Noch bis Ende April 2018 haben Gastronomen Zeit, ihre Speisekarte dem neuen Lebensmittelgesetz anzupassen. Eine gute Gelegenheit, sie attraktiver zu gestalten. Wir zeigen wie.
Wie überall zählt auch bei der Speisekarte der erste Eindruck. Hängt vor dem Lokal eine Menükarte voller Schreibfehler, eine, die nicht mehr aktuell und zu allem Übel auch noch schief platziert ist, liegt es auf der Hand, dass der potenzielle Gast weiterzieht.
«Die Speisekarte sagt viel über ein Lokal aus», weiss Marianne Dubs. Die eidgenössisch diplomierte Betriebsausbildnerin und Inhaberin der Alinnova GmbH unterrichtet unter anderem an der Hotelfachschule Luzern und in der höheren Berufsbildung zum Thema Lebensmittelrecht. In diesen Kursen bittet sie die Teilnehmenden, die Speisekarte aus ihren jeweiligen Betrieben mitzubringen, um diese unter die Lupe zu nehmen. «Die meisten sind viel zu lang, das Angebot zu gross. Ich rate dann, diese zu verkleinern. Das vereinfacht die Lagerbewirtschaftung, und es liegt nicht so viel Kapital am Lager.» Zudem erwecken kleine Karten den Eindruck, dass mit frischen Lebensmitteln gearbeitet wird.
Jetzt ist eine gute Gelegenheit, um die Speisekarte durchzukämmen. Denn die angepasste Lebensmittel Informationsverordnung (LIV) nimmt auch Gastronomen in die Pflicht, einiges genauer zu deklarieren. «Ich sehe die überarbeitete Deklarationspflicht als Chance und denke, sie führt dazu, dass viele Betriebe die Speisekarte verkleinern», so Marianne Dubs. Neu verlangt das Lebensmittelgesetz, dass neben der Herkunft von Fleisch auch diejenige von Fisch deklariert wird. Produktionsland oder Fanggebiet jedes Fisches muss auf der Speisekarte vermerkt werden. Zudem muss ersichtlich sein, ob der Fisch aus Zucht oder Wildfang stammt.
Ein Fehler, der ihr bei der Fleischdeklaration oft auffällt, ist die Auswahl bei der Herkunft. «Das ist nicht erlaubt.» Ist auf der Karte vermerkt: «Lamm: Schweiz und Neuseeland», sei das nicht korrekt. Wenn Fleisch aus einer Produktion stammt, die in der Schweiz verboten ist, muss dies schriftlich deklariert werden. Dazu zählt die Produktion mit Hormonen und Antibiotika oder in der Schweiz verbotene Tierhaltung. Marianne Dubs rät, bei jeder Speise die Tierart für die Roh- oder Basisprodukte anzugeben. Also auch bei Bolognese, Bratwurst oder beim Schnitzel. Bauernbratwurst sei keine Lösung. Denn diese Wurst sei ja nicht aus Bauern gemacht.
Den Trend, auf der Karte bei der Fleischdeklaration möglichst in die Tiefe zu gehen, findet sie gut. Verwendet der Koch Rindfleisch vom benachbarten Bauernhof, vereinfacht es die Rückverfolgbarkeit bei einem Schadenfall. Zudem kann tiergerecht produziertes Fleisch aus der Umgebung den Gast dazu verleiten, etwas mehr für das Stück Fleisch zu bezahlen. Nur den Lieferanten auf der Speisekarte anzugeben, ist nicht korrekt. Denn der Gast weiss nicht, woher dieser sein Fleisch bezieht.
«Die Deklarationen auf den Speisekarten kommen noch lange nicht so daher, wie sie eigentlich sollten», weiss Marianne Dubs. Oft liege das Problem darin, dass für die Gerichte gar keine Rezepte vorhanden seien. Diese würden aber nicht nur eine korrekte Deklaration vereinfachen, sondern auch helfen, die Qualität der Gerichte gleich hoch zu halten.
Neben der korrekten Deklaration von Fisch und Fleisch müssen neu die 14 Hauptallergene aufgelistet werden. Welche dazu zählen, finden Sie in oben mit einem Klick auf das Bilderkarussell. Lebensmittel, die Allergien auslösen können, müssen grundsätzlich schriftlich deklariert werden. Fleissige Gastronomen haben sich bereits Lösungen dafür einfallen lassen. Einige arbeiten mit Spalten am Ende der Zeile, wo die in den Speisen vorkommenden Allergene mit einem Zeichen oder Anfangsbuchstaben des Allergens gekennzeichnet sind. Damit die Speisekarte nicht zu einem unübersichtlichen Zeichensalat verkommt, kann gut sichtbar ein Hinweis platziert werden, dass mündlich über allfällige Allergene nachgefragt werden kann. Das Personal muss informiert sein und Auskunft geben können oder eine fachkundige Person hinzuziehen. Es muss jedoch schriftlich festgehalten sein, in welchem Gericht welche Allergene vorkommen. Marianne Dubs rät dieses Vorgehen insbesondere Lokalen, welche die aktuell verbreiteten Sharing Plates anbieten – viele kleine Gerichte, die man teilt.
Eine weitere Neuerung des Lebensmittelgesetzes, die die Gastronomie betrifft, ist die Deklaration der Nährwerte auf vorverpackten Lebensmitteln. Verkauft der Gastronom also Konfitüren, Speisesalze oder Saucen, muss der Inhalt dieser Produkte genau angegeben werden. «Achtung bei Geschenken an Ihre Hotelgäste oder Stammkunden», mahnt Marianne Dubs. «Auch ein Päckchen selbstgebackener Weihnachtsguetzli muss angeschrieben sein.»
Was einen grossen Aufwand darstellt, ist auch eine Chance. Eine sorgfältig zusammengestellte Speisekarte dient nicht nur als Visitenkarte, sondern auch als Produktberater und Verführer und hat als Marketinginstrument erheblichen Einfluss auf den Umsatz. Um diesen zu erhöhen, gibt es einige Tricks: «Die Spezialitäten des Restaurants und Gerichte, die man pushen möchte, sollten auf der ersten rechten Seite stehen», sagt Cécile Riner. Die Geschäftsführerin der Firma Spot-Tech Medien AG berät Kunden betreffend Auswahl und Gestaltung von Speisekarten. Empfehlenswert sei es, die margenträchtigen und beliebtesten Artikel jeweils an die Spitze der jeweiligen Rubrik zu setzen. Weniger profitable Speisen führt man im unteren Teil der Liste auf. Wenn die Gerichte mit einer kurzen Beschreibung versehen sind, fühlen sie sich weniger teuer an. Das teuerste Lebensmittel im Gericht wird als Erstes erwähnt.
Gemäss Cécile Riner verhelfen hochwertige Speisekarten auch zu einem höheren Umsatz. «Die Speisekarte ist die Visitenkarte des Restaurants.» Dabei sollte beachtet werden, dass die Farbe zur Einrichtung und zum Logo des Restaurants passt, die Gestaltung zum Konzept. Im Trend liegen einfache Speisekarten mit Klammern, um die auf A4-Blättern gedruckten Menüs einfach auszuwechseln. «Die dicken braunen Speisekarten mit goldenen Ecken haben ausgedient.»
Zur Vorsicht rät sie beim Einsatz von Bildern: «Wenn, dann würde ich allgemeine Bilder zeigen. Sonst will der Gast ganz genau das essen, was auf dem Bild zu sehen ist.» Wer ein Foto zeigen möchte, könne dies zum Beispiel bei der Begrüssung und Vorstellung des Teams auf der ersten linken Seite der Speisekarte tun.
Wer hingegen gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Fotos der Speisen macht, ist Sabrina Marbacher, Inhaberin des vietnamesischen Lokals Co Chin Chin im Zürcher Kreis 4. Seit der Eröffnung des Restaurants im November 2016 ist es stets sehr gut besucht. Jede Rubrik wird online jeweils mit einem Bild eingeführt. «Mit den Fotos können wir unseren Gästen zeigen, wie die teils unbekannten Gerichte aussehen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Gerichte, die wir bebildern, häufiger bestellt werden als andere. Die Reisnudelsuppe mit Krabbenfleisch hat sich sogar zum Bestseller gemausert.» Sie weist aber darauf hin, dass es wichtig ist, mit professionellen Fotos zu arbeiten. Auch haben einige Gastronomen die Erfahrung gemacht, dass bebilderte und im Internet oder auf Facebook verbreitete Mittagsmenüs häufiger bestellt werden. Werden die Menüs ohne Bild veröffentlicht, kommen weniger Reservationen herein. Mit den sozialen Medien zu arbeiten, bietet sich besonders für neueröffnete Betriebe an, die sich der potenziellen Kundschaft vorstellen möchten. Das Restaurant Alpineum in Luzern sowie das «Kokoro» in Zürich konnten sich so innert kurzer Zeit einen treuen Kundenstamm aufbauen.
Lediglich digital arbeitet das Restaurant El Divino in Luzern seit diesem Oktober. Dort bestellen die Gäste online per Tablet. Dies hat den Vorteil, dass man vertieft auf die verwendeten Zutaten, wie etwa Fleisch, eingehen kann. Und es liege im Trend: Laut einer Umfrage in Deutschland wünschten sich 70 Prozent der unter 35-Jährigen, in Restaurants mit Tablets zu bestellen.
(Sarah Sidler)