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Jürg Schmid «Ich bin voller Tatendrang»

Bereits zum zweiten Mal in seiner Amtszeit als Direktor verlässt Jürg Schmid Schweiz Tourismus (ST). Diesmal soll der Abschied für immer sein.

Jürg Schmid freut sich, dass er Schweiz Tourismus in einer Zeit des spürbaren Aufschwungs verlässt. (ZVG)

HGZ: Fällt Ihnen der Abschied leichter oder schwerer als im Jahr 2010?

Jürg Schmid: Nach 18 Jahren geht man nie leicht, sonst hat es an Identifikation und Leidenschaft gefehlt. Ein bisschen Wehmut ist da, und das ist gut so. Aber die Vorfreude, ich gründe ja meine eigene Marketingagentur, überwiegt.

Was reizt Sie am Neuanfang, und warum wagen Sie diesen Schritt erst jetzt?

Was heisst hier erst jetzt! Ich fühle mich voller Tatendrang und Neugier auf die eigenständige Tätigkeit. Ich bin seit jeher ein Vollblutmarketer und freue mich darauf, dies in Projekte einzubringen.

Ihr Nachfolger Martin Nydegger rückt innerhalb von Schweiz Tourismus auf. Sie kamen seinerzeit aus der Technologiebranche. War es für Sie ein Vor- oder Nachteil, ein Quereinsteiger zu sein?

Die Situation war damals grundlegend anders. Schweiz Tourismus musste neu ausgerichtet werden. Da half der externe Blick, aber vor allem das unparteiische, unvoreingenommene Vorgehen. Heute ist Schweiz Tourismus gut aufgestellt, hoch akzeptiert und definitiv kein Sanierungsfall mehr. Darum sind heute andere Qualitäten gefragt als damals.

Während dieser Jahre gab es nicht nur rosige Zeiten. Was hat Sie motiviert, immer am Ball zu bleiben?

Die Begeisterung für die jederzeit motivierenden Inhalte unserer Arbeit. Das eigene Land, die Marke Schweiz, in die Welt hinaustragen zu dürfen, ist ein Privileg. Wen das nicht motiviert, der muss weiterziehen.

Strukturwandel, Digitalisierung, Automatisierung – in der Branche hat sich viel verändert. Fluch oder Segen?

Es ist die Einstellung, die entscheidet, ob man aus einer Bedrohung eine Chance macht. So war der Frankenschock beispielsweise zuerst ein zerstörerisches Problem und doch hat er in der Folge den totalen Fokus auf Qualitätsverbesserung, Gästenutzen und Kostenoptimierung ausgelöst. Dieser «Fluch» hatte also auch einen Aspekt von «Segen». Trotzdem hätten wir diese Herausforderung gerne an uns vorbeiziehen lassen.

Gibt es Momente, an die Sie besonders gerne denken?

Als ich am 1. April 2009 morgens um sechs Uhr im Radiostudio von DRS 1 erklären durfte, dass wir ein tourismusrelevantes Problem mit der wachsenden Vogelpopulation haben. Dies, weil die Tiere unsere Berge vollkoten und wir darum dringend freiwillige Felsenputzer suchen – das war schon sehr cool. Mit diesem Aprilscherz haben wir weltweit eine Welle der Sympathie ausgelöst. 30 000 Personen haben den Eignungstest als Felsenputzer auf www.mySwitzerland.com absolviert und wollten in die Schweiz reisen, um unsere Berge zu säubern. Das war eine wuchtige Kampagne und eine der ersten Grosskampagnen – auch auf Facebook.

Gibt es Aufgaben, die Sie im Rückblick anders angehen würden?

Ich habe mich immer stark für Kooperationen eingesetzt und ST als nationale Kooperationsplattform gefördert. Unsere kleinstrukturierte, föderal organisierte Branche kann nur mit Kooperationen die Grössennachteile überwinden und international konkurrenzfähig sein. Stünde ich nochmals am Start, würde ich Kooperationen noch viel radikaler einfordern.

Wie werden Sie Ihren letzten Arbeitstag bei Schweiz Tourismus verbringen?

Mein letzter öffentlicher Auftritt ist am Seco-Tourismusforum, an dem ich über die Digitalisierung spreche. Damit schliesst sich ein Kreis: Ich kam von der Technologiebranche und schliesse mit einem Referat dazu bei ST ab.

Immer wieder wird bedauert, dass der Tourismus in Bern keine richtig Lobby hat. Wäre das keine Aufgabe für Sie?

Der Tourismus ist eine national strategische Wirtschaftsbranche. Er hat Zukunft. Und ja, er muss sich national lautstärker einbringen. Aber ich selber strebe keine politische Karriere an.

Was sollten Politik und Tourismus für die Zukunft beachten und besser machen?

Technologien wie Artificial Intelligence oder Virtual Reality bedeuten hohe Investitionen, die unsere kleinstrukturierte Branche an die Grenzen bringt. Daher gilt es, ganz neue Kooperationsformen zu entwickeln und das heutige Rollenmodell zu überdenken. Das heisst auch, dass es eine starke ST braucht, wofür sich die Branche geeint einsetzen muss.

Bitte vervollständigen Sie die folgenden Sätze. Wäre der Schweizer Tourismus ein Mensch, wäre er ...

... wunderschön und voller Emotionen.

Am meisten Spass bei Schweiz Tourismus machte(n) mir ...

... die Begegnungen mit Menschen. Wer im Tourismus arbeitet, muss Menschen lieben.

Am meisten vermissen werde ich ...

... das Schweiz-Tourismus-Team.

Von meinem Nachfolger erwarte ich ...

... dass er so bleibt, wie er ist.

In meiner Zeit als Direktor von Schweiz Tourismus habe ich Folgendes fürs Leben gelernt ...

Darüber werde ich die nächsten Wochen und Monate sinnieren.

(Interview Riccarda Frei)