Madrid war für drei Tage Welthauptstadt der Gastronomie. Dort stand der Kochkongress Madrid Fusión unter dem Motto «no limits».
Nach den Terminverschiebungen in den beiden vergangenen Jahren, fand die Madrid Fusión wieder wie gewohnt im Januar statt. Der diesjährige Kochkongress registrierte mehr als 21 000 Besucher, die sich über den Stand der Dinge rund um die zeitgenössische Gastronomie informierten. Neben unzähligen Live-Kochpräsentationen gab es auf Nebenbühnen Workshops über Wein, Drinks, Gebäckzubereitung, technologische Innovationen, Forschungprojekte sowie neue Geschäftsmodelle. Das Ziel der Madrid Fusión Organisatoren ist nach wie vor, die kulinarische Avantgarde zu präsentieren und gleichzeitig die Küchen der Welt zusammen zu bringen. Dementsprechend wurde rege diskutiert und über gastronomische Themen nachgedacht.
«Avantgarde oder sterben», heisst der Leitspruch von Dabiz Muñoz vom Drei-Sterne-Restaurat Diver XO in Madrid (ES). Das Enfant terrible der spanischen Küche präsentierte auf der Kongressbühne vier Gerichte aus seinem aktuellen «Diver XO»-Menu, das er auf der Basis von geschätzten 300 Zutaten zubereitet. «Das Menu gleicht einem Orchester, bei dem man nicht weiss, welche Instrumente gerade spielen. Die Gerichte sind in sich geschlossene und unabhängige Geschichten, welche innerhalb des Menüs austauschbar sind», erklärt Muñoz seinen vielen angereisten Fans im Publikum. Für das erste von ihm präsentierte Gericht wird Spinat in einem löchrigen Wok gegart und dann auf Büffelmilchmozzarella angerichtet. Weitere Komponenten dieses Gerichts basieren auf Kaviar, Zitrusfrüchten, Saucen, Sprossen und vielem mehr. Der Schluss seiner Präsentation war eine Hommage an das unwiderstehliche Aroma einer fast gänzlich eingekochten Sauce am Kochtopfboden. Im «Diver XO» kommt dieses Gericht mit unzähligen weiteren Komponenten in einer kleinen Kasserolle auf den Tisch. Die Gäste können die Sauce mit Brot auftunken. Emotionen in Kombination mit Aroma geht kaum besser.
Als Gegenpol zu Dabiz Muñoz überbordenden Zutatenküche zeigte Pedrito Sánchez vom Ein-Sterne-Restaurant Bagá in Jaén (ES) Gerichte, die zur Hauptsache auf der Basis zweier Zutaten bestehen. Grüne Peperoni gefüllt mit Austern, Onsen-Ei mit Kokosraspeln, gereiftes und dünngeschnittenes Kuhfleisch an einer Vanillemarinade – so sind die Gerichte von Sánchez zutatenmässig aufgebaut. Sein dreiköpfiges Team kocht jeweils für acht Gäste, mehr Platz hat es im Restaurant Bagá nicht. Das Kredo für Sánchezs binäre Kompositionen lautet «viel mit wenig», beziehungsweise «weniger mit Nuancen ist mehr». Mit Nuancen ist vor allem sein gekonntes Spiel mit Temperaturen und Texturen gemeint.
Die poetischsten 30 Minuten Präsentationszeit kamen von Quique Dacosta vom Drei-Sterne-Restaurant Dénia in Alicante (ES). Der feingeistige Koch spickte seine Präsentation mit Filmausschnitten. In einer Szene kam der Maler Luis Feito zu Wort: «Es gibt Maler, die haben eine tolle Technik aber ihre Bilder sagen nichts aus». Diese Tatsache, so Dacosta, lasse sich auch auf Köche ummünzen und darüber nachzudenken lohne sich – speziell an einem Ort wie der Madrid Fusión.
Genügend Stoff zum Nachdenken gab es in den drei Tagen. Dies sowohl von den spanischen Köchen, als auch von den vielen internationalen Artisten am Kochherd. Da überzeugten vor allem der schwedische Feuerkoch Nicolai Tram oder der erst 32-jährige Vordenker der neuen Afro-Fusion-Cuisine Dieuveil Malonga aus Ruanda.
(Patrick Zbinden)