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Süsse Arbeit auf hoher See

Raphael Füger, der gelernte Koch und Konditor-Confiseur arbeitet seit knapp vier Monaten auf dem Segelkreuzfahrtschiff Sea Cloud, das durch die Karibik schippert.

Raphael Füger: «Was gibt es Schöneres, als bei der Arbeit in einer traumhaften Umgebung zu sein und dazu den Blick aufs Meer zu haben.» (ZVG)

Wie sind Sie zu Ihrem Job auf der Sea Cloud gekommen?

Bei meinen ersten Nachforschungen zu diesem Segelschiff und der Flotte Sea Cloud Cruises begeisterte ich mich auf Anhieb dafür, einmal für diese Gesellschaft zu arbeiten. Für mich war von Anfang an klar, dass eine Kreuzfahrt nur auf der Sea Cloud in Frage kommen würde. Die Segelnostalgie, das wunderschöne Schiff und ihre unglaublich grosse Geschichte liessen mich von diesem Arbeitsplatz träumen. Zudem sind jeweils überschaubare 60 Gäste an Bord, was mir ebenfalls zusagte. So startete ich mit viel Vorlaufzeit einen ganz normalen Bewerbungsprozess. Vorgestellt habe ich mich in Hamburg, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Das frühzeitige Vorgehen war nötig. Denn durch die ständige Rotation der bestehenden teilweise langjährigen Mitarbeiter und deren kurzen Verträge wurde mir meine Arbeitsstelle erst vier Monate vor meinem Einstieg zugesagt. Über ein weiteres Arbeitsverhältnis spricht man jeweils erst im laufenden Vertrag. Ich startete meine Arbeit auf der Sea Cloud Anfang Januar dieses Jahres in Barbados. Wenn es mit der Sea Cloud nicht geklappt hätte, wäre ich stattdessen in eine Wintersaison gegangen. Ein anderes Kreuzfahrtschiff wäre für mich nicht in Frage gekommen. Schlussendlich war ich happy, dass es klappte.

Hatten Sie zu Beginn mit Seekrankheit zu kämpfen?

Es braucht tatsächlich eine gewisse Zeit, bis man sich an den Wellengang und die Bewegung des Schiffes gewöhnt. Die einen haben wenig Probleme, manche brauchen eine gewisse Zeit und andere haben immer zu kämpfen. Da ich aus einer Seglerfamilie stamme und seit Kurzem ebenfalls den Segelschein besitze, war ich schon «vorbelastet». Es ist aber trotzdem nicht zu unterschätzen. Wenn man zum Beispiel unter Deck des Schiffes arbeitet oder sich in den vorgesehenen Wohnbereichen aufhält, ist es als würde sich dieses Haus oder der Arbeitsplatz ständig drehen oder in Bewegung sein. Da kann es einem durchaus etwas schwindlig oder schlecht werden. Ausserdem sind die Wellen auf dem Meer natürlich höher als bei unseren heimischen Seen. Darauf war ich zu Beginn nicht gefasst, doch ich gewöhnte mich schnell daran. Jedoch ist der Körper so oder so ständig mit den Bewegungen des Schiffes konfrontiert. Dies kann ab und zu ganz schön anstrengend sein. Zudem ist unser Schiff nicht zu vergleichen mit anderen grossen Kreuzfahrtschiffen, die den Wellengang vermutlich nicht so stark zu spüren bekommen. Wenn wir die Segel gesetzt haben, neigt sich das Schiff zusätzlich nach backbord oder steuerbord. Dann bewegen wir uns nur mit deren Kraft fort und haben mit voll gesetzten Segeln mehr PS als mit unseren vier 1500-PS-Motoren.

Welche Funktion haben Sie auf dem Schiff inne?

Ich bin selbständig als Pâtissier und Bäcker Konditor Confiseur angestellt. Dazu gehören alle Desserts zu den Mahlzeiten. Pâtisserie, Torten, Kuchen und Süssgebäcke zur legendären «Tea Time» jeweils am Nachmittag als Buffet und teilweise vor Ort eine frisch zubereitete Süssspeise. Die «Tea Time» zelebrierten schon die damaligen Eigner der Sea Cloud, die das Schiff 1931 in Kiel als Privatjacht erbauen liessen. Die Sea Cloud war zu dieser Zeit die grösste Segeljacht der Welt. Zudem bereite ich das gesamte Brotsortiment und alle Gebäcke für das Frühstücksbuffet und als Begleitung der Tages- und Abendmahlzeiten zu. Die Gäste kommen in den Genuss von sechs Mahlzeiten am Tag.

Wie viele Tage arbeiten Sie nacheinander?

An Bord wird in unserem Fall jeden Tag gearbeitet. Je nachdem wie ich mir die Abläufe einteile, gibt es mehr oder teilweise weniger zu tun. Wir haben immer Gäste an Bord und bei deren Wechsel ist man mit anderen Arbeiten wie zum Beispiel dem Beladen von Proviant und anderen organisatorischen Dingen beschäftigt. Die tägliche Präsenz bei der Arbeit ist also Voraussetzung. Das war mir aber bereits im Vorfeld klar und ich stellte mich deshalb darauf ein. Aber was gibt es Schöneres, als bei der Arbeit in einer traumhaften Umgebung zu sein und dazu den Blick aufs Meer zu haben. Und wenn dazu noch eine Schule Delfine aus dem Wasser springt, macht es den Arbeitsplatz zu einem der schönsten, den man sich vorstellen kann.

Wie lange dauert Ihr Vertrag?

Mein Vertrag dauert vier Monate. Die Verträge von meinen philippinischen Kollegen an Bord laufen beispielsweise bis zu neun Monate. Sie machen jeden Tag ihre Arbeit. Das finde ich eine sehr starke Leistung. Diskussionen über Rechte sind da gar kein Thema, was bei uns zuhause, in meinen Augen, leider viel zu oft der Fall ist.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Ich arbeite jeweils in der Nacht. Die Küche ist zu klein, um am Tag neben den Köchen zu produzieren. Ausserdem wird das Brot für das Frühstück immer frisch gebacken. Am Morgen ist dann Ablösung und ich bespreche mit dem Küchenchef und Sous-chef, mit denen ich eng zusammenarbeite, den Tagesablauf und die Menüs. Es gefällt mir, dass ich als gelernter Koch trotz den unterschiedlichen Arbeitszeiten viel mit den Köchen zusammenarbeiten und mich austauschen kann. Wenn wir nicht auf See sind und wir gerade an einem Ort liegen oder in einer Bucht ankern, gehe ich an meinem Feierabend/Feiermorgen fast immer an Land. Ich besichtige die jeweiligen Landesabschnitte, Inseln, Städte, mache Ausflüge oder lege mich irgendwo an einen der Strände. So bin ich schon sehr weit rumgekommen und durfte bis jetzt sehr viel erleben. Damit bin ich eher ein Einzelfall und es ist natürlich meiner Arbeitszeit in der Nacht zu verdanken. Wenn man diese Freizeitmöglichkeiten nutzt, dann hat man trotz der täglichen Arbeit einen doppelten Erholungseffekt. Doch es kann auch vorkommen, dass wir Sicherheitsübungen im Falle eines Notfalls an Bord durchführen müssen. Da hat jeder seinen Standort und muss diszipliniert dessen Aufgabe beherrschen. Ich bin bei der Vorbereitung eines der Rettungsboote eingeteilt. An solchen Tagen ist meine Freizeit jeweils etwas eingeschränkt.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit auf See von Ihren Jobs zu Land?

Zur Arbeit zu Land unterscheidet sich meine aktuelle Stelle in erster Linie dadurch, dass ich mich mit den Umständen auseinandersetzen muss. Wenn wir zum Beispiel Wellengang haben, ist es schwieriger oder teilweise fast nicht möglich ein Gelee, Pâtisserie oder Torten einzusetzen. Zudem dauert das Arbeiten viel länger als in einem Geschäft an Land. Wenn ich beispielsweise etwas abwiegen möchte, dann springt der Zeiger der Waage jeweils umher, weil sie sich auf unruhigem Untergrund befindet. Das finde ich als Konditor jeweils nicht ideal. Dazu kommen die logistischen Einschränkungen. Dadurch, dass unser Schiff früher eine Privatjacht war und erst später zum Kreuzfahrtschiff umgebaut wurde, sind die gegebenen Räumlichkeiten natürlich nicht alle optimal organisiert. Dies verlangt viel Selbstdisziplin und gute Organisation, damit man möglichst Wege nur einmal gehen muss. Denn die teilweise schmalen Treppen zu den Lagerräumen erleichtern die Arbeit nicht. Unsere Lagermöglichkeiten sind auf einige Wochen beschränkt. Es kommen also nur in grossen Abständen Lieferungen in Containern aus Deutschland oder Miami. Den grössten Teil dieser Produkte kann man in der Karibik schlichtweg nicht beziehen, ausser natürlich Obst, Früchte, Gemüse, Fisch und Meeresfrüchte. Die Bestellungen dafür müssen jedoch Monate im Voraus eingegeben werden und mit dem was kommt, muss man auskommen und gut einteilen. Trotzdem müssen unsere Lagerräume wie Supermärkte mit allen Produkten gefüllt sein. Denn wir bieten einen hohen kulinarischen Standard und brauchen dazu diese breite Produktepalette, auch wenn wir auf hoher See sind. Wir müssen gewährleisten können, dass die Gäste selbst auf einer vierzehntägigen Reise nicht zweimal das Gleiche angeboten bekommen. An einem Container Loading Day sind wir bis zu einem halben Tag mit dem Entladen des Containers und dem Beladen des Schiffes beschäftigt. Wir können nicht eine Luke öffnen und direkt mit dem Gabelstapler in den Kühlraum fahren, wie dies bei grossen Kreuzfahrtschiffen der Fall ist. Ein Koch erzählte mir, dass sie ihr Schiff für 5000 Passagiere in zwei Stunden mit Proviant beladen haben. In unserem Fall packt die gesamte Crew mit an. Wir bilden eine Linie und reichen uns Paket für Paket. Mir gefällt ganz gut, dass nicht immer alles automatisch läuft. Zudem stärkt es den Teamgeist.

Was schätzen Sie besonders an Ihrem jetzigen Job?

Zu Beginn eines Arbeitstages nimmt man Abschied von einem Ort, einer Insel oder einem Land. Mit all dem Flair, was man dort mitbekommen hat, geht die Reise weiter. Am Morgen nach der Arbeit liegt man vor einer ganz anderen Kulisse, einer anderen Insel oder einem anderem Land. Und wenn man in der Freizeit von Bord geht, ist man sofort mit einer anderen Sprache, anderen Kultur, Mentalität, Essen, Währung, Musik, Landschaft und Vielem mehr konfrontiert. Das schätze ich an meiner aktuellen Stelle sehr und es macht die Freizeit jedes Mal zu einem Abenteuer. Ausserdem schätze ich die familiäre Atmosphäre, die ich vom heimischen Betrieb bereits kenne und liebe. Die Crew lebt und arbeitet jeden Tag zusammen und sie kann für einige durchaus eine Ersatzfamilie sein. Trotz allem sind die Hierarchien bei der Seefahrt etwa vergleichbar mit jenen des Militärs. Das Oberhaupt ist selbstverständlich der Kapitän. Zudem hat alles seine Strukturen, was bei so vielen Menschen auf einem Ort, die eng zusammenleben, auch nötig ist. Zudem mag ich an meiner Tätigkeit an Bord die grosse Abwechslung, die Individualität, Spontaneität und Freiheit, die ich habe. Die Sea Cloud besitzt ausser ein paar Richtlinien, an die man sich halten muss, keine Postendokumente oder Rezepturen. Ich kann mich also frei mit meinen Ideen und Kreationen einbringen und mich selbst verwirklichen. Bei unseren 60 Gästen kann ich mir gut einen Überblick verschaffen und individuell auf Einzelne eingehen. Dies schätzen zum Beispiel die Leute mit Allergien, mit denen ich mich über ihre Wünsche unterhalten kann. Zudem gefällt mir, dass ich das Angebot den Reiserouten entsprechend thematisch gestalten kann. Das karibische Meer ist umgeben von vielen verschiedenen Ländern oder Inseln verschiedener Nationen. Da gibt es auf den Französischen Antillen natürlich klassische St. Honorés, Eclaires oder andere französische Desserts, in Mexico frittierte Churros, direkt am Buffet zubereitet, in Havanna eine Rumzigarre aus Schokolade, in Costa Rica flambierte heimische Bananen oder auf Grenada einen ursprünglichen Xocolatl Drink, aufgegossen mit wildwachsendem Kakao. Es macht ausserdem Freude, frische heimische Produkte in hervorragender Qualität ohne lange Transportwege zu verwenden. Ich denke da zum Beispiel an die Ananas, die wir in Kolumbien bezogen. Ihren reifen Duft konnte man bereits riechen noch bevor der Händler sie aus seinem Transportmittel geladen hatte. Und natürlich schmecken auch all die anderen tropischen Früchte hervorragend. Oder die Fische, die frischer nicht sein könnten und den Gästen noch am selben Tag serviert werden. Da können spontane Menüänderungen durchaus vorkommen. Besonders gut gefällt mir auch, dass ich das Schiff hautnah miterleben kann. Es ist immer wieder ein Highlight, den Matrosen beim Setzen der Segel zuzuschauen. Sie erledigen das noch von Hand, das kommt mittlerweile selten vor. Unser Crewaufenthaltsbereich ist auf dem Vordeck, so kann man das Geschehen sehr gut miterleben oder sogar selbst einmal mitanpacken. Es ist also ein Arbeitsplatz, an dem man lebt und gleichzeitig arbeitet. Das gefällt mir und damit kann ich mich sehr gut identifizieren.

Welche Sprachen sprechen Sie vorwiegend während Ihrer Arbeit auf dem Schiff?

Die Bordsprache ist Englisch. Da es aber ein deutsches Schiff ist und viele aus Deutschland kommen, vorwiegend in den Küchen und dem Hotelbereich, wechseln sich Englisch und Deutsch ab. Die Gäste stammen hauptsächlich aus den USA, Deutschland, Schweiz, Österreich, England und Australien.

Welche Destinationen sind Sie mit der Sea Cloud angelaufen?

Wir haben während meiner Zeit an Bord die meisten der karibischen Hauptinseln angelaufen, etwa die Inseln über dem Winde/Grenada, Dominica, St. Lucia, Französische Antillen/Martinique, St. Barth, karibische Niederlande/ Curaçao, Tobago, Barbados, Britische Jungferninseln, Kolumbien, Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Belize, Mexico, Kuba, Jamaika, Dominikanische Republik. Ich hatte überall Landgang und immer wieder etwas Neues erlebt. Den Lebensstil und das Flair habe ich so hautnah miterlebt. Das gefiel mir besonders gut. Ich liess mich ausserdem immer mitreissen und fuhr mit einem Jamaikaner mit «No women, No cry» in den Ohren durch die Gegend, stieg in Mexiko in einen Poncho mit Sombrero und ass dazu frische Nachos, drehte in der Dominikanischen Republik meine eigenen Zigarren, schaute Bananenpflückern auf Costa Rica bei deren Arbeit zu oder genoss die Fahrten mit den Oldtimern durch Kubas Strassen. Unbeschreibliche Erlebnisse, die ich alle mit der Arbeit verbinden konnte.

Haben Sie stürmische Phasen auf See erlebt?

Bei den Sturmphasen, die zum Glück noch nicht oft vorkamen, war es wichtig alle Sachen so sicher wie möglich zu fixieren und die Kühlschranktüren vorsichtig zu öffnen, um ein mögliches Entgegenkommen der Geschirre zu verhindern. Um sich selbst einen Gefallen zu tun und die Sturmphase und hohe Wellen gut zu überstehen, ist man fit und gut ausgeruht. Ausserdem hilft es, ab und zu Frischluft an Deck zu schnappen, so verträgt man diese Zeiten viel besser. Die Gäste schätzen jeweils einen Tee mit frischem Ingwer und Zitronengras als Vorbeugung. Das richtige hektische Meer erwartet uns aber erst auf dem Atlantik bei dessen Überquerung.

Wie lange sind Sie noch auf der Sea Cloud und wie lange wird Ihr Einsatz insgesamt gedauert haben?

Aussteigen werde ich in Europa Ende April nach einer weiteren zehntägigen Kreuzfahrt von Lissabon nach Barcelona. Davor überqueren wir aber noch den Atlantischen Ozean Richtung Europa. Dies dauert vierzehn Tage, an denen man nur das Schiff und das weite Meer sieht, wie zu Kolumbus Zeiten.

Wie sieht Ihr nächster beruflicher Schritt aus?

Ich werde im Mai meinen lang ersehnten Aufenthalt in Las Vegas, den ich beim HUG Creative-Berufswettkampf vor fünf Jahren gewonnen habe, absolvieren. Dort wird mich ein lokaler, berühmter Pâtissier durch die verschiedenen gigantischen Hotels und deren Gastronomie führen. Anschliessend werde ich eine Tour durch die USA machen, wo ich einige Ortschaften und Bekannte besuchen möchte. Was danach kommt, steht noch nicht fest. Ich bin offen für alle Vorschläge, Vermittlungen, Empfehlungen oder Angebote für die Zeit danach.

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