Die Blockchain-Technologie hat viele Branchen in Aufruhr versetzt – auch den Tourismussektor. Die Technologie verändert die Art und Weise, wie Informationen gespeichert und verwendet werden, erhöht die Datensicherheit, verbessert Transaktionen und vereinfacht Kooperationen.
Bitcoin hat die Blockchain-Technologie bekanntgemacht. Die Technologie, die Bitcoin zugrunde liegt, ist so sicher, dass es noch niemandem gelungen ist, Bitcoins von Konten zu stehlen. Diese Sicherheit ist für viele Akteure unterschiedlicher Branchen von grosser Bedeutung. Die dezentrale Speicherung der Blockchain bringt es mit sich, dass Informationen niemals offline gehen oder durch versehentliches Löschen oder einen Cyberangriff verloren gehen können. Wie die Technologie genau funktioniert, wird im Interview erklärt.
Es gibt Vorreiter, die mit dem Tempo der Digitalisierung mithalten: Gemeinsam mit Experten entwickelte Heidiland Tourismus das erste Blockchain-Netzwerk im Schweizer Tourismus. Die Ferienregion eignet sich optimal als Modell-Destination, weil sie auf überschaubarem Raum verschiedene touristische Angebote mit Leistungsträgern unterschied-licher Grösse beheimatet. Der Gast kann auf Basis der Blockchain «Heidichain» einen digitalen Schlüssel beantragen und auf sein Smartphone laden. Dieser ermöglicht es dem Gast, Zahlungen im Restaurant, den Zutritt zur Bergbahn oder die Öffnung der Ferienwohnungstüre mit dem Smartphone zu tätigen. Weitere Ausbauschritte der «Heidichain» sind der Aufbau eines digitalen Marktplatzes und die Entwicklung einer grafischen Benutzeroberfläche zur Echtzeit-Analyse von Daten beispielsweise für die Messung der Besucherströme und Entwicklung innovativer touristischer Produkte.
Ein Experte auf diesem Gebiet ist Daniel Poerschke, Managing Director von «Chain4travel». Er ist unter anderem für die Produktentwicklung einer neuen, dezentralen Infrastruktur für die Reisebranche zuständig. Im Interview spricht er über die Chancen der Blockchain-Technologie und erklärt das System von Grund auf. Dabei macht er deutlich, dass jetzt die Zeit da sei, sich mit der Materie auseinanderzusetzen:
Daniel Poerschke: Bei einer Blockchain handelt es sich um eine Transaktionsdatenbank, in welcher einzelne Transaktionen in Blöcken zusammengefasst werden. Diese Blöcke werden kryptografisch so miteinander verbunden, dass eine lückenlose Historie aller Bewegungen entsteht. Das Besondere daran ist der Gedanke der Dezentralität.
Die Datensätze der Transaktionen werden anders als in zentralen Systemen dezentral auf allen Ser-vern der Netzwerkteilnehmer gespeichert. Jeder Teilnehmer besitzt folglich eine identische Kopie der Transaktionshistorie, wodurch eine nachträgliche Änderung ebendieser unmöglich gemacht wird. Betrug auf der Blockchain wird dadurch praktisch ausgeschlossen.
Die Technologie findet dort Anwendung, wo Prozesse sich effizienter, günstiger und freier gestalten lassen. Ein «Smart Contract», zu Deutsch Computerprotokoll, eine der wichtigsten Komponenten vieler Blockchain-basierter Systeme, gewährleistet eine sichere Ausführung von Geschäftstransaktionen zu minimalen Kosten. Das Hauptmerkmal eines «Smart Contract» ist, dass Vertragspartner sich nicht kennen oder vertrauen müssen, weil die Vereinbarung auf unveränderbaren Computerprotokollen basiert. Da in der Reisebranche oft bilaterale Abkommen geschlossen werden, bietet diese Vereinfachung der Vertragsprozesse Einsparpotenziale und eröffnet neue Kollaborationsmöglichkeiten.
Ein Blockchain-basiertes System kann das Ticketing ohne Transaktionskosten Dritter zwischen Bahngesellschaft und Kunden abwickeln, so dass die Beteiligten mit wesentlich weniger Transaktionskosten rechnen können.
NFT nutzen die Funktionalität der Blockchain, um digitale Anlagen mit fälschungssicheren Echtheitszertifikaten zu sichern. Diese werden auf der Blockchain genutzt, um Besitzverhältnisse sicher und nutzbar zu speichern, was der Reisebranche grossen Nutzen bietet. Beispielsweise können NFTs die Erstellung und das Handling von Gutscheinen, Tickets und Loyaltyprogrammen ver-einfachen. Sie können aber auch genutzt werden, um Buchungen abzubilden, Kundendaten zu speichern und eine nahtlose «Customer Journey» zu kreieren sowie mit verschiedenen Zusatznutzen die Kundenbindung zu steigern.
Das Ziel von «Chain4Travel» ist der Aufbau eines Blockchain-basierten Ökosystems. Das stabile und sichere Netzwerk gibt touristischen Partnern die Möglichkeit, Leistungen – vom Hotelzimmer über den Mietwagen bis hin zur Tasse Kaffee – auf einem Flug mithilfe vereinfachter Prozesse buchbar und darstellbar zu machen. Auf dem Netzwerk finden die Teilnehmenden alle Informationen, die für den Vertrieb von Reisen notwendig sind: Es werden unter anderem Informationen zu Hotel und Room Type Mapping, Covid-Informationen, Sicherheitswarnungen vor aktuellen Ereignissen und Gefahren, Regionsinformationen und vieles mehr live auf die Chain transferiert und in Form von NFTs verfügbar sein. Somit können alle Business-Partner, die mit dem Netzwerk arbeiten, einheitlich auf die wichtigen Daten in der Reisebranche zugreifen. Unsere Camino-Blockchain ist die nachhaltige Infrastruktur für die Reisebranche und die Basis für die Entwicklung vielfältiger dezentraler Anwendungen durch Marktteilnehmer, ob zum Beispiel Airline, Hotel, Veranstalter, Reisebüro oder «Travel Tech»-Unternehmen.
Unsere touristischen Partner entdecken aktuell die Möglichkeiten unserer Camino-Blockchain. So beispielsweise den Aufbau eigener Loyaltyprogramme, deren Programmierung mittels Blockchain-Technologie vereinfacht wird. Oder Gutscheinlösungen, mit denen Hoteliers zu geringen Kosten Neukunden gewinnen können. Ebenso wird es Hoteliers möglich sein, Zimmer dezentral entweder direkt oder mittels Channel Manager anzubieten. Dann wird Blockchain ein Vertriebsweg für Hoteliers sein, der eine geringe Kommissionsrate aufweist.
Ja, insbesondere im Hinblick auf die effiziente Art, wie Tourismusakteure zusammenarbeiten können. Die Camino-Blockchain bietet einen nachhaltigen Gegenentwurf zu einer Vertriebsstruktur, die von einigen wenigen Marktteilnehmern beherrscht wird. Ich zitiere: «Man überschätzt die Veränderungen, die in den nächsten zwei Jahren geschehen werden, aber unterschätzt die Veränderungen der nächsten zehn Jahre.» Wir gehen nicht davon aus, dass in Kürze alle Geschäftsmodelle der Reisebranche auf einer Blockchain abgebildet werden. Wir rechnen aber damit, dass in spätestens zehn Jahren ein signifikanter Teil des globalen Reisegeschäfts auf einer dezentralen Infrastruktur abgewickelt wird.
Daniel Poerschke, Managing Director «Chain4travel»
Das ist richtig. Gut, dass die Fakten für eine Blockchain-Lösung sprechen. Einer der Gründe ist der einfache und grenzübergreifende Zugang zu vielen Märkten und Kunden weltweit. In der aktuellen Tourismuslandschaft bestehen auf technischer Ebene sehr viele Insellösungen, bestehend aus historisch gewachsenen Systemen, die durch ihre Komplexität die Zusammenarbeit der einzelnen Marktteilnehmer erschweren. Die Standards dieser Systeme sind durch grosse Marktteilnehmer definiert und eignen sich gut für einzelne Anwendungsfälle. Jedoch müssen sie immer wieder adaptiert und implementiert werden, während Änderungen nahezu unmöglich sind.
Ja. Bei einer Blockchain-Lösung wie Camino von «Chain4Travel» beispielsweise ermöglicht lediglich eine API-Anbindung den Zugang zu verschiedensten Angeboten und Kollaborationsmöglichkeiten. API ist die Schnittstelle einer Software, die anderen Programmen die Anbindung an diese ermöglicht. Die moderne Reiseindustrie wird von frei ver-fügbaren Daten und Content sowie von sofortigen Monetarisierungsmöglichkeiten profitieren.
Die Interaktion mit der Blockchain benötigt natürlich einen Teil der Bandbreite des Internetanschlusses. Dieser Teil ist mit dem Traffic beim Öffnen einer Internetseite vergleichbar. Bei der Interaktion mit der Blockchain selbst fallen nur Datenpakete in der Grössenordnung von wenigen Kilobyte an. Die Transaktionen summieren sich natürlich und werden in der Blockchain gespeichert, so dass ein grösserer Speicherbe-darf entsteht. Dieser lässt sich am besten in Gigabyte messen. Bei Bitcoin, als der aktuell ältesten Blockchain, sind bisher 412 Gigabyte angefallen. Ich sehe den Platzbedarf der Blockchain daher heute noch nicht als kritischen Faktor. Wir werden aber Möglichkeiten der Komprimierung finden, sobald es die Umstände verlangen.
(Interview Andrea Decker)
Daniel Poerschke ist Managing Director und Head of Product bei «Chain4Travel». Der Technik-Enthusiast studierte International Management und Wirtschafts-informatik (MSc). Er war in der internationalen Hotellerie tätig und arbeitete als Sales sowie Food & Beverage Manager, bevor er als Technical Product Manager und Product Owner bei der Peakwork AG in die Travel-Tech-Welt eintauchte.
Satoshi Nakamoto ist der ursprüngliche Schöpfer von Crypto. Es handelt sich dabei um ein Pseudonym – seine wahre Identität ist unbekannt. 2008 hat er ein Papier mit der Überschrift «Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System» veröffentlicht. Auf neun Seiten beschreibt er dort seine Erfindung – das Bitcoin-System.
Der Begriff Crypto leitet sich aus dem Altgriechischen ab und bedeutet verstecken oder verbergen. Crypto wird auch als Synonym für Coin oder auch Token verwendet. Sie bezeichnen digitale Vermögenswerte und fungieren als Zahlmittel. Sieexistieren nicht in physischer Form wie Papiergeld. Die erste Crypto-währung weltweit war Bitcoin. Sie ermöglicht Transaktionen zwischen einzelnen Personen rund um die Welt, ohne eine Bank miteinzubeziehen.
Die virtuelle Währung Bitcoin erzielte am 20. Juni einen Börsenwert von rund 380 Milliarden US-Dollar und konnte somit die höchste Marktkapitalisierung digitaler Zahlungsmittel aufweisen. Weitere Kryptowährungen wie Ethereum und Tether folgten mit grösserem Abstand.
Die Basis des «Crypto Valley» liegt im Kanton Zug. Und das Netzwerk wächst stetig weiter, wie die «Handelszeitung» berichtet. Über 1100 Firmen aus der Blockchain-Branche gehören bereits dazu. Alle Firmen zusammen erreichen eine Bewertung von über 611 Milliarden US-Dollar. Vierzehn der Firmen werden mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet.
Das «Bitcoin Mining» bezeichnet das Erzeugen von neuen Bitcoins, ähnlich dem Schürfen von Gold. Das Lösen eines Rätsels erfordert eine hohe Rechenleistung und hochent- wickeltes Equipment. Im Gegen-zug werden die «Goldgräber» mit Bitcoins belohnt, die dann in Umlauf gebracht werden. Alleine zu minen lohnt sich jedoch nicht mehr. Deshalb wird diese Tätigkeit über sogenannte «Mining Pools» organisiert, also Gruppen von «Goldschürfern», die sich zusammenschliessen.