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Weisse Bluse, aber keine weisse Weste

Serie: Zeitreise (Teil 10)
Das Gastgewerbe lebt von Vertrauen, Diskretion und Ehrlichkeit. Wie heute gab es aber auch früher hell- bis dunkelgraue oder sogar schwarze Schafe. Darunter auch zwei sehr bekannte Namen.

Der Schein trügt, nicht jeder Billardtisch war nur für dieses Spiel da. (Hotelarchiv)

César Ritz und Auguste Escoffier sind Lichtgestalten in der Geschichte der Hotellerie und Gastronomie. Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten. So sind die beiden um 1897 unrühmlich aus dem Dienst des Hotels Savoy in London entlassen worden. Ritz, weil er Weine und Spirituosen für über 3500 Pfund unterschlagen habe. Escoffier, weil er sich von Lieferanten mit Geschenken habe bestechen lassen.

Betrügen für den Gast

Gastgewerbler haben nicht immer nur aus Habsucht getrickst. Manchmal ging es auch darum, den Gästen den gewohnten Service zu erhalten. Der Chef pâtissier Peter Kasper beispielsweise berichtet in seinen Erinnerungen, wie er während des Zweiten Weltkriegs im Hotel Waldhaus in Flims die Lebensmittelrationierung umging.

In einem Abstellraum im hintersten Keller hatte der damalige Hoteldirektor Roman Bezzola eine Zentrifuge aufgestellt. «Wo er die aufgetrieben hatte, weiss nur der Himmel», erzählte Peter Kasper. Jeden Morgen sei er heimlich mit einer Kanne Milch aus der hoteleigenen Landwirtschaft beliefert worden. «Diese Milch drehte ich dann durch die Zentrifuge und erhielt so täglich ein paar Liter Rahm. Das Geheimnis kannten nur der Hoteldirektor, der Knecht und ich.»

Natürlich sei regelmässig aus Chur der Lebensmittelinspektor gekommen, um zu überprüfen, ob sich die Hotels an die Rationierungen hielten. Die Post befand sich damals direkt gegenüber dem Hotel Segnes. Dessen Direktor schaute sich die ankommenden Passagiere jeweils genau an und rief sofort im «Waldhaus» an, wenn er den Inspektor erspähte. «Dann ging das grosse Gerenne los: Rahm, Butter und alles, was sonst noch rationiert oder verboten war, verschwand im Eiskeller, denn von dessen Existenz wusste der Inspektor nichts», erinnert sich der Chef pâtissier. 

Auch wurde er zu einem meisterlichen Trickser. Während die Gäste ihre Desserts mit Rahm bekamen, servierte Kasper dem Inspektor ein optisch identisches Dessert. Dieses bestand allerdings nur aus den zulässigen chemischen Eiersatz-, Milch- und Aromenpulvern.

Das heimliche Casino

Dass in den USA während der Prohibitionszeit im Geheimen Alkohol verkauft wurde, ist klar. Dass auch die Schweizer Wirte und Hoteliers illegale Aktivitäten in ihren Räumen «am Laufen» hatten, wissen hingegen wenige. Glücksspiele wie Roulette waren in der Schweiz lange verboten. Um ihre spielfreudigen Gäste nicht an die grenznahen Casinos in Evian, Bregenz oder Canobbio zu verlieren, liessen sich die Hoteliers einiges einfallen.

«Es gab in etlichen Hotels geheime Casinos», weiss die Historikerin Evelyne Lüthi-Graf. So verfügte das Hotel Montreux Palace beispielsweise über einen Billardtisch, in den man ein mobiles Roulette einsetzen konnte. Ein Hotelmitarbeitender musste jeweils Schmiere stehen und den Hoteldirektor sofort informieren, wenn Polizei oder Kontrolleure ins Haus kamen. Blitzschnell wurde das Roulette abmontiert. Versteckt wurde es in einer geheimen Kammer, die in die Küche führte und von einer Spiegeltür verdeckt war. Vom «Grand Jeu» blieb innert Augenblicken nur ein ganz gewöhnlicher, gesetzlich erlaubter Billardtisch zurück und betont freundliche, etwas atemlose Mitarbeitende.

(Riccarda Frei)


Die Serie «Zeitreise» erscheint in loser Folge.