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Pilze: Weder Tier noch Pflanze

Pilze sind nicht nur unersetzlich für das Ökosystem des Waldes, auch bei der Herstellung von Lebensmitteln wie Käse, Bier oder Brot sind sie nicht wegzudenken. Unter idealen Bedingungen lassen sie sich sogar selber züchten.

Wer an Pilze denkt, sieht einen Waldboden, auf dem Fliegenpilze, Pfifferlinge oder Steinpilze spriessen. Bei der Firma Pilzchef in Effretikon/ZH gedeihen die Pilze in Kunststoffbeuteln auf Regalen aus Metall. «Wenn man im Wald sieht, unter welchen Bedingungen Pilze wachsen, kann man sich kaum vorstellen, wie anspruchsvoll die Pilzzucht ausserhalb ihres natürlichen Lebensraumes ist», erklärt Lorenzo Falcone. Der Jungunternehmer hat vor zwei Jahren die Firma Pilzchef gegründet. Er und sein Mitarbeiter Luc Huguenin züchten insgesamt acht verschiedene Sorten Pilze. Im Moment produzieren sie 400 Kilogramm pro Monat. Ihr Ziel ist, die Produktion weiter zu steigern.

Jugendtraum erfüllt

Lorenzo Falcone ging als Kind mit seinem Vater Pilze sammeln. «Schon damals haben mich diese Lebewesen, die weder Tier noch Pflanze sind, fasziniert.» Nach seiner obligatorischen Schulzeit hat er Forstwart gelernt. Dank dieses Berufes lernte er den Wald besser verstehen. Den Ausschlag, selbst Pilze zu züchten, gab ein spezieller Fund. Er habe vor ein paar Jahren während der Ferien im Engadin eine Lorchel gefunden. Das ist eine giftige Morchel. «Erst beim genauen Hinschauen erkannte ich den Pilz, zuerst dachte ich, es sei eine Morchel. Darum setzte ich mich noch intensiver mit Pilzen auseinander», so Falcone.

Er beschloss, selbst Pilze zu züchten. In seiner Garage hat er eine vollautomatische Anlage installiert, mit der er die Zucht aufbauen konnte. Das nötige Wissen hat sich Lorenzo Falcone über das Internet sowie mittels Fachbüchern beschafft. Mittlerweile wachsen die Pilze nicht mehr in der eigenen Garage, sondern in einer Industriehalle. Dass die Pilzzucht auf Anhieb funktioniert, wäre Wunschdenken gewesen. «Ich habe einiges ausprobiert und vieles hat nicht funktioniert. Aufgeben war jedoch keine Option», erklärt der Pilzzüchter. Seit April 2023 tüftelt der Lebensmittelwissenschaftler Luc Huguenin zusammen mit Lorenzo Falcone. Dank seiner fundierten Kenntnisse aus der Wissenschaft konnten die beiden einige Abläufe verbessern und das Verfahren professionalisieren. Eine Herausforderung ist beispielsweise, das richtige Substrat herzustellen. «Wir haben ein eigenes Rezept entwickelt, welches für uns sehr gut funktioniert.» Für die Pilz- oder Körnerbrut mischen sie Weizen oder Roggen mit Wasser. Dabei sei die richtige Menge an Wasser entscheidend.

Quelle Pilzchef GmbH

Pilze aus dem eigenen Garten

Es ist auch möglich, Pilze im eigenen Garten zu kultivieren. Verschiedene Firmen verkaufen Holzdübel, die mit Pilzsporen beimpft sind. Dieser Pilzdübel ist ein mit Pilzgeflecht (Myzel) durchwachsenes Holzstäbchen, das vorgängig in einem sterilen Verfahren mit dem Pilz geimpft und für wenige Monate gelagert wurde. Diese Dübel schlägt man in vorgebohrte Löcher in Buchen- oder Ahorn-Rundhölzer. Das Pilzholz muss danach etwa vier Monate lang gelagert werden. Während der Lagerung durchwächst das Pilzmyzel das ganze Holzstück. Danach wird das Rundholz ausgepflanzt. Dann dauert es immer noch zwischen zwei Monaten und einem Jahr, bis man Pilze ernten kann. «Die Pilzzucht ist zwar sehr spannend, aber sie braucht auch viel Geduld», erklärt Christoph Aeschlimann, Geschäftsführer von Pilzland GmbH in Thörigen/BE.


«Für eine gleichbleibende Qualität der Pilze braucht es ideale hygienische Voraussetzungen.»

Lorenzo Falcone, Gründer und inhaber der Firma Pilzchef


Aeschlimann und sein Team bieten auch Kurse an, in denen man lernt, worauf man bei der Pilzzucht achten muss. «Obwohl Pilze, wenn sie am richtigen Ort gedeihen, keine grossen Ansprüche stellen, kann man bei der Zucht doch einiges falsch machen», sagt der 42-jährige Landwirt. Sein Unternehmen verkauft auch bereits durchwachsene Rundhölzer, die am richtigen Ort ausgepflanzt werden müssen. Und für alle, die gar keine Geduld haben, verkauft Pilzland frische Shiitake-Pilze aus eigener Zucht.

(Daniela Oegerli)


Der Wachstumszyklus der gezüchteten Pilze

1. Klonung

Ein kleiner Teil aus dem Inneren des gewünschten Fruchtkörpers (A) wird herausgeschnitten und auf ein steriles Nährmedium, eine Petrischale (B), gelegt. Um eine Kontamination durch andere Pilze, Bakterien und Viren zu verhindern, finden jegliche Arbeitsschritte bis zur Fruchtung (6.) in einem Reinraum statt.

2. Fest zu flüssig

Der Pilz hat nach kurzer Zeit die Petrischale mit Myzel durchwachsen und braucht nun neue Nährstoffe. Dafür wird ein Teil der durchwach­senen Petrischale herausgeschnitten und in eine sterile, flüssige Nährstofflösung (C) gegeben. Die sogenannte Flüssigkultur bietet dem Pilz die Möglichkeit, sich dreidimensional auszubreiten und dem Myzel, sich zu vermehren.

3. Injektionsspritze

Sobald die Flüssigkultur mit Myzel durchwachsen ist, wird sie für die Weiterverwendung in sterile Spritzen (D) aufgezogen.

4. Injektion

Mittels der mit Myzel gefüllten Spritzen wird nun eine sterile Körnerbrut (E) beimpft. Die Körnerbrut besteht aus Weizen- oder Roggenkörnern und Wasser. Dieses Nähr­medium ist für die Stärkung und anschliessende effiziente Beimpfung des Holzsubstrats (F) notwendig.

5. Beimpfung

Nachdem die Körnerbrut komplett mit Pilzmyzel durchwachsen ist, können mit ihr entweder weitere Körner­bruten (zur Vermehrung) oder Holzsubstratsäcke (F) beimpft werden.

6. Fruchtung

Das in einem dunklen, warmen Raum durchwachsene Holzsubstrat wird nun gefruchtet (G). Dafür wird der Sack auf einer Seite aufgeschnitten und in den Fruchtungsraum gestellt. Sobald der Pilz den höheren Sauerstoffgehalt, die hohe Luftfeuchtigkeit, den Temperaturunterschied und den Lichteinfall registriert, fängt er an, seine Fruchtkörper zu bilden.

7. Kreislauf

Etwa acht Wochen nach der Klonung (1.) beginnt der Prozess mit den entstandenen Fruchtkörpern wieder von vorne. Mit der gezielten Auswahl gewisser Frucht­körper für die Klonung kann der Pilz trainiert werden. Der Pilz kann an gewisse Rohstoffe oder Kontami­nati­onen gewöhnt werden und lernt, damit umzugehen.


Ulmenseitling

Der weiss-beige Ulmenseitling (Hypsizygus ulmarius) wird häufig mit einem Austernseitling verwechselt. Zwar kann er in der Küche auf dieselbe Weise verwendet werden, seine Fruchtkörper sind jedoch etwas grösser und geschmacklich intensiver. Der Ulmenseitling gedeiht in den Wäldern von Nordamerika, ­Europa und Asien. Studien aus Indien haben ergeben, dass er entzündungs­hemmende, antioxidative, krebshemmende und antidiabetische Eigenschaften aufweist.  

Nährstoffe

Der Ulmenseitling enthält Ballaststoffe, pflanzliche Eiweisse, B-, C- und D-Vitamine, Kalzium, Eisen und Phosphor.

Zitronengelber Austernseitling

Das Spezielle an diesem Austernseitling (Pleurotus citrinopileatus) ist seine Farbe. Dieser Pilz, der ein fruchtiges und nussiges Aroma aufweist, ist gelb. Der Zitronengelbe Austernseitling passt gut auf einen Salat. Geschmacklich erinnert er an Cashew-Nüsse. Ausgezeichnet schmeckt er scharf angebraten mit etwas Pfeffer und Salz. Der Zitronenseitling wächst vorwiegend in Russland, Afrika und Asien. In der traditionellen Chinesischen und Japanischen Medizin gilt er auch als Vitalpilz. 

Nährstoffe

Der Zitronengelbe Austernseitling enthält die Vitamine A, B1, B2, B3, C, D sowie Mineralien und mehrfach ungesättigte Fettsäuren.

Igelstachelbart

Der Igelstachelbart (Hericium erinaceus) ist auch unter den Namen Löwenmähne und Affenkopfpilz bekannt. Er ist ein vorzüglicher Speisepilz und in Asien sehr beliebt. In der traditionellen chine­sischen Medizin wird er zur Stärkung der Verdauungsorgane und der Leber eingesetzt. Sein Aroma ist vielschichtig und komplex. Der Biss ist zart und gleichzeitig fest wie Poulet. Auseinandergezupft kann der Pilz wie «pulled pork» verwendet werden.

Nährstoffe

Der Igelstachelbart verfügt über B-Vitamine, Vitamin D, Mineralstoffe und Spurenelemente wie Kalium, Kalzium, Eisen, Selen, Germanium, Kupfer und Zink.

Königsblauer Austernseitling

Der Königsblaue Austernseitling (Pleurotus Ostreatus – Hybrid) ist eine Kreuzung des blauen Austernseitlings, der ihm seine bläulich-graue Farbe verleiht und des Ulmenseitlings, von dem er seine fleischige Konsistenz hat. Mit seinem grossen Fruchtkörper, seiner fleischigen Konsistenz und dem mild-erdigen Geschmack eignet er sich hervorragend als veganes Schnitzel. Er wird in der asiatischen Küche häufig Suppen und Eintöpfen beigegeben. Da er eine Kreuzung ist, kommt er in der Natur nicht vor.

Nährstoffe

Der Pilz enthält die Vitamine A, B, B1, B3, B5, B12, C, D, D3, D5 sowie Folsäure und ist eine ausgezeichnete Quelle für Eiweiss.

Schwarzer Perlenseitling

Der schwarze Perlenseitling (Pleurotus ostreatus – Hybrid) ist ein in Japan gezüchteter ­Hybrid zwischen einem europäischen Kräuterseitling und einem asiatischen Austern-Seitling. Er ist trotz seiner dunkleren Farbtöne sehr auffallend. Wie für Austernpilze typisch, ist er sehr fleischig, jedoch spürbar zarter als der herkömmliche Kräuter­seitling. Sein Geruch ist aromatisch holzig, der Geschmack umami und gleichzeitig etwas süsslich. Im Nach­geschmack ist er leicht pfeffrig. Auch der Stamm bleibt angebraten schön zart und geschmackvoll. 

Nährstoffe

Der Pilz verfügt über Vitamin B1, B3, B12, C, und D, Eisen, Kalzium, Potassium und Selen.

Sakura Austernseitling

Der äusserst auffallende Sakura Austernseitling (Pleurotus djamor) ist eine Zuchtform des ­Rosenseitlings. Man findet ihn in tropischen Regionen Südamerikas und Südostasiens. Beim Erhitzen schlägt sein kräftiges Rosa in rot-braune Farbtöne um und sein Aroma verstärkt sich markant. Sein Geschmack erinnert an Meeresfrüchte, scharf angebraten an Speck oder Schinken. Grundsätzlich ist er würzig und intensiv. Der Sakura Austernseitling ist schön anzusehen und schmeckt ausgezeichnet. 

Nährstoffe

Der Pilz liefert auch wertvolle Nährstoffe wie Folsäure, Vitamin C und Vitamin B-Komplexe sowie pflanzliche Eiweisse.


«Selber Pilze zu züchten, braucht viel Geduld»

Christoph Aeschlimann, wie sind Sie dazu gekommen, Pilze zu kultivieren?
Meine Frau und ich betreiben im Oberaargau einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milch­wirtschaft und Ackerbau. Ich wollte etwas Nicht-Alltägliches produzieren, darum begann ich, Pilze zu züchten.

Was fasziniert Sie persönlich am meisten an der Pilzzucht?
Die Pilzzucht unterscheidet sich gänzlich vom Kultivieren anderer Pflanzen. Die Pilze wachsen dann, wenn für sie die Bedingungen stimmen. Ausserdem bedeutet Pilzzucht viel Laborarbeit, das ist eine Arbeit, die ich sonst nicht machen muss, daher finde ich es sehr spannend.

Ist es für Gastronomen möglich, selber Pilze anzubauen?
Es ist zwar nicht voraussehbar, wann die Pilze jeweils wachsen, daher muss man sie dann verwenden, wenn sie da sind. Ich denke aber, für Restaurants ist das machbar. Bei uns kann man entweder Impfdübel oder fertig geimpfte Holzstämme kaufen. Zudem bieten wir Kurse für die Pilzzucht an .

Wo liegen bei der Pilzzucht die grössten Herausforderungen?
Pilze brauchen wenig Pflege. Entscheidend für das Wachstum ist, dass sie sich am richtigen Standort befinden. Es muss warm sein, nicht zu feucht, aber auch nicht zu trocken, damit sie wachsen können. Und das Wichtigste ist, dass man Geduld hat.

Welche Pilze eignen sich am besten für die Zucht zu Hause?

Seitlinge sind ideale Pilze, um sie selber zu züchten. Beispielsweise Zitronenseitlinge oder Austernseitlinge funktionieren sehr gut. Kräuterseitlinge hingegen eignen sich nicht für die Zucht im eigenen Garten.


Zur Person

Christoph Aeschlimann (42) führt zusammen mit seiner Frau in Thörigen/BE einen Land­wirtschaftsbetrieb mit Ackerbau und Milchwirtschaft. 2019 übernahm er zusammen mit zwei Geschäftspartnern die Pilzland GmbH.


Mehr Informationen unter:

pilzchef.ch

pilzland.ch