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Ein Koch, der sieben Tonnen konserviert

Nicolai Nørregaard hat gelernt, die kurzen Sommer Dänemarks zu nutzen: Für seine Sternerestaurants geht er auf Insel Bornholm auf Zutatensuche.

Ameisensäure als Gewürz: Nørregaards süss eingelegter Kürbis mit fermentiertem Honig und Rosenblättern. (Chef Alps)

Nicolai Nørregaard nutzt alles, was seine Heimatinsel Bornholm hergibt. 150 Kilometer von Kopenhagen entfernt, inmitten der Ostsee, streift der Koch durch die Inselwiesen und Wälder auf der Suche nach der nächsten Zutat. Tannensprossen, Hagebutten, Flieder oder Rosen fermentiert, trocknet oder entsaftet er. Fisch pökelt, räuchert und mariniert er. So entstehen für sein Bornholmer wie auch für das Kopenhagener Restaurant Kadeau Gerichte wie geräucherter Lachs mit fermentiertem Tomatenwasser, Seetang-Cracker mit Apfel, Flieder, Makrele und verkohltem Knoblauch. Oder süss eingelegter Kürbis mit fermentiertem Honig, Rosenblättern und roten Waldameisen. «Die Ameisensäure verwende ich als Gewürz. Sie brennt auf der Zunge und gibt eine leichte Schärfe ab», erzählt Nørregaard, der am Cooking Summit «Chef Alps» in Zürich zu Gast war.

Mit der Küchencrew im Wald

Vor zwölf Jahren eröffnet der heute 39-Jährige mit Jugendfreund und Sommelier Rasmus Kofoed sein erstes «Kadeau» auf der Ostseeinsel. Bevor dieses 2016 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wird, eröffnet er 2011 einen gleichnamigen Betrieb in Kopenhagen. Dieses erhält voreinem halben Jahr seinen zweiten Michelin-Stern. Die beiden Gründer sehen sich in ihrem Konzept bestärkt und verkleinern den Betrieb von 72 auf 24 Plätze. Sie konzentrieren sich nun auf Details ihrer 20-Gang-Tasting-Menüs. «Schliesslich wollen wir dort mehr von unseren konservierten Produkten in der Küche verwenden», sagt der Däne. 

Jedes Jahr legt er mit seinem Team sieben Tonnen Lebensmittel ein. Wie schafft man das? «Ich ziehe mit meinem Vater los. Wir stöbern Pflanzen auf, ich schreibe ihm eine Liste, und er geht später mit seiner Partnerin auf Sammeltour», erzählt Nørregaard. Braucht er grössere Mengen, wird auch mal das gesamte neunköpfige Küchenteam des Kopenhagener Restaurants eingespannt. So wie für die Sonnenblumenernte. Aus den Kernen stellen er und sein Team Sirups und Öle her. Einmal die Woche verlässt eine Fuhre haltbar gemachter Lebensmittel die Insel Richtung Hauptstadt. 

«Das grösste Problem bei der Konservierung ist die kurze Saison. Die Produkte müssen im Glas reifen. Schmecken sie toll, kann ich sie erst im nächsten Jahr erneut einlegen. Das ist frustrierend», sagt der Sternekoch. Dabei werden einige Produkte erst mit der Reifung besser: So wie eingelegte Tannensprossen, die eine weichere Textur erhalten. Die Sprossen bilden im «Kadeau» das Topping für weissen, eingelegten Spargel mit Erbsensaft und Muschelbrühe. 

Der junge Nørregaard als Selbstversorger

Schaut man Nørregaard zu, fragt man sich, welcher Meister der Nordic Cuisine ihn inspiriert hat. Die Antwort ist: kein Sternekoch, sondern seine Familie. Und die Natur selbst. Der 39-Jährige hat nämlich keine Kochlehre absolviert. Stattdessen prägte der Grossvater den jungen Nørregaard: «Wenn ich an ihn zurückdenke, sehe ich ihn nur in der Küche. Beim Mittagessen war das einzige Thema, was es zum Abendessen geben könnte. Und beim Abendessen, was er am nächsten Tag wohl kochen wird.» 

Nørregaards Onkel hatte ein Smokehouse und brachte ihm bei, was es heisst, leidenschaftlich und ehrlich zu arbeiten – auch wenn es länger dauert. 

Der Däne wuchs mit einem starken Bezug zum Essen auf. Die Familie lebte in einer Art biodynamischer Hippie-Kommune als Selbstversorger. Der Partner seiner Mutter war zudem Vegetarier – vor 25 Jahren ein ungewöhnliches Konzept. Nørregaard experimentierte viel in der Küche und tut es heute noch.  

Ein gekochter Holzscheit

Nicht alle seiner Experimente enden auf der Karte, gibt der Chefkoch zu: «Einmal versuchten wir, ein Holzscheit zu kochen. Das ging schief.» Dafür passiert oft auch Unerwartetes. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass je schlechter eine Pflanze schmeckt, desto besser sie für fermentierten Tee geeignet ist. Rainfarn oder Knoblauchsrauke schmeckt roh furchtbar – fermentiert aber toll», bemerkt Nørregaard. 

Die Experimentierlust des Dänen ist dermassen gross, dass er nun eine Testküche aufbaut, um an neuen Techniken zu arbeiten. Auch die Konservierung möchte er ausbauen und eine kleine Fabrik auf Bornholm eröffnen. So hofft er, bald auch eigene Biere und Cidres produzieren zu können. 

(Anna Shemyakova)


Zur Person

Neben den beiden Restaurants Kadeau führt Nørregaard das Bistro Pony und das Restaurant Roxie im Hotel Herman K, beide in Kopenhagen. Zudem betreibt er das Bornholmer Hotel Nordlandet.