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Markus Rose «Wir kreieren eine ‹empathische› Küche»

Lange stand er am Herd in Luxushotels und im Scheinwerferlicht. Jetzt kocht Markus Rose in Meilen/ZH, um seelisch erkrankte Menschen bei ihrem Genesungsprozess zu unterstützen.

Ernährung und Psyche gehen Hand in Hand: «Man ist, was man isst.» (ZVG)

Markus Rose, warum haben Sie der klassischen Gastronomie vor vier Jahren den Rücken gekehrt und in die Gemeinschaftsgastronomie gewechselt?
Nach 25 Jahren spannender, aber auch kräfteraubender Saisonarbeit sehnten meine Lebenspartnerin und ich uns nach einer beruflichen Veränderung mit alltagsverträglicheren Arbeitszeiten. Und da sie im Gesundheitswesen tätig ist, haben wir von der Stelle als Küchenchef in der Privatklinik Hohenegg in Meilen/ZH, einer Klinik für Psychiatrie, erfahren. Seit vier Jahren bin ich nun am Zürichsee.

... und glücklich, mit Ihren Gerichten Gutes zu bewirken?
Absolut. Ich möchte mein Wissen in die Küche der Klinik einbringen, um Patienten auf ihrem Weg zur Genesung und darüber hinaus zu begleiten. Wie ein Sprichwort so passend sagt: «Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.» Dieser Satz bringt die Philosophie unserer Küche auf den Punkt.

Fehlt Ihnen das Rampenlicht, das Sie als Executive Chef beispielsweise im Rahmen des St. Moritz Gourmetfestivals erleben durften?
Das waren unvergessliche Events mit grossartigen Momenten und Begegnungen. Aber der Glamour fehlt mir keine Minute. In meiner aktuellen Tätigkeit erfahre ich so viel Wertschätzung wie noch selten zuvor. Für die Patienten bin ich nicht einfach «der Koch», sondern Herr Rose, für den es das beste Kompliment ist, wenn ein Patient zu ihm sagt, dass ihm das Essen wieder Freude bereitet.

Demnach gibt es Unterschiede, ob Sie für Feriengäste oder für Menschen mit psychischen Erkrankungen kochen?
Richtig. Der Patient hat wenig Erwartungen. Oftmals ist essen für ihn nur Mittel zum Zweck. So isst ein Mensch mit einer depressiven Erkrankung, um irgendwie durch den Tag zu kommen. Der Gast der gehobenen Gastronomie stellt andere Anforderungen: Er will stets neu und mit noch nie Dagewesenem überrascht werden.

Wie kochen Sie für die Patienten?
Mein Team und ich kreieren Gerichte, die wir als «empathische Küche» bezeichnen: Speisen, die den Patienten mit allen Sinnen abholen, um ihn auf eine Reise mitzunehmen. Gerichte, die Erinnerungen an die Geborgenheit von Mutters Küche oder an tolle Ferien wecken. Und übrigens profitiert auch das Personal von der Ernährungsumstellung.

«Erfolg ist für mich, wenn ein Patient mir sagt, er habe wieder Freude am Essen.»

Aber gesund soll das Essen schon sein?
Die Nahrungsaufnahme ist einer der wichtigsten Überlebensfaktoren. Und die Wirkung von Nahrung auf die Psyche ist gemäss Forschern immens. Ich bin überzeugt, dass man sich ein gutes Lebensgefühl buchstäblich «anessen» kann. So vermittle ich an wöchentlichen Seminaren, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung mit frischen Zutaten zum Heilungsprozess der Patienten beiträgt. Dabei geht es auch um das «Wie». Wie achtsam isst man? Wie oft wird gekaut, bis der Bissen runtergeschluckt wird? Wann stellt sich das Sättigungsgefühl ein? Viele Erkrankte haben verlernt, darauf zu achten.

Woher nehmen Sie Ihr Wissen?
Ich habe Weiterbildungen besucht, informiere und bilde mich aber meist selber weiter. Meine Gerichte teste ich an mir selbst.

Lassen Sie Ernährungslehren in Ihr Kochen einfliessen?
Nicht strikt. Aber ich bediene mich beispielsweise der ayurvedischen Lehre. Dabei achte ich auf die sechs Geschmacksrichtungen süss, sauer, salzig, scharf, bitter, herb. Ich nutze bei der Zusammensetzung der Rezepte Zutaten, die Botenstoffe liefern, die unsere Emotionen regulieren.

Nennen Sie ein Beispiel?
Scharfe Speisen können uns in ein Hoch versetzen. Durch das Beissen in eine Chilischote aktiviert sich der darin enthaltene Wirkstoff Capsaicin, weshalb es sich anfühlt, als hätte man sich die Zunge verbrannt. Um das Brennen zu lindern, schüttet das Hirn Endorphine aus, die dem Betäubungsmittel Morphin ähneln. Während der Schmerz nachlässt, lösen Endorphine ein Glücksgefühl aus.

Woher beziehen Sie Ihre Zutaten?
Wir kochen regional und saisonal. Vom Metzger in Jona beziehe ich Schweizer Fleisch aus kontrollierter Aufzucht. Wir pflegen einen eigenen Kräutergarten, servieren Puschlaver Bio-Tee und zuckerreduziertes Müesli aus dem Tessin.

(Interview Andrea Decker)


Zur Person

Der Deutsche Markus Rose (49) hat einen Grossteil seiner Laufbahn in der Spitzenhotellerie im Engadin verbracht. Bevor er in die Privatklinik Hohenegg in Meilen/ZH kam, kochte er im Hotel Giardino Mountain in Champfèr/GR.