KI: Der richtige Zeitpunkt ist jetzt

«Wer heute noch ohne künstliche Intelligenz ein Hotel führt, verschenkt Zeit. Wertvolle Zeit für Gäste und Mitarbeiter», sagt Riccardo Giacometti. Für ihn ist klar: Die Hotellerie steht am Scheideweg. Nur wer sich auf KI einlässt, kann den Anforderungen an Effizienz und Service gerecht werden. Traditionelle Arbeitsweisen sind überholt – jetzt zählt automatisierte Präzision.

Luxushotellerie bedeutet das Management einer hochkomplexen Maschinerie. Was für die Gäste mühelos wirken soll, hält hinter den Kulissen alle auf Trab. KI-Experte und Hotelier Riccardo Giacometti hat renommierte Hotels weltweit geleitet, darunter das «St. Regis Langkawi» in Malaysia und das «Atlantis by Giardino» in Zürich. Während einige Manager noch in altgedienten Abläufen verharren, konzentriert sich Giacometti auf digitale Transformation, insbesondere auf KI, Datenanalytik und Automatisierung. Diese Technologien steigern nicht nur die Rentabilität, sondern geben Hotelteams Zeit zurück, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: die Menschen – sowohl Gäste als auch Mitarbeitende. Mit seiner Firma Cross Point Swiss Hospitality Lab hilft Giacometti Hoteliers, sich durch die Integration von KI neu zu erfinden, um Betriebsabläufe zu verbessern, das Personal zu stärken und das Gästeerlebnis auf ein neues Level zu heben. Giacometti warnt, dass Hoteliers, die diese Veränderung ignorieren, zurückbleiben werden.


Riccardo Giacometti, was hat Sie inspiriert, sich auf KI als Schlüssel zur Umgestaltung des Hotelbetriebs zu konzentrieren?
Schon Anfang 2010 stellte ich mir die Frage: «Was kommt als Nächstes?» Ich wollte verstehen, wie Technologien wie Datenanalyse, Blockchain und KI unser Geschäft verändern könnten. Der Wendepunkt kam, als ich das Hotel Seehof in Davos/GR kurz vor dem World Economic Forum interimistisch leitete. Wir hatten mehrere Schlüsselpositionen wie den F&B-Manager oder den Event-Manager nicht besetzt. Ohne KI wäre es fast unmöglich gewesen, alles zu organisieren und gleichzeitig ein hohes Serviceniveau zu halten. KI übernahm viele der administrativen Aufgaben, die mich normalerweise stark belastet hätten – von der E-Mail-Bearbeitung bis hin zur Eventplanung.

Inwiefern hilft KI konkret, die Hotel-Manager zu entlasten?
Nehmen wir das Beispiel der Personalplanung: Ein Hotelmanager verbringt Stunden damit, Dienstpläne zu erstellen, auf Urlaubsanträge einzugehen und sicherzustellen, dass ausreichend Personal für Stosszeiten vorhanden ist. KI analysiert historische Daten wie Gästezahlen, Saisonabhängigkeiten und Mitarbeiterverfügbarkeit und erstellt in wenigen Minuten einen optimierten Plan. Ein weiteres Beispiel ist die Finanzberichterstattung. Statt Daten manuell aus verschiedenen Systemen zu ziehen und Reports zu erstellen, kann KI dies automatisiert in Echtzeit tun. Diese Effizienzgewinne geben den Managern die Möglichkeit, sich auf strategische Aufgaben zu konzentrieren, die den Gästen und Mitarbeitenden zugutekommen.


«Was, wenn weniger Arbeit der Schlüssel zum Erfolg in der Hospitality-Branche wäre?»


Unterstützt KI Mitarbeitende auch bei einfacheren Aufgaben?
Absolut. Statt ein dickes Handbuch zu lesen, können sie den Bot fragen: «Wie mache ich den Tagesabschluss? Wie serviere ich Kaffee? Was muss ich bei der Autoübergabe beachten?» Das entlastet erfahrene Mitarbeiter und gibt neuen mehr Sicherheit.

Kann KI den Gästeservice verbessern, ohne die menschliche Note zu verlieren?
Natürlich. Während KI die Routineanfragen der Gäste automatisiert, schafft sie mehr Zeit für personalisierte Interaktionen. So beantworten Chatbots einfache Fragen oder verwalten Buchungen. Ein Chatbot kann 24/7 verfügbar sein, wodurch die Mitarbeitenden entlastet werden, damit sie den Gästen mehr Aufmerksamkeit schenken können, wenn es darauf ankommt.

Können Sie ein Praxisbeispiel nennen, wie KI den Hotelbetrieb revolutioniert hat?
Ein Beispiel, das ich oft zitiere, ist die Automatisierung der Personalplanung in einem Hotel in Frankfurt, das ich geleitet habe. Dort konnten wir die Personalkosten um etwa 25 Prozent senken – nicht durch den Abbau von Stellen, sondern durch die Reduzierung von Überstunden und Krankenständen. Und die Gäste profitierten von einem motivierteren Team. Ein weiteres Beispiel ist die Erstellung von Menüs für ein Restaurant. KI kann unter Berücksichtigung von Produktverfügbarkeit, Hotelkonzept und diätetischen Einschränkungen in Sekunden ein Menügerüst erstellen. Das spart dem Küchenchef viel Zeit. Auch die Preisüberwachung ist effizienter mithilfe von KI. So konnten wir Anomalien in Lieferungen erkennen – etwa wenn der Preis für ein Produkt plötzlich von der Norm abweicht. Durch diese Überwachung konnten wir schnell reagieren und Einsparungen erzielen.

Wie funktioniert KI im Bereich der Preisgestaltung und des Ertragsmanagements?
Ertragsmanagement basiert seit Jahren auf mathematischen Modellen, die Prognosen erstellen, wie sich Preise und Nachfrage entwickeln werden. KI geht noch einen Schritt weiter und kann eine Vielzahl an Daten analysieren, die über die klassischen Modelle hinausgehen – etwa Wetterdaten, Flugankünfte oder Veranstaltungen in der Nähe. Nehmen wir als Beispiel das Hotel in Frankfurt: Dort konnten wir durch die Analyse von Gästedaten und Faktoren wie Messen oder Events vorhersagen, wie viele Gäste tatsächlich im Restaurant zu Abend essen würden. Das führte dazu, dass wir den Personalbedarf präziser planen und Überstunden vermeiden konnten. Langfristig spart das nicht nur Kosten, sondern verbessert die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden.

Wie kann KI zu den Nach­haltigkeitsbemühungen in der Hotellerie beitragen?
KI kann einen enormen Beitrag zur Reduzierung von Food Waste leisten. Wer nur schon zwei Mülltonnen pro Woche von KI analysieren lässt, kann bis zu 55 000 Franken im Jahr sparen. KI kann aber auch den Energieverbrauch optimieren, indem sie das Heiz- und Kühlsystem basierend auf der tatsächlichen Belegung anpasst. Auch im Bereich des Einkaufs kann KI helfen, nachhaltigere Lieferanten zu finden oder den ökologischen Fussabdruck von Produkten zu bewerten. Dies hilft Hotels, nicht nur Kosten zu sparen, sondern auch umweltfreundlicher zu arbeiten.


«KI ist kein Ersatz für menschliche Interaktion – sie ist der Wegbereiter dafür.»

Riccardo Giacometti, Gründer Cross Point Swiss Hospitality Lab


Was sind die Herausforderungen bei der Implementierung von KI?
Der Mindset der Führungskräfte. Viele sind noch skeptisch gegenüber KI und befürchten, die Kontrolle zu verlieren oder nicht mehr alle Informationen in den Händen zu halten. Dabei geht es bei KI nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen. Ein weiteres Hindernis ist das fehlende Verständnis dafür, wie einfach KI mittlerweile zu implementieren ist. Es gibt die Vorstellung, dass KI teuer und kompliziert ist, aber tatsächlich kann man einfache Systeme schon für wenig Geld nutzen. Zum Beispiel können Hotels ihre internen Mitarbeiterhandbücher in ChatGPT hochladen, sodass Mitarbeitende jederzeit eine automatisierte Antwort auf Fragen erhalten: von der Bedienung des Kassensystems bis hin zur Abwicklung von Check-ins. Das spart Zeit und verbessert die Service-Konsistenz.

Sind die Hoteliers bereit für KI?
Bereit ja, aber etwa 65 Prozent der Hoteliers delegieren KI-Schulungen an ihre Mitarbeiter, anstatt selbst teilzunehmen. Das wird in zwei bis fünf Jahren zu Problemen führen.

Spätestens jetzt wollen sich viele neue KI-Tools besorgen.
Das ist nicht zwingend notwendig. Es ist viel cleverer, das Potenzial der Programme und Systeme zu nutzen, die wir längst haben. Word, Excel oder Reservierungs- und Kassensysteme – kombiniert mit künstlicher Intelligenz – können Unternehmen revolutionieren. Ich stelle jedoch oft fest, wie wenig diese Tools wirklich genutzt werden. Es fehlt nicht an Talent oder Motivation, sondern häufig an der Zeit, sich intensiver mit den Funktionen auseinanderzusetzen.

Wo sehen Sie die Risiken von KI?
Ein Problem ist die mögliche Verdrängung von Arbeitsplätzen, besonders im Verwaltungsbereich, wo viele Jobs durch Automatisierung ersetzt werden könnten. Zudem könnte KI die falschen Anreize setzen, da Hotelbetreiber oft auf Kosteneinsparungen fokussieren, statt die Zeitgewinne in die Mitarbeiterentwicklung und -schulung zu investieren.

Wie wird sich KI mittelfristig auf die Hotellerie auswirken?
KI wird die Art und Weise, wie Hotels geführt werden, revolutionieren. Die grösste Veränderung wird darin bestehen, dass KI uns mehr Zeit verschafft – Zeit, die wir für die wichtigen Dinge nutzen können, sei es für die Pflege von Gästebeziehungen oder die Weiterbildung unserer Mitarbeitenden. Aber KI ist kein Selbstläufer. Sie wird nur dann erfolgreich sein, wenn Führungskräfte sie als Unterstützung begreifen und aktiv in ihre Arbeitsabläufe integrieren. So denke ich, dass der Fokus in Zukunft wieder stärker auf den Menschen gelegt wird – auf die Gäste, auf die Mitarbeitenden, und ganz egoistisch, auf sich selbst.

(Andrea Decker)


Zur Person

Riccardo Giacometti ist ein Experte für die Luxushotellerie mit über 30 Jahren Erfahrung. Er unterstützt Hotelunternehmen bei der Digitalisierung, Datenanalyse und Kostenoptimierung. Giacometti hat weltweit als General Manager in Fünf-Sterne-Hotels gearbeitet und kombiniert Hotelmanagement mit moderner Technologie, um den Direktvertrieb und die Profitabilität von Hotels zu steigern. Er ist spezialisiert auf KI und innovative Geschäftspraktiken zur Opti­mierung von Hotelleistungen.

giacometti-consulting.com


Zahlen und Fakten

700 Stunden

pro Jahr können Mitarbeitende im administrativen Bereich dank KI pro Person einsparen – das sind täglich mehr als drei Stunden, die stattdessen Gästen, Kollegen und wichtigen Aufgaben zugutekommen.

KI hilft, den Personalbedarf präzise zu planen, was Überstunden und Leerlaufzeiten vermeidet und langfristig die Betriebskosten optimiert.

97 Prozent

Genauigkeit ist bei der Vorhersage von Gästeverhalten durch KI-Analyse gegeben. Das verbessert die Personalisierung von Angeboten.

20 Franken

pro Monat kostet die Bezahlversion von ChatGPT. Sie wird von vielen Hoteliers unterschätzt. Damit hat man bereits ein mächtiges Tool, um Prozesse zu optimieren und Zeit zu sparen.

Bis zu 73 Prozent der Aufgaben in administrativen und organisatorischen Bereichen können automatisiert werden – das steigert die Effizienz reduziert langweilige Routineaufgaben.

85 Prozent

der Anfragen am Front Desk können durch KI-basierte Chatbots unterstützt werden. Das gibt Mitar­beitenden mehr Zeit für die Gäste, die individuell ­beraten werden möchten.