Digitales Marketing hier, Roboter da, Social Media dort – der technische Fortschritt der vergangenen Jahre in der Hotellerie ist gross. Vielfach bleibt da die persönliche Beziehung zwischen dem Gast und dem Gastgeber auf der Strecke.
Fritz Erni steckt sich eine Zigarre an und zieht an ihr. Aus der Louis-Bar hört man das Klavier, die Jazz-Klänge durchdringen den Rauch in der Hemingway-Lounge. Es ist später Donnerstagabend. Manch ein Hoteldirektor ist zu dieser Stunde längst zu Hause bei der Familie. Nicht so Fritz Erni. Der Direktor des Hotels Montana in Luzern arbeitet. Auch wenn es nicht so aussieht. Ein bisschen an der Zigarre nuckeln und mit einem Stammgast über Gott und die Welt philosophieren.
Wer sich im Internet bezüglich Gästebindung schlau machen möchte, stösst auf viel Spannendes. Es wimmelt geradezu von Tipps. Suchmaschinenoptimierung müsse man betreiben. Auf sozialen Plattformen wie Facebook und Instagram Emotionen schaffen. Anfragen und Feedbacks immer rasch und höflich beantworten. Und so weiter.
Es passt wohl zur heutigen Zeit, dass über ein bestimmtes Mittel zur Gästebindung im Internet kaum was zu finden ist: die persönliche Beziehung zwischen dem Gastgeber und dem Gast. Dabei ist sie gewiss die grösste Chance, sich in einem riesigen Markt abzuheben. «Die Gäste sind oft erstaunt, weil sie es nicht erwarten», erzählt Fritz Erni über die Zeit, die er sich nimmt, um mit Gästen zu plaudern. «Sie freuen sich über diese spontanen Gesten. Sie schaffen Nähe.» Der Schweizer Hotelier des Jahres 2017 nimmt gerne auch mal Gäste vom Restaurant Scala spontan hinunter in die Erlebnisküche Kitchen Club und lädt zum Portwein-Tasting und zum Käseplättli als gelungener Abschluss eines Abends.
Martin Schmidli ist Teilhaber beim Hotel- und Tourismus-Beratungsunternehmen Kohl & Partner. An der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern SHL unterrichtet er im fünften Semester Strategisches Marketing und Tourismus. Dabei spielt die persönliche Beziehung zwischen Gastgeber und Gast eine zentrale Rolle. «Ich bin der Ansicht, dass sich ein Hotel in der heutigen Marktsituation in der Ferienhotellerie mit einer starken, guten Beziehungsqualität Mehrwerte verschaffen kann.» Dies führe zu loyalen Kunden. «In unserer Branche kann man sich zum Glück noch durch persönliche Beziehungen zu den Gästen und mit einem interessanten Rahmenprogramm abheben. Nebst guten Produkten ist die Beziehungsqualität das A und O.»
Geeignet seien sportliche, kulturelle, kulinarische und andere kreative Aktivitäten oder Ausflüge. «Aber Achtung: Das Programm muss zum Hotel passen.» Von zwei Programmarten rät Martin Schmidli explizit ab: «Vorsicht: Keine gefährlichen Aktivitäten. Und bitte auch keine Programme, bei denen man dem Gast zu nahe kommt. Der Gast muss Kunde und der Hotelier Anbieter bleiben.»
Programm, das zum Hotel passt – das bietet Dario Cadonau an. Der Bündner ist Gastgeber und Koch im In-Lain Hotel Cadonau in Brail/GR. Seine Spitzenküche zeichnet der Guide Michelin mit einem Stern aus, von Gault Millau gibt es 17 Punkte. Doch während die meisten Gourmetköche keine Gäste in die Küche lassen, bietet Dario Cadonau seinen Gästen Kochkurse für maximal acht Personen unter seiner Führung an.
«Die Kochkurse laufen sehr gut, meist sind sie ausgebucht», verrät Tamara Cadonau, die das Hotel gemeinsam mit ihrem Gatten führt. «Die Gäste mögen den nahen Kontakt zu Dario und zum Küchenteam.» Die Kurse seien sehr persönlich gestaltet und bewusst in kleinem Rahmen gehalten. «Die Besucher können so richtig profitieren und müssen auch wirklich mitkochen. Wir bieten verschiedene Themen an und schreiben diese auf unserer Webseite aus.» Zusätzlich gehe zweimal jährlich ein Mail mit allen Angeboten an sämtliche Gäste.
Mittlerweile gäbe es Gäste, die wegen des Kochens mit dem Chef ins Hotel kämen. Tamara Cadonau: «Viele kommen wiederholt, um ihren Freunden und Verwandten zu zeigen, wo sie gekocht haben.»
Auch Patrick und Claudio Dietrich, Co-Gastgeber des Fünfsternehotels Waldhaus in Sils/GR geben sich nahbar. Zwei- bis dreimal während der Sommersaison laden sie ihre Hotelgäste zum Picknick ein. «Meist sind zwischen 30 und 50 Personen dabei. Das Publikum ist sehr durchmischt: Einzelpersonen, Paare, Familien, alle Alterskategorien sind vertreten.» Zum Picknick-Plätzchen führt eine Wanderung durch die Idylle des Oberengadins, bei der sich jeweils einer der beiden Dietrich-Brüder unter die Leute mischt. Wer nicht zu Fuss hin mag, wird auf Wunsch gefahren.
Aktivitäten mit dem Gast – für Rolf Bumann bedeutet dies nicht Spezialprogramm, sondern Alltag. Seit 27 Jahren führt er mit seiner Frau Daniela das Dreisternehotel Etoile in Saas-Fee/VS. «Animation ist unser Alleinstellungsmerkmal», erklärt Rolf Bumann. «Es ist der Grund, weshalb die Gäste zu uns kommen. Wieder und wieder.» Ski-Exkursionen, Nachtschlitteln, Schneeschuhlaufen, Eisstockschiessen im Winter, Wanderungen, Picknicks, Boccia-Turniere im Sommer. «Und wenn das Wetter schlecht ist, zeigen wir Bergfilme, machen Weindegustationen und Führungen durchs Museum.»
Dabei wachse nicht nur eine enge Bindung zwischen dem Gastgeber und seinem Gast. «Auch unter den Gästen entstehen Freundschaften. Sie sitzen dann am Abend zusammen. Das ist schön.» Doch damit nicht genug. Bei Rolf und Daniela Bumann ist jeder Abend ein Themenabend. Mal heisst das Motto «Insel der Träume», mal «Ewiges Eis». Dann werde der öffentliche Bereich des Restaurants aufwendig dekoriert, das Buffet dem Thema angepasst und die Gastgeber und das Team verkleiden sich. Sieben Abende pro Woche, sieben Themen.
«Wir wurden schon oft kopiert, aber wer das erfolgreich machen möchte, der muss es in letzter Konsequenz durchziehen», bemerkt Rolf Bumann. «Das bedeutet, dass sich das gesamte Hotelteam immer wieder verkleiden und in die Rollen eintauchen muss.» Unabdingbar sei auch die Präsenz des Gastgebers. Dies alles neben den klassischen Aufgaben eines Hoteliers. «Meine Frau und ich arbeiten beide je 110 Stunden pro Woche.»
Der Erfolg gibt dem Ehepaar recht: Diesen Winter lag die Bettenauslastung bei 95 Prozent. Während Gäste andernorts zwei bis drei, allenfalls vier Nächte bleiben, verweilt der durchschnittliche Gast im Hotel Etoile fünf bis sechs Nächte. «Einen Fragebogen muss bei mir übrigens keiner ausfüllen», sagt der 60-Jährige. «Vor lauter Programm mit meinen Gästen kenne ich praktisch jeden ganz gut.»
Aktivitäten mit Gastgeber und Gast eignen sich indes nicht nur für Feriengäste. Roland Tischhauser führt im Hotel Bad Bubendorf im gleichnamigen Ort in Basel-Land Wine & Dines durch – auch für Seminargäste ein willkommenes, spannendes Abendprogramm. Solche Abende schaffen bei Businessgästen tolle Erinnerungen, fördern das Teambuilding und gewähren branchenfremden Menschen Einblick in die Passion eines guten Gastgebers. Lauter Dinge, die Internet und Computer nicht schaffen, ein leidenschaftlicher Hotelier hingegen schon.
(Benny Epstein)
Vortrag zur Wertekultur
Auf Wunsch halten die Gastgeber in den Balance-Hotels von Felix Suhner (Schweizer Hotelier des Jahres 2016) kleine Vorträge zur Führungs- und Wertekultur des Unternehmens. Diese Erfolgsrezepte und Erfahrungen werden gerne mit Seminargästen geteilt.
www.balancehotels.ch
Kleiner Trick mit grossem Schlüssel
Naja, geht zwar nicht um die direkte Bindung des Hoteliers mit dem Gast, aber immerhin um die Kommunikation des Hotels mit dem Gast. Und der Tipp ist einfach viel zu gut, um ihn aussen vor zu lassen. «Montana»-Hotelier Fritz Erni verrät: «Wir haben immer noch den traditionellen Zimmerschlüssel mit einem grossen Schlüsselanhänger. So erreichen wir, dass der Gast auch immer mal wieder an die Réception kommt und wir das eine oder andere Wort mit ihm wechseln können.» Ge-ni-al!
www.hotel-montana.ch
Hobby und Job verbinden
Spektakulär geht es bei Andreas Furrer zu. Der Sohn der Walliser Hotelier-Legende Art Furrer ist CEO von vier Hotels auf der Riederalp. Seine Gäste führt er auf Wunsch mit dem Hubschrauber aus. Das Angebot: Erst zeigt er den Passagieren den Kanton aus der Luft, ehe er dann in den Weinkeller von Winzer Jean-René Germanier zur Degustation bittet. Dann geht es – wiederum per Hubschrauber – in die Weinberge zum Raclette-Essen. Damit bietet Andreas Furrer seinen Gästen ein einzigartiges Erlebnis und kann gleichzeitig seinem kostspieligen Hobby frönen – und die Flüge den Gästen verrechnen.
www.cultventure.ch
Geselliges Jassen – es muss nicht teuer sein
Dass es auch ohne aufwendige Dekorationen, ohne teure Heli-Ausflüge und ohne vertiefte Weinkenntnisse klappt, mit dem Gast gesellige Stunden zu verbringen, beweisen Walter Bareit und Fabian Zurbriggen. Bareit ist Hotelier in der Aroser «Alpensonne», Zurbriggen ist in selbiger Funktion im Wellnesshotel Zurbriggen in Saas-Almagell/VS tätig. Beide veranstalten in ihren Betrieben regelmässig Jassturniere, Bareit lädt jedes Jahr sogar zu mehreren Jasswochen. Hie und da spielt Bareit sogar mit.
www.hotelalpensonne.ch
www.wellnesshotel-zurbriggen.ch