wein haben.
Im Laufe der mehrjährigen Projektarbeit wurde mir klar, dass es selbst für erfahrene Weinkenner kein frei zugängliches Tool gibt, mit dem man die Herkunft von Weinaromen per Mausklick abrufen kann. Die Aromadatenbank in der App erweitert somit den Nutzerkreis auch auf Fortgeschrittene.
Wie funktioniert die App?
Vino Mobile, so der Name der App, ist einfach aufgebaut. Im Multiple-Choice-Verfahren können sich Anwenderinnen und Anwender durch die vier Kapitel Anblick, Geruch, Geschmack sowie Gesamteindruck klicken.
Können Sie etwas in die Tiefe gehen und Details verraten?
Beim Geruch beispielsweise geht es erst um die Reintönigkeit, die Intensität und die Qualität. Bei den Aromen können Gruppen wie blumig, vegetabil oder würzig definiert und dann einzelne Blumen, Kräuter und/oder Gewürze gewählt werden. Zu jedem Wein können auch persönliche Notizen gemacht werden.
Ist es so einfach wie es klingt?
Die Schwierigkeit liegt darin den Duft eines Weines zu erkennen und diesem Begriffe zuzuordnen.
Dann gibt es die Funktion «entschlüssle Wein».
Genau. Warum ein Wein zum Beispiel nach Himbeere oder Vanille duftet, interessiert auch ambitionierte Laien. Solche Fragen konnten bisher nur Profis beantworten. Mit Vino Mobile kann das nun jeder. Nach der geführten Verkostung, bei der passende Begriffe und Aromen ausgewählt wurden, wird der Wein entschlüsselt. Dabei gibt es zu jedem Begriff, der in der Degunotiz vorkommt, eine Erklärung oder eine Aussage über die Herkunft der Aromen. Letzteres kann sich auf die verwendeten Rebsorten, das Anbaugebiet, die Verarbeitung oder den Reifegrad des Weins beziehen.
Sie bieten eine Testversion an. Was kann gratis genutzt werden?
Die kostenlose Version dient zum Kennenlernen der Anwendung. Mir ist es wichtig, dass der ganze Umfang der App gezeigt wird und auch getestet werden kann. Deshalb kann man in der Basisversion eigentlich alles machen, was in der Pro-Version möglich ist, sogar ein Friends-Tasting organisieren.
In der kostenlosen Version lassen sich allerdings nur einzelne Aromen entschlüsseln, um sich ein Bild vom Inhalt zu machen, das Speichern von Verkostungsnotizen ist eingeschränkt, ebenso der Zugriff von mehreren Geräten oder anderen Plattformen.
Wie hoch sind die Kosten für die App?
Eher günstig! Einmalig 3.90 Franken für die Pro-Version. Übrigens: Wer meine Jahrgangs-App im 2009 für einen Franken gekauft hat, erhielt seither jedes Jahr im Frühling ein kostenloses Update. Für insgesamt zehn Franken bekommt man heute die Vollversionen aller fünf Vino-Mobile-Apps.
Wie genau funktioniert das mit der Community, dem Friends-Tasting?
Der Genuss von Wein ist meist ein soziales Erlebnis, man verbindet damit Menschen, Orte, Gefühle, und deshalb kann es auch Spass machen, ihn gemeinsam zu entdecken. Für Neulinge kann eine gemeinsame Verkostung jedoch schwierig sein, weil ihnen die Worte fehlen und sie sich nicht blamieren wollen. Beim Friends-Tasting passiert das nicht mehr, denn alle folgen einem strukturierten Ablauf mit standardisierten Begriffen, die auch ergänzt werden können.
Der Gastgeber erstellt innerhalb von ein, zwei Minuten ein Tasting in der App und schickt seinen Gästen einen Tasting-Code. Dieser wird in die eigene App eingegeben und schon kann die Verkostung beginnen, im persönlichen Tempo, auch anonym und bei Bedarf zeitversetzt. Am Ende gibt der Gastgeber die Ergebnisse frei und jeder kann seine Notiz mit den anderen vergleichen, auch mit denen, die mit der französischen oder englischen App verkostet haben.
Mit dem Friends-Tasting möchte ich auch Weinhändler und Winzer erreichen, die ihre Kunden mit ihren Weinen auf deren Weinreise begleiten möchten. Natürlich würde ich mich auch freuen, wenn die App die Ausbildung in der Gastronomie unterstützen könnte.
(Gabriel Tinguely)
Wein war schon immer Kurt Gibels Leidenschaft. Seit er 1994, nach verschiedenen Weinkursen in Wädenswil, einen Bestseller für Degustationsneulinge geschrieben hatte, ist sie noch grösser geworden. Etwas später folgten die «Weinsteckbriefe» und ab 2009 verschiedene Wein-Apps für Smartphones und Tablets. Bis zu seiner Pensionierung war Kurt Gibel 18 Jahre bei einer grossen Schweizer Anwaltskanzlei als Office Manager für IT, HR, Infrastruktur und Marketing verantwortlich. Davor war er in der Halbleiter- und Telekommunikationsindustrie als Leiter Qualitätsmanagement, Leiter Administration, Vertriebscontroller und in verschiedenen anderen Funktionen tätig.