Im Februar hatte Carlo Crisci ein neues Kapitel aufgeschlagen. Dann kam Corona. Jetzt blüht sein «La Fleur de Sel» auf.
Die Auberge du Cerf in Cossonay/VD zählte zu den besten Restaurants des Landes. Ihr Chef Carlo Crisci galt als Vordenker der neuen «haute cuisine». 1982 kam er nach Cossonay und verbannte buttrige Saucen von seinen Tellern. Mit bunten, auf Gemüse, Kräutern und Olivenöl basierten Gerichten erkochte er sich zwei Michelin-Sterne.
Carlo Crisci erkennt die Zeichen der Zeit und stellt sein Schaffen immer wieder in Frage. Wie weit kann er seinem lange gehegten Wunsch nachgehen, alles zu vereinfachen?
Eine mögliche Antwort war vergangenen Herbst die Ankündigung, sein Restaurant vorübergehend zu schliessen. Was für viele Fans wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam, war jedoch von langer Hand geplant. Denn seit Monaten sprachen Carlo Crisci, Romain Dercile, sein Küchenchef, sowie François Gautier, Sommelier und Chef de service, über eine mögliche Nachfolge. Zu dritt definierten sie die neue Einfachheit.
Die beginnt mit Bauarbeiten und einem neuen Namen. So wird eine Trennmauer herausgeschlagen, was dem Raum mehr Volumen gibt und das Restaurant luftiger macht. Der Nüchternheit verpflichtet, wird auf Tischdecken verzichtet. Aus dem vornehmen «Le Cerf» wird das frische «La Fleur de Sel». Der alles entscheidende Punkt ist jedoch der Umfang der Speisekarte. Dieser reduziert sich auf ein Menü sowie einige wenige Klassiker. Auch die Preise werden reduziert. Romain Dercile, seit 2017 in Cossonay, kocht mit regionalen Produkten, versteift sich aber nicht darauf. So gibt es weiterhin Exklusives wie Jakobsmuscheln oder Langusten auf den Menüs. «Immer steht der Geschmack im Vordergrund. Mir ist auch wichtig, dass nicht zu viele Zutaten durcheinandergewürfelt werden», sagt der junge Franzose. Im «La Fleur de Sel» ist Einfachheit ein Synonym für Eleganz und Präzision.
Die kleinere Speisekarte hat eine weitere positive Auswirkung. Standen bei Carlo Crisci noch zwölf Köche am Herd, sind es unter Romain Dercile noch fünf. Der Mangel an Fachkräften und die Mitarbeiterkosten dürfen nicht ausser Acht gelassen werden.
François Gautier arbeitet seit 2002 als Sommelier mit Carlo Crisci. Sein Gesicht kennen die Gäste, wenn der ehemalige Patron nicht anwesend ist, weil er weiteren Projekten nachgeht.
Der Plan ist aufgegangen. «Die Stammgäste sind alle zurückgekehrt», freut sich Carlo Crisci, der seine Nachfolger noch fast täglich unterstützt. «Die Gäste geben nicht weniger Geld aus als früher. Dazu kommt, dass jetzt auch vermehrt Einheimische zu uns essen kommen.»
(Patrick Claudet/gab)