Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Ein Kurs gibt Geflüchteten ein Stück Normalität zurück

In Luzern werden geflüchtete Ukrainerinnen für das Schweizer Gast­gewerbe fit gemacht. Eine von ihnen ist Yulia Polishcuk.

Obschon Yulia Polishcuk (links) gelernte Köchin ist, freut sie sich, dass sie ein Küchenpraktikum machen kann. Die Arbeit lenkt sie vom Kriegsgeschehen in ihrem Heimatland ab und hilft ihr, in der Schweiz soziale Kontakte zu knüpfen. (ZVG)

Es ist zehn Uhr. In der Küche des Art Deco Hotels Montana in Luzern ist die Kochequipe daran, das Mittagessen vorzubereiten. Unter den Köchen und Köchinnen, die emsig Gemüse rüsten, Fleisch parieren und Raviolo füllen, fällt Yulia Polishcuk nicht auf. Die Praktikantin agiert wie ein Profi. Auf die Frage, ob sie gastgewerbliche Erfahrung hat, antwortet sie: «Ich habe acht Jahre in Odessa und Kiew als Köchin gearbeitet.» Dann kam der Krieg und Yulia Polishcuk flüchtete in die Schweiz, wo sie nun am Kurs Gastro Go Ukraine teilnimmt.

Kurs ist eine private Initiative

Ins Leben gerufen hat diesen Kurs Ron Prêtre. Er ist der Leiter Personal & Projekte im Hotel-Restaurant Sonnenberg in Kriens/LU. Unterstützt hat ihn dabei Adrian Rentsch, Leiter Ausbildung im «Sonnenberg» und Mitglied der Hotel & Gastro Union. Das «Sonnenberg» wird durch den Verein «The Büez» geführt. Dieser setzt sich für die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt ein, die physisch oder psychisch beeinträchtigt sind oder sich sonst in einer schwierigen Lebenssituation befinden. So wie derzeit die Menschen, hauptsächlich Frauen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind.

Finanziert wird der Kurs ­für Ukrainerinnen, die im Gast­gewerbe Fuss fassen wollen, durch den Verein «The Büez» sowie Gastro Luzern, Luzern Hotels und Partnerbetriebe. Zuschüsse von Bund und Kanton gibt es bislang keine, da der Flüchtlingsstatus S rückkehrorientiert ist. Im Kanton Luzern wird gerade eine Änderung vollzogen. Neu können auch Integrationsmassnahmen wie der Kurs Gastro Go Ukraine durch den Kanton finanziert werden.

Lieber kurz als gar nicht

Dass die Kursteilnehmerinnen eventuell nur kurz in der Schweiz bleiben werden, ist für Ron Prêtre kein Grund, sie nicht auszubilden. «Die Gastronomie braucht Leute, die in ihr arbeiten. Selbst wenn sie nur ein paar Monate im Einsatz sein sollten, lohnt sich ihre Ausbildung.» Ron Prêtre fügt an: «Kehren die Frauen in ihre Heimat zurück, haben sie bei uns etwas gelernt, was ihnen auch in Zukunft nützlich sein kann.»

Der Kurs für Ukrainerinnen mit Interesse an der Gastro­nomie dauert zehn Wochen. In den ersten zwei Wochen wird den Frauen  gastgewerbliches Grundwissen vermittelt. Zudem erhalten sie Sprachunterricht und individuelle Unterstützung zum Beispiel bei der Jobsuche. In den acht weiteren Kurswochen sind die Teilnehmerinnen jeweils zwei Tage im Unterricht sowie drei Tage in einem Praktikumsbetrieb. Je nach Interesse und Eignung absolvieren sie die praktischen Arbeiten in der Hauswirtschaft, im Service oder in der Küche.

Mehr als nur Wissensvermittlung

Yulia Polishcuk ist sehr dankbar für den Kurs. Für sie ist er viel mehr als eine Möglichkeit, ihren grossen Wissenshunger zu stillen. Die 25-Jährige sieht ihn als Gelegenheit, in der Schweiz soziale Kontakte zu knüpfen und ihre unterbrochene Berufskarriere wiederaufzunehmen.

«Wenn ich eine Arbeit habe, fühle ich mich selbständig und selbstbewusst. Das ist sehr wichtig für mich», sagt die junge Frau. Für die Zukunft wünscht sie sich vor allem eines: «Frieden für alle Menschen – in ihrem Herzen, in der Familie und zwischen Ländern.»

Praktikumsbetrieb mit Einfühlungsvermögen

Ihr Praktikum absolviert Yulia Polishcuk im Art Deco Hotel Montana in Luzern. «Wir unterstützen das Projekt Gastro Go Ukraine gerne», sagt Maxime Winz, Leiterin HR im «Montana». Sie könnte sich vorstellen, zukünftig Absolventinnen des Kurses fest einzustellen. «Deren Sprachkenntnisse müssten jedoch so gut sein, dass sie die Anweisungen ihrer Vorgesetzten im normalen Arbeits­alltag verstehen und selbständig umsetzen können.»

«Wir haben für unsere ukrainische Praktikantin extra einen neuen Arbeitsdienst eingeführt.»

Maxime Winz, Leiterin Human Resources Art Deco Hotel Montana, Luzern

In Yulia Polishcuks Fall sind nicht die Sprachkenntnisse das Problem, sondern ihr Wohnort. Sie lebt mit zwei ukrainischen Frauen und zwei Kindern in einer Wohngemeinschaft auf dem Land. «Nach der Abendschicht kommt Yulia nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause. Deshalb haben wir für die Dauer ihres Praktikums eine Sonderschicht von 9 bis 17 Uhr eingeführt», erklärt die Leiterin HR.

Frohe Botschaft

Der Kurs und das Praktikum sind noch nicht zu Ende und doch darf sich Yulia Polishcuk bereits über ein Happy End freuen. Sie hat vor wenigen Tagen eine Vollzeitstelle als Köchin in einem Hotel angeboten bekommen. Ihr erster Arbeitstag ist am 3. April.

(Riccarda Frei)


Mehr Informationen unter:

thebuez.ch