Tabuthema Abhängigkeit: Sucht ist nicht Privatsache

Hinweise auf eine Abhängigkeit gibt es oft. Doch meist fehlt der Mut, diesen nachzugehen, ein allfälliges Suchtproblem anzusprechen und geeignete Massnahmen zu ergreifen.

(Bild UNSPLASH)

Schlummertrunk, um runterzukommen, Tabletten, um leistungsfähiger zu sein. Shoppen, Gamen oder Süssigkeiten, um sich abzulenken oder zu trösten. Es gibt Verhaltensweisen, die, massvoll ausgeführt, harmlos sind. Im Übermass jedoch können sie zur Sucht und damit zu ernsthaften gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Problemen führen.

Gesellschaftliche Akzeptanz erschwert Suchterkennung

Suchtmittel wie Alkohol und Tabak sind in unserer Gesellschaft als Genussmittel anerkannt. Das Glas Wein zum Essen, das Feierabendbier oder die Zigarette danach gehören zur Alltagskultur. Auch der Gebrauch des Smartphones ist praktisch überall und jederzeit akzeptiert, obschon selbst dieser Gegenstand ein Suchtpotenzial in sich birgt.

Wegen der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz wird eine Sucht oft erst spät erkannt. Dann nämlich, wenn der Betroffene und sein Umfeld, beruflich wie privat, bereits stark leiden.

Sucht zieht weite Kreise

Wie gross der Wirkungskreis einer Sucht ist, zeigt sich eindrücklich an der Krankheit Alkoholismus. Gemäss Bundesamt für Statistik sind in der Schweiz 250 000 bis 300 000 Menschen alkoholabhängig. Zudem trinkt rund jede fünfte Person im Land regelmässig zu viel, zu oft oder zur falschen Zeit alkoholische Getränke.

Dementsprechend hat jede dritte Person in ihrem nahen Umfeld mindestens einen Bekannten oder ein Familienmitglied mit Alkoholproblemen. Ein besonders trauriger Fakt: Jährlich werden in der Schweiz zwischen 1700 bis 4000 Babys mit einer schweren Form des Fetalen Alkoholsyndroms geboren. Dies, weil ihre Mütter während der Schwangerschaft Alkohol konsumierten.

Alkoholismus verursacht jährlich Kosten von 2,8 Milliarden Franken. Der grösste Teil davon (2,1 Mrd.) geht zulasten der Wirtschaft in Form von Produktivitätsverlusten durch krankheitsbedingte Ausfälle und verfrühte Todesfälle. 447 Millionen Franken kostet die medizinische Behandlung der Alkoholabhängigen. Die Strafverfolgung in Zusammenhang mit Alkoholsucht verschlingt weitere 215 Millionen.

Auf Anzeichen achten

Suchtkranke können für sich, ihre Arbeitskollegen und Gäste sowie den Betrieb zu einer Gefahr werden. Es ist darum wichtig, dass Vorgesetzte und Kollegen hinschauen und reagieren, sobald sie an einem Teammitglied Veränderungen wie Appetitmangel, Konzentrationsstörungen, Unzufriedenheit, Gereiztheit, Unruhe oder Antriebslosigkeit feststellen.

Wer bei seinem Gegenüber Hinweise auf eine Sucht feststellt, sollte die betroffene Person klar, aber respektvoll und in vertraulichem Rahmen mit seinem Verdacht konfrontieren. Besteht tatsächlich ein Suchtproblem und die Person ist bereit, daran zu arbeiten, gilt es, gemeinsam geeignete interne und externe Massnahmen zu ergreifen. Vielleicht ist medizinische oder therapeutische Begleitung oder sogar ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik nötig. Ist die süchtige Person nicht bereit, ihr Problem zu lösen, sollten arbeitsrechtliche Schritte geprüft werden. So oder so: Auf suchtschweiz.ch gibt es hilfreiche Informationen.

Wer sein eigenes Alkoholverhalten überprüfen möchte, hat im «Dry January» die perfekte Gelegenheit dazu. 

(Riccarda Frei)