Bereits zum zweiten Mal in seiner Amtszeit als Direktor verlässt Jürg Schmid Schweiz Tourismus (ST). Diesmal soll der Abschied für immer sein.
Jürg Schmid: Nach 18 Jahren geht man nie leicht, sonst hat es an Identifikation und Leidenschaft gefehlt. Ein bisschen Wehmut ist da, und das ist gut so. Aber die Vorfreude, ich gründe ja meine eigene Marketingagentur, überwiegt.
Was heisst hier erst jetzt! Ich fühle mich voller Tatendrang und Neugier auf die eigenständige Tätigkeit. Ich bin seit jeher ein Vollblutmarketer und freue mich darauf, dies in Projekte einzubringen.
Die Situation war damals grundlegend anders. Schweiz Tourismus musste neu ausgerichtet werden. Da half der externe Blick, aber vor allem das unparteiische, unvoreingenommene Vorgehen. Heute ist Schweiz Tourismus gut aufgestellt, hoch akzeptiert und definitiv kein Sanierungsfall mehr. Darum sind heute andere Qualitäten gefragt als damals.
Die Begeisterung für die jederzeit motivierenden Inhalte unserer Arbeit. Das eigene Land, die Marke Schweiz, in die Welt hinaustragen zu dürfen, ist ein Privileg. Wen das nicht motiviert, der muss weiterziehen.
Es ist die Einstellung, die entscheidet, ob man aus einer Bedrohung eine Chance macht. So war der Frankenschock beispielsweise zuerst ein zerstörerisches Problem und doch hat er in der Folge den totalen Fokus auf Qualitätsverbesserung, Gästenutzen und Kostenoptimierung ausgelöst. Dieser «Fluch» hatte also auch einen Aspekt von «Segen». Trotzdem hätten wir diese Herausforderung gerne an uns vorbeiziehen lassen.
Als ich am 1. April 2009 morgens um sechs Uhr im Radiostudio von DRS 1 erklären durfte, dass wir ein tourismusrelevantes Problem mit der wachsenden Vogelpopulation haben. Dies, weil die Tiere unsere Berge vollkoten und wir darum dringend freiwillige Felsenputzer suchen – das war schon sehr cool. Mit diesem Aprilscherz haben wir weltweit eine Welle der Sympathie ausgelöst. 30 000 Personen haben den Eignungstest als Felsenputzer auf www.mySwitzerland.com absolviert und wollten in die Schweiz reisen, um unsere Berge zu säubern. Das war eine wuchtige Kampagne und eine der ersten Grosskampagnen – auch auf Facebook.
Ich habe mich immer stark für Kooperationen eingesetzt und ST als nationale Kooperationsplattform gefördert. Unsere kleinstrukturierte, föderal organisierte Branche kann nur mit Kooperationen die Grössennachteile überwinden und international konkurrenzfähig sein. Stünde ich nochmals am Start, würde ich Kooperationen noch viel radikaler einfordern.
Mein letzter öffentlicher Auftritt ist am Seco-Tourismusforum, an dem ich über die Digitalisierung spreche. Damit schliesst sich ein Kreis: Ich kam von der Technologiebranche und schliesse mit einem Referat dazu bei ST ab.
Der Tourismus ist eine national strategische Wirtschaftsbranche. Er hat Zukunft. Und ja, er muss sich national lautstärker einbringen. Aber ich selber strebe keine politische Karriere an.
Technologien wie Artificial Intelligence oder Virtual Reality bedeuten hohe Investitionen, die unsere kleinstrukturierte Branche an die Grenzen bringt. Daher gilt es, ganz neue Kooperationsformen zu entwickeln und das heutige Rollenmodell zu überdenken. Das heisst auch, dass es eine starke ST braucht, wofür sich die Branche geeint einsetzen muss.
... wunderschön und voller Emotionen.
... die Begegnungen mit Menschen. Wer im Tourismus arbeitet, muss Menschen lieben.
... das Schweiz-Tourismus-Team.
... dass er so bleibt, wie er ist.
Darüber werde ich die nächsten Wochen und Monate sinnieren.
(Interview Riccarda Frei)