Keine Gäste, kein Umsatz. Doch der Zwei-Sterne-Koch steckt den Kopf nicht in den Sand. Er trainiert sein Team und bietet Heimen und Spitälern seine Hilfe an.
Euphorie pur bei Tobias Funke Anfang Februar. Michelin zeichnet sein Gourmetrestaurant Incantare im Gasthaus zur Fernsicht in Heiden/AR mit dem zweiten Stern aus. «Plötzlich hatten wir viel mehr Aufmerksamkeit als sonst. Wir erhielten Einladungen für nationale und internationale Events. Andere Spitzenköche meldeten sich zum Essen an und die Tisch-Reservationen verdoppelten sich.»
Tempi passati. «Events, Bankette, Hochzeiten..., ich habe in den letzten Tagen massenhaft Absagen geschrieben», sagt Tobias Funke. Ein Betrieb ginge ja noch, aber er führe in Heiden mittlerweile vier: zwei im Gasthaus zur Fernsicht, im Winter ein Fondue Chalet mit Eisfeld, das glücklicherweise schon Saisonschluss hatte, und ein Dorfrestaurant.
«Uns trifft es wie alle anderen in der Gastrobranche hart», sagt der Unternehmer und Spitzenkoch. Für seine 35 Mitarbeiter jetzt in der Zwischensaison habe er sofort Kurzarbeit beantragt. Es sei schwierig, sagt Tobias Funke. Aber: Kein Essen für Gäste zubereiten zu können, sei nicht gleichbedeutend für ihn, die Hände in den Schoss zu legen und zu jammern. Jetzt würden Ideen und Projekte angepackt, für die man sonst kaum Zeit hätte.
Zeit für Training in der Küche
So hat Tobias Funke seine Kochlernende des ersten und zweiten Ausbildungsjahres in kleine Gruppen eingeteilt, damit sie – natürlich nach neuen Hygiene-Auflagen – im Hinblick auf ihre Abschlussprüfungen trainieren. Ebenfalls in Kleingruppen trifft sich das Köche-Team des Gourmetrestaurants, um neue Rezepturen zu testen und Kombinationen mit Gewürzen auszuprobieren. Mit Kay Baumgardt, «Patissier des Jahres 2020», bereitet Tobias Funke Events vor, die im Herbst vorgesehen sind. Und dann will der Spitzenkoch endlich sein neues Milch-Projekt vorantreiben: «Ich habe Kontakt zu einem Bauern in der Region, dessen Milchkühe nur Gras fressen. In Zukunft will ich bei ihm Rohmilch einkaufen. Diese hat eine unglaubliche Aromatik, mit der ich in der Küche experimentieren will», so Tobias Funke.
Apropos Aromen. Schon länger sei er daran, eine eigene Gewürzlinie aufzubauen. Ein Kunde habe schon Produkte als Give-Aways bestellt. Dieser Auftrag falle nun zwar weg, dafür habe er jetzt Zeit, Neues zu entwickeln. Etwa eine Tomaten-Risotto-Mischung, die es bald über einen eigenen E-Shop zu kaufen geben soll.
Auf Abruf ins Spital als Koch oder Restaurationskraft
Vor wenigen Tagen hat Tobias Funke auf Facebook angekündigt, noch mehr tun zu wollen. Nicht für sich, sondern für andere. «Stay strong! Helfen, wo Hilfe gebraucht wird» heisst seine Aktion, mit der er sich und sein Team bei mehreren Spitälern und Heimen gemeldet hat. «Wir haben uns als Köche, Restaurationsmitarbeiter, aber auch Fahrer oder als Pflegehilfskräfte angeboten», so Tobias Funke. Nach einem Gespräch mit Verantwortlichen vom Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden werden ab nächster Woche je drei Mitarbeiter in die Spitäler nach Appenzell, Heiden und Herisau zum Einarbeiten geschickt. «Sollte die nächste schwere Coronavirus-Welle eintreffen, und es kommt zu Engpässen oder Ausfällen im Bereich Verpflegung und Service, stehen diese Mitarbeiter und ich dann auf Abruf bereit», so Tobias Funke.
(Jörg Ruppelt)