Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

In diesen Häusern haben Frauen das letzte Wort

Der 8. März ist international den Frauen gewidmet. In der Schweiz ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung weiblich. Dennoch sind Frauen auch im Gastgewerbe selten in Führungspositionen. Doch es gibt Ausnahmen, wie diese drei Porträts zeigen.

Das Erbe einer mutigen Frau hallt auf dem Hasliberg nach

Vintagehotel Gletscherblick, Hasliberg/BE

Michèle Hirsig hatte nie auf dem Radar, das Hotel ihrer Urgrossmutter zu führen. Es kam anders.

Als Elise Hirsig (1876–1967) im Jahr 1906 das Gasthaus zum Gletscherblick auf dem Hasliberg im Berner Oberland erbauen liess und 1907 die ersten Gäste begrüssen konnte, gab es den Internationalen Frauentag noch nicht. Dieser entstand als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Dabei ging es um die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen. Erstmals fand er 1911 statt. Also vier Jahre, nachdem Elise Hirsig ihr Hotel eröffnet hatte.

Pionierhafte Leistung

Auf dem Hasliberg gab es in jener Zeit noch keine Elektrizität. Die Gäste kamen mit dem Ruderboot über den Brienzersee und reisten mit der Pferdekutsche weiter. Das letzte Wegstück musste auf dem Rücken eines Esels bewältigt werden. «Meine Grossmutter war eine mutige Frau. Sie kam damals als noch Ledige auf den Hasliberg, verliebte sich in die Gegend und beschloss, dort zu bleiben», weiss Michèle Hirsig aus Familienerzählungen. Die Urenkeltochter ist nicht im Hotel aufgewachsen, sondern im zürcherischen Embrach. Als junge Erwachsene studierte sie Schauspiel und Kunstgeschichte. Dass sie heute das Hotel in vierter Generation mit der Unterstützung ihres Lebenspartners ­Simon Zeiter führt, ist ein Zufall. «Das Hotel wurde lange Zeit von der dritten Generation geführt, von meinen Tanten und Onkeln», erzählt sie. Als diese altershalber aufgeben wollten, sah sich die mittlerweile stark gewachsene Familie Hirsig um, eine familieninterne Lösung zu finden. «Ich beschloss, vorerst eine Saison einzuspringen», so Michèle Hirsig. Dann aber machte sie es so gut, dass aus der provisorischen Lösung eine definitive wurde.

Michèle Hirsig und Simon Zeiter sind seit 2019 im «Gletscherblick» präsent. Ihr Sohn Max ist den ganzen Tag über an der Seite der Eltern. (zvg)

Wer den «Gletscherblick» betritt, fühlt sich um Jahrzehnte zurückversetzt. Kissen, Stühle, Tische, Sofas: Alles erinnert an den Einrichtungsstil der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. «Wir renovieren zwar laufend während der Zwischensaisons, aber immer nur in kleinen Schritten. Dann kommen alle Familienmitglieder sowie unsere Freunde und helfen mit.» Damit der Gast weiss, was ihn im «Gletscherblick» erwartet, wird das Haus bewusst als Vintagehotel vermarktet. «Das ganze Haus atmet Geschichte. Wir haben sehr viel Material aus den verschiedenen Epochen und genauso viele Anekdoten zu erzählen.» Da ist zum einen die Erinnerungsgalerie an Astrid Lindgren, die mit der Gründerin Elise Hirsig eng befreundet war und oft im «Gletscherblick» zu Gast war.

Weitere Fotos erinnern an den Besuch von Ursula Andress und Jean-Paul Belmondo. «Die Mutter von Ursula Andress wohnte im nahen Meiringen», weiss Michèle Hirsig. Andere Erinnerungen sind die bemalten Türen im Altbau und zahlreiche Bilder an den Wänden. «Sie stammen von verschiedenen Künstlern, die im Haus übernachteten, ihren Aufenthalt nicht mit Geld bezahlen konnten und sich dafür künstlerisch verewigten», erzählt Michèle Hirsig. Sie fühlt sich sichtlich wohl im Hotel ihrer Familie, auch wenn sie hier nicht aufgewachsen ist. Auch ihr Aussehen mit einem asiatischen Touch erinnert nicht an den Hasliberg. Das hat seinen Grund: «Meine Mutter ist Chinesin», verrät sie. Und schiebt eine Anekdote nach: «Wer zum ersten Mal bei uns ist, vermutet, dass wegen meines Aussehens mein Partner Simon der Hausherr ist.» Dass ausländisches Blut in den Familienstammbaum eingeflossen ist,  ist ab der dritten Generation nichts Aussergewöhnliches: «Mein Grossvater hatte fünf Kinder, die er anhielt, sich einen einheimischen ­Ehepartner zu suchen.» Das fand ­jedoch kein Gehör, und sie verhei­rateten sich international. So stammen Onkel und Tanten von Michèle ­Hirsig aus England, Deutschland, Österreich und den Vereinigten Staaten.

Konstantes Wachstum 

Doch wie kam es zu diesen Nachkommen, wenn Elise Hirsig doch damals das Haus als ledige Frau aufbaute? 1908 heiratete sie Gottlieb Hirsig (1873–1922), einen weit entfernten Verwandten aus Argentinien. Die folgenden Jahre waren geprägt durch den harten Arbeitsalltag in einem Hotel. Dennoch stieg die Zahl der Gäste jährlich. Dadurch konnten 1954 eine Zentralheizung eingebaut und alle Zimmer mit fliessendem Wasser versehen werden. Der Betrieb konnte somit auch im Winter offen gehalten werden. Mit  dem Bau der Gondelbahn 1959 wurde der Hasliberg auch zu einem attraktiven Wintersportort. Wie schon 1964 durch den Anbau von zwölf Doppelzimmern wurde das Hotel 2004 erneut an die veränderten Bedürfnisse der Gäste angepasst mit acht Eigentumswohnungen und einer zeitgemässen Hotelküche.

Von all diesen Anpassungen profitiert Michèle Hirsig. Besonders am Herzen liegt ihr aber die Gastronomie. «Bei uns ist das meiste hausgemacht.» Die Karte ist klein, dafür speziell. So gibt es zwar ein Wiener Schnitzel, aber mit einer anderen Rezeptur. Das Gericht ist nicht klassisch paniert, sondern mit einer Panko-Sesam-Panade. Panko ist ein aus der japanischen Küche stammendes Paniermehl. Es wird aus Weissbrot ohne Kruste hergestellt.

Auch auf dem Frühstücksbuffet gibt es Ungewöhnliches. Zwar stehen dort selbstgemachte Konfitüren. Jedoch nicht aus den üblichen ­Beeren und Früchten hergestellt, sondern aus Tomaten, Trauben, Schokolade sowie einer Birnen-Ingwer-Mischung.

(Ruth Marending)


B2 Hotel, Zürich

Das B2 Hotel ist seit Beginn in Frauenhand

Aleksandra Bürgin war erst Executive Assistant im Haus, ging weg und ist nach fünf Jahren zurück als Direktorin.

Das Gastgeben hat Aleksandra Bürgin im Blut. Das ist bereits in den ersten fünf Minuten spürbar. Mitten im Gespräch springt sie spontan auf, um einer Frau zu helfen, als diese den Buggy die Stufe vom Restaurant in die Lobby hinunterschieben will. «Einer meiner Mitarbeitenden erzählt gerne, dass ich immer beide Ärmel hochgekrempelt habe», sagt sie.

Das Gastgebersein ist ihr in die Wiege gelegt worden. Aufgewachsen ist die 38-Jährige im elterlichen Gastronomiebetrieb bei Stuttgart (DE). Nach der regulären ­Schulzeit war für sie klar, in welche Richtung es gehen sollte. Sie absolvierte ein Bachelorstudium in Heidelberg (DE) in Betriebsökonomie mit Schwerpunkt Tourismus- und Hotel-Management. ­Es folgten Stationen in Luzern, Bern und Zürich. Nach ihrem Nachdiplomstudium HF Hotelmanagement startete sie 2015 als Front Office Managerin, später als Executive Assistant im B2 Hotel. Als die Zeit reif war, sich weiterzuentwickeln, prägte sie die Eröffnung des «Citizen M» in Zürich. 2021 übernahm sie die operative Leitung des Frutt Mountain Resorts in Kerns/OW. Als Martin Emch, CEO der Turicum Lifestyle Hospitality Management AG, zu der das Boutique­hotel B2 im ­Hürlimann-Areal gehört, sie Ende 2023 fragte, ob sie als General Manager zurückkehren möchte, überlegte sie nicht lange. Sie war bereit für den nächsten Karriereschritt.

Aleksandra Bürgin ist die vierte Hotelière des Hotels. (zvg)

Seit gut einem Jahr führt sie nun das Hotel mit grossem Engagement. «Die Kombination aus historischem Gebäude, modernem Interior und zeitgemässem Konzept lässt viel Raum für ein spannendes Storytelling», so Aleksandra Bürgin. Insgesamt 36 Mitarbeitende aus 15 Nationen sind für sie tätig. Sie fühlt sich von ihnen ernst genommen. «Da gab es noch nie Probleme.» Auch mit ihrem Kaderteam nicht. «Von den sieben Personen sind sechs weiblich, wobei für mich nicht das Geschlecht entscheidend ist, sondern die Fähigkeiten.» Für den Posten als Direktorin war für ihren Chef Martin Emch ebenfalls nicht das Geschlecht massgebend: «Aleksandra Bürgin hat wegen ihres Know-hows, ihrer Erfahrung und ihrer Persönlichkeit diese Position bekommen.»

(rma)


«Chesa Rosatsch», Celerina/GR

Die 29-jährige Rahel Meyer ist Gastgeberin in der «Chesa Rosatsch» in Celerina/GR.

Rahel Meyer, Sie leiten seit September 2023 die «Chesa Rosatsch». Wie sind Sie dazu gekommen?
Das Engadin war eigentlich bis August 2023 nicht auf meinem Radar als Arbeitsort. Ich wurde via Stellenvermittlerin auf Linkedin angeschrieben. Die Neugier war dann aber trotzdem da, weil die Ausschreibung des Betriebes spannend klang.

Was klang so spannend?
Was mich besonders gereizt hat und mich letztlich zum Wechsel ins Engadin bewog, waren die innovative Denkweise, der Drive und Mut des Betriebes, Veränderungen anzugehen. Und auch, dass Michael Stutz, der Inhaber der Betriebsgesellschaft, und ich die gleichen Werte vertreten. Dass das Engadin ein hervorragender Ort für Outdoor-Fans wie mich ist, war das Tüpfli auf dem i und hat meinen Entscheid bestätigt.

Rahel Meyer hat die SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern besucht. (zvg)

Was gefällt Ihnen am Haus?
Die Kombination vom typischen Engadiner Charme und der familiären Atmosphäre unter den Gästen und dem Rosatsch-Team. Dazu kommt die Innovationsbereitschaft, um die Gäste immer wieder neu zu überraschen. 

Jetzt in der Wintersaison sind Ihnen 34 Mitarbeitende unterstellt. Fühlen Sie sich von Ihnen akzeptiert?
Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, nicht akzeptiert zu ­werden. Ich versuche, die Werte Humor, Respekt, Fairness und Wertschätzung täglich vorzuleben. In der Regel kommt es so wieder zurück, wie es gesendet wird.


«Frauen führen häufig anders als Männer»


Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten? 
Ich liebe es, mit meinem Team ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Gäste umsorgt fühlen. 

Haben Sie als Frau Vorteile? 
Nein, ich denke nicht. Frauen und Männer haben oft ungleich ausgeprägte Charaktereigenschaften, Blickwinkel und Führungsstile. Entsprechend umgebe ich mich in einer Kaderposition gern mit Personen, die mich ergänzen.

(rma)


Mehr Informationen:

gletscherblick.ch

b2hotel.ch

rosatsch.ch