Titti Qvarnström liebt die Natur um sich herum. Dieses Gefühl will sie durch ihre Gerichte mit den Gästen teilen. Und zwar genauso, wie sie es will.
Die erste Sterneköchin Skandinaviens weiss, was sie will. Ein No-Waste-Fine-Dining-Restaurant in Südschweden, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann André führen wird. Dort will sie täglich wechselnde Gerichte anbieten aus Produkten, die dann gerade in ihrer Region in Südschweden gedeihen. «So kann ich mit sehr frischen Lebensmitteln arbeiten», erklärte die hochgewachsene Frau im Interview nach ihrem Auftritt am Fach-Symposium Chef Alps in Zürich. Nicht nur sammelt die eigenwillige Schwedin selbst, auch jagt sie eigenhändig. Am liebsten Enten und Fasane. Das sei praktisch und schnell, denn diese Tiere erwische man einfach. Ganz im Gegensatz zu den gewieften Wildschweinen. Wer jetzt die 38-Jährige als gefühllos abstempelt, liegt falsch. «Ich habe beinahe eine religiöse Beziehung zur Natur. Es ist mir eine grosse Ehre, aus den Tieren und Pflanzen um mich herum Lebensmittel herzustellen. Indem ich die Natur in die Küche bringe, wird der Gast Teil davon. Durch meine Gerichte kann ich die Liebe zu meinem Land mit ihm teilen.»
Hauben, Punkte und Sterne zu erhalten, sei nicht ihr Ziel. Doch sie sei sich sicher, dass sie in ihrem künftigen Restaurant wieder welche erreiche, wenn sie hart arbeite und ihrer Vision nachkomme. Sie sei stur und gebe so rasch nicht auf. Das Langweilige behage ihr nicht, sie suche die Herausforderung.
Verschiedene Gründe haben Titti Qvarnström dazu bewogen, nach acht erfolgreichen Jahren als Küchenchefin und Co-Geschäftsführerin ihre Wirkungsstätte Restaurant Bloom in the Park in Malmö (SWE) 2017 zu verlassen. «Mein Geschäftspartner und ich hatten andere Vorstellungen von der künftigen kulinarischen Ausrichtung des Lokals», so die Köchin. Noch näher zur Natur will sie, noch nachhaltiger und umweltbewusster arbeiten. «Mein Ziel ist es, dass die Menschen die Herkunft des Essens verstehen.»
In Zürich zeigte sie mit ihrem Ehemann auf, was sie sich darunter vorstellt: Traditionelles aus ihrer Heimat neu interpretiert und den aktuellen Lebensgewohnheiten angepasst. Um sie herum das sind die Wälder, Wiesen und Felder in Skåne in Südschweden. Ihr Heimatort, wohin sie nach ihrer Ausbildung zur Köchin in Kopenhagen und Wanderjahren in Berlin zurückgezogen ist.
So richtete das Paar auf der Bühne ein traditionelles Brot aus Sauerteig und viel Sirup mit Butter sowie Kartoffeln mit Crème fraîche an. «Weil diese Gerichte typisch sind für unsere Region und sie dort täglich gegessen werden.» Doch so einfach, wie es jetzt tönt, waren die Speisen dann doch nicht. «Unser traditionelles Essen braucht ein Upgrade. Es muss der Zeit angepasst werden.» So liess Titti Qvarnström von einem Zuschauer der Chef Alps die Butter zum Brot frisch herstellen. Und das Kartoffelgericht war eine Kombination aus Ofenkartoffeln und Kartoffelchips. Auf die Crème fraîche kam etwas Chutney aus selbst gesammelten Vogelbeeren sowie etwas Rogen. «Wir wollen zeigen, wie etwas Einfaches mit der richtigen Technik zu etwas Speziellem wird.» Und etwas entschuldigend fügte sie an: «Wir können unsere Küche nicht mitbringen, man muss sie vor Ort geniessen.»
Und vor Ort in Südschweden tischte sie Gerichte auf mit Komponenten wie Stierhoden, karamellisierter Baumwolle und Heuschrecken. Und damit alles gegessen wurde, erfuhren die Gäste erst nach dem Essen online, was sie sich bei ihr einverleibt hatten. Doch das ist ihr zu wenig. Noch radikaler will sie werden. «Wir müssen uns und unsere Produkte der Welt zeigen. Und nicht warten, bis die Welt uns findet.»
Ähnlich tönt ihr Tipp für Frauen, die Karriere machen wollen: «Ihr müsst euch behaupten, euren Job, eure Position erkämpfen. Einfach so werdet ihr sie nicht erhalten. Sonst werden die guten Stellen weiterhin an Männer vergeben. Nur, weil sie dominanter, mehr von sich überzogen und hartnäckiger sind.»
(Sarah Sidler)