Karriere machen, ist auf viele Arten möglich. Diese drei aussergewöhnlichen Frauen zeigen, wie sie in der Gastronomie erfolgreich Fuss fassten. Und möchten damit weiteren Gastronominnen Mut machen.
Geld macht mich nicht glücklich. Menschen zu helfen hingegen sehr.» Mit diesen Worten erläutert Asma Khan ihre Philosophie. Die mehrfach ausgezeichnete Küchenchefin ist Inhaberin des Restaurants Darjeeling Express in London sowie Geschäftsführerin der Stiftung Zweite Tochter. Asma Khan ist in der indischen Stadt Kalkutta aufgewachsen und wurde schon als Kind mit dem Elend vieler Menschen, besonders der Frauen konfrontiert.
Als sie Jahre später in London die Gelegenheit hatte, ihr eigenes Restaurant zu eröffnen, war der heute 51-Jährigen sofort klar, dass sie Frauen mit schlechten Perspektiven eine Chance geben will. So arbeiten im «Darjeeling Express», aufgelistet im Michelin-Führer, heute 25 Migrantinnen ohne berufliche Grundbildung. Das Durchschnittsalter liegt bei 50 Jahren. Sie kochen basierend auf den Rezepten, Aromen und Zubereitungsmethoden Khans kaiserlicher Vorfahren in Indien. Ohne Instruktionen, ohne Aufgabenverteilung, ohne Worte. «Wir müssen nicht reden. Wir schauen einander zu und arbeiten intuitiv», erläuterte Asma Khan anlässlich des St. Moritz Gourmetfestivals Anfang Jahr. Im «Darjeeling Express» sind täglich fünf Gerichte im Angebot, gekocht mit Liebe, Intuition und Motivation. «Das aktuelle Arbeitszeit-System in der Gastronomie ist für Männer», bemängelt Khan. Deshalb können die Frauen in ihrem Restaurant selber bestimmen, zu welchen Zeiten sie arbeiten. Das steigere die Leistungsbereitschaft. Um mehr auf die Bedürfnisse arbeitender Mütter einzugehen, wünscht sich Khan mehr Küchenchefinnen und Restaurantbesitzerinnen.
Um weiteren Frauen die Möglichkeit zu geben, ihr Handwerk zu festigen, stellt Asma Khan ihr Restaurant jeweils sonntags angehenden Köchinnen mit Migrationshintergrund zur Verfügung. «So können sie Erfahrungen sammeln, um eines Tages den Sprung in die Selbständigkeit zu schaffen. Zu ihrem 50. Geburtstag machte sich die Küchenchefin ein ganz besonderes Geschenk: «Ich wollte etwas Wichtiges tun.» So eröffnete sie in einem irakischen Flüchtlingscamp ein Café, wo Frauen ihre Gerichte kochen und verkaufen können. Es ist ein sicherer Platz für die Flüchtlinge, der ihnen die Perspektive gibt, künftig von dem Erlös aus dem Verkauf ihrer Speisen zu leben. Für ihr Engagement wurde Asma Khan mehrfach ausgezeichnet. Zudem ist sie die erste englische Köchin, der Netflix in der Serie Chef’s Table ein Porträt widmete.
Ins kalte Wasser geworfen wurde Alexandra Ziörjen. Nachdem die Hoteldirektorin ihres Romantik Hotels l’Etoile in Charmey/FR dem Sous- sowie Küchenchef künden musste, sprang die 39-Jährige im Herbst 2018 notgedrungen in der Küche ein. Nicht, dass sie das ungern tat oder keine Ahnung vom Kochen hatte. Doch war es sehr viel Arbeit, sich neben ihren zwei Buben im Alter von sieben und zehn Jahren um das Hotel und zusätzlich um die Küche der zwei Restaurants mit bis zu 100 Plätzen zu kümmern. Doch sie tat es. Stellte einen Sekretär ein und schrieb die Menükarte auf gutbürgerliche Küche um. «Ich plante das Gourmetrestaurant Nova mittelfristig aufzugeben und im Bistro mit den zwei verbliebenen Mitarbeitern in der Küche eine frische Marktküche ohne Chichi anzubieten.»
Das Handwerk dazu lernte die gebürtige Frankfurterin von der Pike auf (siehe Box rechts). Auch in den vergangenen Jahren stand sie als alleinige Inhaberin des historischen Landhotels mit 10 Zimmern und 14 Mitarbeitern immer mal wieder in der Küche. Kurzfristig versuchte sie mithilfe eines Freundes das Gourmetrestaurant bis Ende 2018 weiterzubetreiben. «Ich wollte meine Stammgäste, die schon länger reserviert hatten, nicht verärgern.» In dieser Zeit wurden ihre verspielten Gerichte, die auf klassischer französischer Basis aufbauten, das erste Mal mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. «Damit hätte ich nie gerechnet. Das war einfach sensationell.» So bindet sie bis heute die Kochschürze für das «Nova» um.
Um Hotel, Restaurant und Kinder unter einen Hut zu bringen, bedarf es Disziplin, Leistungsbereitschaft und viel Freude am Beruf. Alexandra Ziörjens Tage sind durchgeplant – Kinder, Büro, Küche, Büro, Kinder, Küche. Das ist nur mit einem gut eingespielten Team möglich. Täglich begrüsst die Gastgeberin im Bistro morgens die Gäste aus dem Dorf und macht nach dem Abendservice die Runde durch die Restaurants. Viele Gäste seien inzwischen gute Freunde.
«Ich gehe jeden Tag mit Freude zur Arbeit. Oft sind die Kinder mit dabei, essen etwas im Bistro oder helfen in der Küche.» Ihr eigener Chef zu sein, erfüllt die Mutter mit Genugtuung und Stolz. «Es ist schön, so den eigenen Kindern etwas von meiner Mentalität mitzugeben.»
Alexandra Ziörjens Einsatz und Leidenschaft blieben nicht unbemerkt. Anfang Jahr wurde sie in Stuttgart an der «Nacht der Sterne» dafür ausgezeichnet, eines der besten Restaurants der Schweiz zu führen. Seit Beginn dieses Jahres ist sie zudem Mitglied der Vereinigung Jeunes Restaurateurs d’Europe. Und im kommenden Winterquartal werden die Business- und First-Class-Gäste der Fluggesellschaft Swiss ihre Kreationen geniessen können. Zudem wurde sie für den Emotion-Award des deutschen Magazins «Emotion» nominiert.
Mit 19 gewann Daniela Jaun die Servicemeisterschaft des Berufsverbandes Restauration bvr. Mit 20 die Deutsche Juniorenmeisterschaft in Erfurt (D), und dieses Jahr ging sie aus dem Berufswettbewerb Marmite Youngster in der Kategorie Service als Siegerin hervor. «Ich wollte es nochmals wissen», so die Restaurationsfachfrau. «Schliesslich sind aller guten Dinge drei.» Sie sagt, sie habe nicht gedacht, dass sie auch ihren dritten Wettbewerb gewinne. Doch später im Gespräch hört man den Satz «Wenn ich etwas mache, dann mach ich es richtig.»
Dass dies keine leeren Worte sind, zeigt der Erfolg ihres ersten Restaurants Wein & Sein an der Berner Münstergasse. Vor zwei Jahren eröffnet, mauserte es sich innert kurzer Zeit zum gefragten Lokal in der Innenstadt. «Ich bin Gastgeberin mit Leidenschaft. Für mich ist es das Wichtigste, meine Gäste glücklich zu machen. Ich möchte ihnen Genuss und Freude vermitteln.» Dies sei nur möglich mit einem guten Team. Seit Eröffnung darf sie auf Küchenchef Simon Sommer sowie Servicefachfrau Valérie Bieri zählen. Weil Daniela Jauns Konzept bereits nach kurzer Zeit erfolgreich war, konnte sie zudem Christian Oliveira, ehemaliges Mitglied der Schweizer Kochnationalmannschaft, einstellen. «Wir sind vier total verschiedene Typen und doch harmonieren wir. Wir vertrauen einander», so Jaun. Ein offener und ehrlicher Umgang sei ihr sehr wichtig.
Dass Vertrauen auch seitens der Gäste vorhanden ist, spürt die Pächterin täglich an der Front. «Zu unserem Siebengänger bieten wir eine Weinbegleitung an. Dabei gehe ich auf die Wünsche der Gäste ein und verkaufe die Weine mündlich und glasweise.» Das sagt Daniela Jaun zurecht mit etwas Stolz in der Stimme. Schliesslich verfügt das Lokal über 150 Positionen. Europäische Weine seien ihre zweite grosse Leidenschaft. «Ich liebe es, Winzer und Degustationen zu besuchen, neue Weine und Pairings zu entdecken. Diese Welt ist wie eine riesige Spielwiese.»
Um am Ball zu bleiben, engagiert sich die junge Bernerin für den Berufsverband Restauration bvr. «Das Netzwerk des Verbandes hat mir viel geholfen, nun möchte ich ihm etwas zurückgeben.» So zeigt sie den Teilnehmenden am praktischen Vorbereitungskurs für die Berufsprüfung Bereichsleiter/-in Restauration FA, worauf es bei der Prüfung ankommt. Und als Mitglied der Wettbewerbskommission schaut sie an den Berufswettbewerben, dass alles mit richtigen Dingen zu- und hergeht. Sie setze sich gerne «auf der anderen Seite» ein und verhelfe dort zu Siegen. «Diese Einsätze geben mir einen tollen Ausgleich», so die junge Powerfrau. Persönlich möchte Daniela Jaun mit ganzem Herzen in ihrem Restaurant weiterkommen und dereinst das eidgenössische Diplom zur Leiterin Restauration erlangen.
(Sarah Sidler)
Asma Khan
Die 51-Jährige wuchs in Kalkutta auf und zog 1991 mit ihrem Mann nach Cambridge. 2012 studierte sie am King’s College in London Rechtswissenschaften. Danach erlernte sie von Verwandten die alte indische Kaiserküche. 2017 eröffnete sie ihr eigenes Restaurant, das Darjeeling Express. 2016 wurde sie von Business & Entrepreneur Excellence als Business Woman of the Year ausgezeichnet, 2017 als Inhaberin des Restaurant of the Year. Zweimal wurde sie Entrepreneur of the Year. Seit 2019 ist ihr Restaurant im «Michelin» aufgelistet.
Alexandra Ziörjen
Die 39-Jährige lernte ihr Kochhandwerk bei den LSG Sky Chefs der Lufthansa und erreichte die beste Ausbildungsnote in Deutschland. Danach kochte sie auf verschiedenen Positionen in mit Punkten und Sternen ausgezeichneten Küchen in Europa. 2005 wechselte sie vom Herd an die Réception im Grand Hotel Park in Gstaad. 2011 folgte mit dem Romantik-Hotel l’Etoile in Charmey der Schritt in die Selbständigkeit. Ziörjens Kochkünste im Restaurant Nova sind mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
Daniela Jaun
Das 28-jährige, sehr aktive Mitglied des Berufsverbandes Restauration, absolvierte seine Ausbildung im Restaurant Landhaus Liebefeld/BE. Sie arbeitete im Restaurant Schloss Münchenwiler in Murten/BE, im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn (D) und in der Chesery Bar, Lounge, Club Gstaad/BE. Seit dem 1. März 2018 ist sie Pächterin des Restaurants Wein & Sein in Bern. Jaun siegte an der Internationalen Servicemeisterschaft 2011, an der Deutschen Juniorenmeisterschaft in Erfurt 2012 und belegte den ersten Rang am «Marmite Youngster» 2020.