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Der Umgang mit fremden Kulturen birgt Stolpersteine

Viele Menschen in der Schweiz leben direkt oder indirekt vom Tourismus. In manchen Ferienorten ist ein grosser Teil der Arbeitsplätze von den Touristen abhängig. Doch ist der Umgang mit Gästen, vor allem aus anderen Kulturen, zuweilen delikat. Meistens führt das gemeinsame Gespräch zu einer Lösung.

Menschen aus aller Welt besuchen die Schweiz, geniessen die schöne Landschaft und die sauberen Städte. An gewissen Orten sind es arabische oder asiatische Gäste, die scheinbar die Mehrheit der Touristinnen und Touristen ausmachen. Dieses Gefühl täuscht jedoch. Der grösste Teil, mit rund 21 Millionen Logiernächten jährlich, sind nämlich in der Schweiz wohnhafte Gäste. An zweiter Stelle stehen unsere nördlichen Nachbarn aus Deutschland. Sie generierten im letzten Jahr 3,7 Millionen Übernachtungen und gelten als wichtigster Auslandsmarkt für den Schweizer Tourismus. Zweitwichtigster Auslandsmarkt mit 3,1 Millionen Übernachtungen sind die USA .

Ins Auge fallen jedoch viele Gäste aus Asien oder den Golfstaaten. Vor allem darum, weil sie oft in Gruppen reisen. Laut Markus Berger, Leiter Unternehmenskommunikation bei Schweiz Tourismus ST, ziehe keine Region eine bestimmte Gästegruppe an. «Viele reisen zuerst einmal in bekannte Tourismusorte wie Zermatt, Luzern oder ins Berner Oberland.»


«Viele Chinesen essen am liebsten das, was sie bereits kennen.»

Christoph Suter, Executive Chef, Hong Kong Jockey Club


Weil es manchmal – wie jüngst in Lauterbrunnen/BE – zu Situationen kommt, in denen zu viele Menschen zur gleichen Zeit denselben Ort besuchen, publizieren viele Tourismusorte auf ihren Webseiten Verhaltensregeln für ihre Gäste. So heisst es beispielsweise auf der Internetseite von Interlaken Tourismus im Berner Oberland, dass die Gäste offen für die Traditionen und Werte der Region sein sollen: «Mache Dich vor Deiner Reise mit den Gepflogenheiten Deines Reiseziels vertraut und respektiere die Kultur des Gastlandes», ist auf Deutsch, Englisch und Französisch zu lesen. Oder die Gäste werden darum gebeten, das Privat­eigentum und die Schutzgebiete zu respektieren.

Die Tourismusorganisation hat ausserdem Kampagnen ins Leben gerufen, welche die einheimische Bevölkerung für den Tourismus sensibilisieren und die Willkommenskultur fördern sollen. Gemäss ihrer Strategie «Inter­laken 2030» setzt die Organisation verschiedene Sensibilisierungsmassnahmen um wie interkulturelle Workshops oder die bereits genannten Verhaltensregeln für die Gäste.

Die Kulinarik ist oft ein Stolperstein

Für Mitarbeitende in Hotels, Restaurants oder Bergbahnen hat ST zusammen mit Hotelleriesuisse eine Reihe von Broschüren herausgegeben, in denen die Gepflogenheiten von Gästen aus Asien, den Golfstaaten oder Indien beschrieben sind. Bei den meisten Gästen aus den genannten Ländern sowie jüdischen Gästen ist das Essen für die Hotels und Gastronomiebetriebe ein Knackpunkt.

«Vor allem Chinesen, die auf dem Festland leben, sind nicht sehr experimentierfreudig, was das Essen angeht. Hongkong-Chinesen sind fremdländische Küche gewohnt, auch weil sie öfters ­reisen», erklärt Christoph Suter. Der Executive Chef im Hong Kong Jockey Club in Hongkong (CN) lebt seit 25 Jahren in China. In ­ihrer Heimat essen die Chinesen in erster Linie Spezialitäten aus ihrem eigenen Land. Wenn sie auf Reisen sind, sei es für sie wichtig, dass ihnen beispielsweise ­chinesischer Reis serviert werde. Gastgeber in der Schweiz müssen ausserdem wissen, dass viele ­Asiaten an Laktoseintoleranz leiden und daher Milchprodukte schlecht vertragen.

«Viele Chinesen mögen italienisches Essen», erklärt Christoph Suter. Und mit französischen Weinen könne man ihnen eine grosse Freude bereiten. «In China sind französische Weine extrem teuer. In Europa hingegen können sich die chinesischen Reisenden diese Weine eher leisten», erklärt Suter.

Bei Gästen aus dem arabischen Raum oder jüdischen Gästen spielt die Religion eine wichtige Rolle bei der Wahl der Speisen. Bei muslimischen Gästen beispielsweise muss das Essen halal sein. Das heisst, dass Nahrungsmittel und Getränke frei von Blut, Schweinefleisch, Schweinefett und Alkohol sein müssen und die Tierschlachtung auf traditionelle islamische Methode erfolgt. Wenn kein Halal-Fleisch erhältlich ist, essen Muslime Fisch oder vegetarische Mahlzeiten.

Schulungen für den Umgang

Auch jüdische Gäste zu bewirten kann eine Herausforderung sein. Dabei spielt es eine Rolle, wie streng die Gäste die religiösen Speisegesetze einhalten, nach denen die Speisen koscher sein müssen. Streng religiöse Juden achten auf eine strikte Einhaltung, während säkulare Juden teils oder vollständig darauf verzichten. Um Missverständnissen vorzubeugen, bietet das jüdische Dialogprogramm Likrat Public Beratungen für touristische Institutionen und Einheimische in Tourismusdestinationen an. Aktuell läuft ein Projekt mit Likrat Public in Davos/GR. Iris – Likrat arbeitet nur mit Vornamen – ist eine sogenannte Likratina. Sie führt für das Dialogprogramm Likrat Public Beratungen durch. «Wir bieten auch für Hotels Schulungen im Umgang mit jüdischen Gästen an», erklärt Iris.


«Ein Rezept, das immer und überall funktioniert, ist der Dialog.»

Likratina Iris vom Dialog­programm Likrat Public


«Strenggläubige Jüdinnen und Juden essen praktisch nicht in konventionellen Restaurants», gibt die Likratina zu bedenken. Für ein solches Restaurant wäre es zu aufwendig, die Küche koscher zu machen. Daher rät sie den Gastronomen zum Beispiel, koschere Getränke wie Coca-Cola oder Red Bull und koschere Glacen sowie Snacks einzukaufen. «Die meisten jüdischen Gäste haben Verständnis dafür, dass es nicht gerne gesehen wird, wenn sie mit einer grossen Gruppe mehrere Tische besetzen und dann nur etwas trinken.» Eine Lösung sei zum Beispiel, ausserhalb der Terrasse Picknick-Tische aufzustellen, an denen die jüdischen Gäste ihr mitgebrachtes Essen einnehmen können. «Wenn sie im Restaurant die Möglichkeit haben, koschere Getränke oder Glace zu kaufen, machen sie auch Gebrauch davon.»

Menschen, die reisen, sind normalerweise offen gegenüber anderen Kulturen und Gepflogenheiten. Daher lohnt es sich, bei Unstimmigkeiten das Gespräch zu suchen. Häufig lösen sich Probleme dank eines Dialogs.

Achtung, Missverständnisse!

«Andere Länder, andere Sitten». Dieses Sprichwort gilt auch beim Umgang mit Gästen aus fremden Kulturen. In Tourismusregionen ist die Gefahr von Missverständnissen zwischen Gästen und Einheimischen gross. In einer Umfrage, die von Schweiz Tourismus und der Konferenz der regionalen Tourismusdirektoren der Schweiz in Auftrag gegeben wurde, kam heraus, dass mangelnder Respekt der Gäste gegenüber einzelnen Personen oder Familien, gegenüber der Natur und der Schweizer Kultur sowie der Lebensart zu Konflikten führen kann. Oft hat dies mit dem Unwissen der Gäste zu tun. Umgekehrt ist es wichtig, dass Personen, die mit Gästen aus anderen Kulturen zu tun haben, über die Gepflogenheiten in deren Ländern Bescheid wissen. «Ein Rezept, das immer und überall funktioniert, ist der offene Dialog», sagt Likratina Iris. Die Hemmschwelle, beispielsweise streng orthodoxe Juden anzusprechen, sei hoch. «Die meisten sind aber dankbar, wenn man sie nach ihren Wünschen fragt oder ihnen Alternativen anbietet, falls man ihre Wünsche nicht erfüllen kann.»

Ohne Familie geht nichts

Was viele Gäste aus anderen Kulturen eint, ist der ausgeprägte Familiensinn. «Chinesen reisen am liebsten mit der ganzen Familie und engen Freunden», erklärt Christoph Suter. Dasselbe gilt für Gäste aus dem arabischen Raum. Viele der arabischen Gäste reisen mit der Grossfamilie in die Ferien, ist in der Broschüre von ST zu lesen. Je nach Rang der Familie kann es sich im Extremfall um eine Gruppengrösse von bis zu 60 Personen handeln. Mit dabei sind Kinderbetreuerinnen, Sekretäre, Köche und Fahrer. Dies mache es für Hotels zuweilen schwierig, alle Mitreisenden unterzubringen, vor allem, weil man dabei auf die hierarchischen Verhältnisse achten muss.

Eine Besonderheit bei arabischen Gästen ist der Umgang mit Kindern. «Weisen Sie ein Kind nicht persönlich zurecht, sondern suchen Sie das Gespräch mit dem Vater oder einem älteren Familien­mitglied. Und informieren Sie in indirekten Bemerkungen über die geltende Hausordnung und das Verhalten der Kinder», ist in der Broschüre von ST und Hotelleriesuisse zu lesen.

Die Schweiz ist ein beliebtes Reiseland für Menschen aus der ganzen Welt. Die Gäste, vor allem aus fremden Kulturen, haben spezielle Bedürfnisse, denen man Rechnung tragen sollte. (Illustrationen Sonja Demarmels)

«Auch jüdische Gäste reisen oft am liebsten mit ihrer ganzen Familie, welche ebenfalls gross ist», erklärt Likratina Iris. «Meistens verreisen sie einmal pro Jahr, und dann möchte man die Familie geniessen.» Bei ihren Beratungen hat sie festgestellt, dass es immer wieder Diskussionen wegen der Kinderwagen gebe. «Viele jüdische Gäste wissen nicht, wie man das Gepäck in Bussen oder Bergbahnen richtig verstaut.» Daher seien sie auf die Unterstützung der Mitarbeitenden angewiesen und dankbar, wenn man ihnen Hilfe anbietet.

(Daniela OegerlI)


Besonderheiten im Umgang mit fremden Kulturen

Arabische Gäste

Bei der Konversation sollte man sowohl den Mann als auch die Frau ansprechen. Oft antworten ver­schleierte Frauen selbst und nicht ihre männlichen Begleitpersonen. Eine verschleierte Frau kann zwar mit ihrer Kleidung eine enge Verbundenheit zum Islam signalisieren, viele Frauen tragen den Schleier aber auch aufgrund gesellschaftlicher Normen. Viele arabische Gäste, insbesondere Frauen, verfügen über gute Englischkenntnisse. Zudem reisen arabische Feriengäste selten unter Zeitdruck. Daher können sich Pläne spontan ändern, und vielfach bleibt auch das Abreisedatum offen. In der Regel ist der arabische Gast auf einen längeren Aufenthalt eingestellt.

Indische Gäste

Ferien in der Schweiz gelten in Indien als äusserst erstrebenswert. Für Inder steht die Schweiz für ganz Europa und bedeutet vor allem auch «touch real Swiss snow». Beliebtestes Reiseziel für dieses Schnee-Erlebnis ist nebst dem Titlis auch das Jungfraujoch. Persönliche (Haus-)Angestellte sind in Indien in weiten Kreisen Standard. Viele indische Gäste gehen somit davon aus, dass man auch in den Ferien in gleichem Umfang bedient wird. Indische Gäste schätzen es, wenn sie nach ihrem Befinden gefragt werden. Dies kommt in ihrer Kultur gut an, und man wird als guter Gastgeber oder gute Gastgeberin weiterempfohlen.

Jüdische Gäste

Der Schabbat ist ein wichtiger Ruhetag in der jüdischen Religion. Dieser Ruhetag beginnt am Freitagabend mindestens eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang und endet am Samstagabend mit dem Einbruch der Dunkelheit. Jüdische Gäste sollten daher auf Bewegungsmelder für Licht oder automatische Schiebetüren von vornherein aufmerksam gemacht werden. Ein extra bereitgestellter Tisch für die Schabbatkerzen erhöht die Brandschutzsicherheit. Zudem sollten pragmatische und für alle ­Seiten gangbare Lösungen offen besprochen werden.

Chinesische Gäste

Die Nummer vier gilt in China als Unglückszahl. Daher sollte man es vermeiden, Chinesen eine Zimmernummer zu geben, welche eine vier beinhaltet. Dagegen sind die Nummern sechs, acht und neun Glückszahlen. Chinesische Gäste trinken zu jeder Tageszeit Tee oder heisses Wasser. Sie schätzen es, wenn sie einen elektrischen Wasserkocher oder eine Thermosflasche sowie eine Auswahl an Tees auf dem Zimmer vorfinden. Heisses Wasser und Tee werden in China häufig kostenfrei zum Mittag- oder Abendessen gereicht.


«Chinesische Gäste schätzen es, wenn der Gastgeber ihnen das Menü erklärt», Christoph Suter, Executive Chef, Hongkong


Mehr Informationen unter:

likrat.ch

hotelleriesuisse.ch

myswitzerland.com