Wie gut ein Kaffee schmeckt, liegt bis zu einem gewissen Grad in den Händen der Baristi, die ihn zubereiten. Es ist nicht nur die Übung, die hilft, ganz nach oben zu kommen.
Seit der Revision der Berufslehre Restaurantfachfrau/-mann EFZ werden Lernende in einer von vier Ergänzungskompetenzen ausgebildet. Eine davon ist die Ergänzungskompetenz Jung-Barista. Ein Skill-Set, das die Branche gut gebrauchen kann.
Gut zwei Milliarden Franken erwirtschaftet die hiesige Gastronomie pro Jahr mit dem Verkauf von Kaffee. Dies ist einem Bericht zu entnehmen, den Ernst Knuchel von der Firma Fresh Coffee in Thalwil/ZH für das «Crema Magazin Schweiz» verfasst hat.
Eins der Unternehmen, das die Gastronomie mit Kaffee versorgt und zugleich etwas dafür tut, dass in den Cafés und Restaurants kompetente Baristi stehen, ist die Firma Henauer aus Höri/ZH. Diese bietet eintägige und zweitägige Barista-Kurse an. Jene, die tiefer in die Materie eintauchen möchten, melden sich für den zweitägigen SCA-Barista-Kurs Intermediate an. Dieser wird von Geschäftsführer Philipp Henauer durchgeführt. Henauer blickt auf eine langjährige Karriere als Coach zurück. Seine Coaching-Erfolge? Er hat 14 Baristi in verschiedenen Disziplinen im In- und Ausland zum Championtitel geführt. Hinzu kommen vier Aeropress-Meister. «Doch persönlich sind für mich alle Teilnehmenden ein Erfolg, weil sie den Mut hatten, auf die Bühne zu treten und ihre Show zu performen.»
Bis die Kandidatinnen und Kandidaten fit seien für den Wettbewerb, brauche es viel Übung. «Technische Fertigkeiten werden mehrmals wiederholt und verfeinert, damit die Abläufe später auch unter Stress immer noch spielerisch von der Hand gehen», nennt er ein Beispiel. Auch die Sensorik werde trainiert. Ziel sei es, dass die Kandidierenden ihren Kaffee in- und auswendig kennen. «Und auch verstehen, wie sie den Kaffee so extrahieren, dass die Aromen voll zur Geltung kommen», ergänzt Henauer. Denn um die Jury am Wettbewerb und den Gast im Restaurant zu überzeugen, sei Know-how gefragt. «Die Baristi müssen wissen, was sie servieren, wie der Kaffee extrahiert wurde und warum. Ich nenne das, Kaffee bewusst zubereiten und nicht einfach gedankenlos einen Knopf an der Maschine zu drücken», so Henauer.
Auch für den Australier Hugh Kelly, den derzeit drittbesten Barista der Welt, ist Hintergrundwissen wichtig, damit Gäste Kaffee auf hohem Niveau erleben können. «Das wiederum geht jedoch nur, wenn die Gäste auch dazu bereit sind», räumt er ein. Vor seiner Teilnahme an den World Barista Championship 2021 hat er sich mit der Hilfe von Wissenschaftlern, Produzenten, Röstern und anderen Baristi vorbereitet. «Doch es ist extrem schwierig, all das Wissen in 15 Minuten zu verpacken. Ich musste Informationen kürzen», sagt er. Allerdings sei am Wettbewerb sowieso wichtiger, wie der Kaffee schmecke. «Man muss die Jury auf emotionaler Ebene abholen und ihr danach Raum lassen, sich auf den Kaffeegenuss zu konzentrieren.» Unabdingbar, um als Barista auf Weltklasseniveau zu bestehen, sei zudem ein guter Gaumen. Alle technischen Details der Welt nüt-zen nichts, wenn man die Struktur und den Geschmack des Kaffees nicht verstehe. «Eine gute Grundbildung ist etwa Sommelier. Das hilft sicher, um zu brillieren.» Was darüber hinaus noch helfen kann, weiss Jurorin Nina Rimpl (siehe Interview).
(Désirée Klarer)
Nina Rimpl, Sie sind Vorstandsmitglied der Specialty Coffee Association sowie Trainerin bei der Firma Coffee Lab Zurich und zudem Jurorin diverser Kaffeewettbewerbe im In- und Ausland. Woher kommt Ihre grosse Hingabe zum Kaffee?
Ich hatte einen Onkel, der eine grosse Leidenschaft für Kaffee und die italienische Lebenskultur hatte. Sonntags ging es oft mit seinem italienischen Oldtimer zu italienischen Kaffeebars in München. Das hat mich fasziniert. Als ich dann mit Anfang 20 in Italien studierte, entdeckte ich die italienische Kaffeekultur noch stärker für mich. In Zürich schliesslich habe ich begonnen, das Handwerk zu leben und selbst als Barista zu arbeiten.
Und wie sind Sie dazu gekommen, als Jurorin zu amten?
Ich habe selbst zweimal an Meisterschaften teilgenommen. Im Jahr 2014 wurde ich sogar Schweizer Baristameisterin. Diese intensive Auseinandersetzung mit Kaffee war für meine Entwicklung sehr hilfreich. Ein Problem gab es allerdings: Ich hatte nicht genug Zeit, mich so gut vorbereiten zu können, dass ich auch auf der Weltbühne einen Topplatz hätte belegen können.
Sind Sie deshalb Jurorin geworden?
Genau, das hat mich dazu bewogen, die Seiten zu wechseln. Das war im Herbst 2014. Seither habe ich mich nie mehr gefragt, ob ich zurück auf die andere Seite des Prüfungstisches will.
Wie ist es als Jurorin, geht man da auch mit einer gewissen Aufregung an die Arbeit?
Ja, auf jeden Fall. Vor der ersten Kandidatin oder dem ersten Kandidaten sind alle Jurymitglieder aufgeregt. Und dennoch fokussiert zu bleiben, ist für unsere Arbeit unabdingbar. Nur wenn wir konzentriert bei der Sache sind, bemerken wir auch die kleinen Details und können Teilnehmende differenziert bewerten.
Wie gelingt es Ihnen, sich auf die einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten immer wieder neu und unvoreingenommen einzulassen?
Dazu benötigt es erst einmal eines: Aufmerksamkeit und eine hohe Konzentration. Das gilt für mich umso mehr, da ich meist das Amt des «Head Judge» innehabe, also für das gesamte Jurorenteam verantwortlich bin.
Was macht ein «Head Judge»?
Als solcher ist es meine Aufgabe, das Team zu leiten und im Falle von Unklarheiten Lösungen zu suchen. Daneben versuche ich, mangelnde Konzentration bei den Juroren zu erkennen, sie entsprechend darauf hinzuweisen, zu motivieren und wieder auf Spur zu bringen. Wenn ich zudem bemerke, dass bei einem Jurymitglied möglicherweise ein Vorurteil vorliegt, spreche ich das an. Dabei hilft mir meine Ausbildung zur Psychologin enorm.
Wie wird sichergestellt, dass alle Teilnehmenden nach denselben Massstäben bewertet werden?
Vor dem Wettbewerb treffen sich die Jurorinnen und Juroren zur Kalibrierung. Dabei wird auf das jeweilige Regelwerk eingegangen und mithilfe von Calibration Baristas wird auf sensorischer Ebene kalibriert. Die Bewertung für die Teilnehmenden soll schliesslich ein hohes Qualitätsniveau bieten. Auch am Wettbewerbstag selbst gibt es eine morgendliche Kalibrierung, um auch hier Referenzwerte festzulegen.
Wie verläuft die Bewertung während des Wettbewerbs?
Wir bewerten mithilfe von standardisierten Bewertungsbögen. Unsere Aufgabe ist, nicht nur zu benoten, sondern das Ganze mit verbalen Erklärungen zu ergänzen. Dies dient dazu, den Teilnehmenden nach dem Wettbewerb im Debriefing ein differenziertes Feedback geben zu können.
Inwieweit hat sich die Wettbewerbswelt im Kaffeebereich Ihrer Ansicht nach verändert?
Früher gab es Zucker bei der Baristameisterschaft, das ist heute ein No-Go. Der komplette Wettbewerb ist insgesamt professioneller geworden. Es steckt mehr akribische Vorbereitung darin als früher und der Wissensstand ist grösser. Zudem experimentieren Teilnehmende heute mit neuen Varietäten und Zubereitungsmethoden. Das setzt neue Massstäbe für Röster, Baristi, Kaffeebauern und die Specialty-Coffee-Szene insgesamt. Nur etwas hat sich nicht verändert: Es braucht alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette, um ein tolles Produkt zu erzeugen.
Nina Rimpl hat an der Universität Zürich unter anderem Wirtschaft und Psychologie studiert. Darauf folgte ein Psychologiestudium an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Derzeit ist sie nebst ihrem Engagement für Kaffee in diversen Funktionen bei Swisscom im Bereich Leadership und HR Development tätig.
Barista
In 15 Minuten sind vier identische Espressi, vier Cappuccini und vier Eigenkreationen zuzubereiten. Zugleich ist das Wissen des Baristasüber den von ihm verwendeten Kaffee gefragt. Beurteilt werden auch die technische Handhabung der Mühle und der Siebträgermaschine sowie die Arbeitstechnik und das Auftreten im allgemeinen.
Latte Art
Latte Art bezeichnet die Kunst, nur mit dem Giessen von Milch Sujets in die Tasse zu zaubern. Hierfür müssen die Teilnehmenden in maximal acht Minuten zwei identische Caffè Latte oder Cappuccini zubereiten. Zusätzlich dazu bereiten sie noch je zwei Espressi macchiati und zwei Eigenkreationen zu.
Cup Taster
Das ist eine anspruchsvolle Prüfung, an welcher die Teilnehmenden gefordert sind, über mehrere Runden aus jeweils acht Dreier-Sets jenen sortenreinen Kaffee zu identifizieren, der sich von den beiden anderen unterscheidet. Bewertet werden die Anzahl Fehler und die Zeit.
Brewers Cup
Beim Brewers Cup geht es um den klassischen Brühkaffee, welcher von den Teilnehmenden mit einer beliebigen Brühmethode zubereitet werden darf. Die Jury bewertet die sensorischen Eigenschaften des Getränks wie Geschmack und Aromen. Es geht um die perfekte Extraktion. Jeder Teilnehmer hat sieben Minuten Zeit, drei Tassen Kaffee separat zuzubereiten. Im Finale geht es darum, den Kaffee innerhalb von zehn Minuten zu präsentieren.
Coffee in Good Spirit
In maximal zehn Minuten werden folgende Getränke zubereitet und den Jurorinnen und Juroren serviert. Zwei identische Irish Coffees basierend auf Whisky, Zucker, Kaffee und Rahm. Anschliessend zwei identische warme oder kalte Eigenkreationen (Signature Drinks) auf der Basis von Alkohol und Kaffee. Bei deren Zubereitung dürfen beliebige Zutaten verwendet werden.
Die Informationen stammen allesamt von der Website der Specialty Coffee Association.