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Streit um die «Milchbar» eskaliert

Ein Multimillionär fühlt sich der Nachtruhe beraubt – obwohl er nicht vor Ort ist. Ein Machtspiel am Zürcher Paradeplatz.

  • Der Garten des Restaurants Milchbar: Hier muss um 22 Uhr Ruhe herrschen. (ZVG)
  • Sind die «Milchbar»-Gäste wirklich lauter als die plätschernden Löwen? (ZVG)
  • Die «Milchbar»-Gastronomen Florian Weber (l.) und Michel Péclard streiten sich mit dem Ehepaar Valsangiacomo-Brandestini. (ZVG)

Der Streit um die «Milchbar» eskalierte am vergangenen Donnerstag: Auf der einen Seite die Beiz am Zürcher Paradeplatz, die zur Pumpstation Gastro GmbH des umtriebigen Gastronomen Michel Péclard gehört. Auf der anderen Seite das Ehepaar Bruno und Claudia Valsangiacomo, das in unmittelbarer Nachbarschaft einen Hausteil besitzt.  

Der Streitpunkt: Laut Gerichtsbeschluss ist der «Milchbar» der Aussenbetrieb seit letztem November bis 22 Uhr gestattet. Davor durften die Betriebe im Zentralhof am Paradeplatz stets bis 24 Uhr aussen wirtschaften. Das 2014 eingereichte Gesuch für den Umbau der Milchbar erleichterte dem Nachbarn dann die Einsprache und er erreichte die frühere Schliessung des Aussenbetriebs. Wie Michel Péclard nun in einem halboffenen E-Mail erzählt, lasse Valsangiacomo das Restaurant mit Kameras überwachen, «ob um 22.02 Uhr noch jemand vor der Milchbar steht, um sofort die Stadtpolizei ausrücken zu lassen».  

«Es ist ein reines Machtspiel», nervt sich Péclard. «Das Paar hat Anwesen rund um die Welt und den offiziellen Wohnsitz in Zollikon. Es ist praktisch nie vor Ort.» Das von Péclard angestrebte Treffen mit der Gegenpartei sei gescheitert, Valsangiacomo habe drei Anwälte auf den Betrieb losgejagt und diesen abgemahnt.  

Überwacht der Multimillionär die «Milchbar» mit Kameras?

Die Hotellerie Gastronomie Zeitung kontaktierte Bruno Valsangiacomo, dessen Familie gemeinsam mit jener seiner Frau laut «Bilanz» 550 Millionen Franken besitzt. Von reiner Schikane will der Vorstandsvorsitzende der Tectus Group nichts wissen – im Gegenteil: «Michel Péclard hält sich nicht an die Spielregeln. Doch wir sind nicht der Nachbar, der um 22.10 Uhr das Restaurant anruft und um Ruhe bittet. Wir haben nie vor 22.30 Uhr angerufen, manchmal sogar erst um 23 Uhr oder noch später. Und die Polizei haben wir noch gar nie benachrichtigt.»  

Anfangs sei das Verhältnis sogar gut gewesen, ehe der Gastronom sein Konzept umgestellt habe. «Dann kam das Partyvolk, urinierte in die Büsche, kotzte vor die Haustür und konsumierte Drogen.» Diese Vorwürfe dementiert Péclard vehement: «Das ist eine bösartige Lüge.» Valsangiacomo  bestreitet zudem, die Kameras zur Überwachung der Milchbar installiert zu haben: «Mit ihnen überwachen wir unser Haus. Sie gehören zum Sicherheitssystem. Die meisten waren schon vor der Milchbar da. Es kann seine, dass die eine oder andere im Lauf der Zeit hinzugekommen ist.» Pikant ist jedoch, dass die Kameras auf die Milchbar zielen, wie auch Valsangiacomo weiss. «Meine Anwälte klären zurzeit ab, ob wir damit Bestimmungen missachten. Falls ja, würden wir Anpassungen vornehmen.»  

Doch weshalb reklamiert das Ehepaar Valsangiacomo sogar dann, wenn es gar nicht vor Ort ist? «Dazu ist unser Sicherheitspersonal angewiesen. Péclard soll sich an die Spielregeln halten. Andere können sich nicht gegen Péclard wehren. Ich schon. Ich könnte das Geld aber gut anders gebrauchen.» Klingt doch nach einem Machtspiel, oder? « Nein, ich führe Unternehmen mit Tausenden von Mitarbeitern. Ich habe weder Zeit noch Lust, zu prozessieren.»  

Auch das «Puro» kriegt Beschwerden

Neben der «Milchbar» muss sich auch der andere Betrieb im Zentralhof, das Restaurant Puro, mit den Beschwerden des Multimillionärs herumschlagen. «Sie lassen manchmal einen ihrer Anwälte ausrücken, damit dieser die angebliche Nachtruhestörung mit der Fotokamera festhält – obwohl das Ehepaar selber gar nicht anwesend ist. Mit einer Reihe von Falschaussagen hetzten sie die Behörden auf uns» sagt «Puro»-Mitbesitzer Till Spillmann im «Tages Anzeiger». «Niemand ausser dem Paar fühlt sich durch den Betrieb gestört.» Keine einzige Lärmbeschwerde habe sie bis heute erreicht.  

Machtspiel oder nicht – noch am selben Tag, an dem Péclard per Mail über den Streit informierte, erliess Valsangiacomo über seinen Anwalt ein nächstes Schreiben an den Gastronomen: Die vereinbarten 1,8 Meter würden in der Durchgangspassage nicht eingehalten. «Schade», findet Péclard. «Wir haben 1,5 Millionen Franken investiert, das «Puro» vermutlich ebenso viel. Wir wollten etwas Tolles, Sympathisches für alle gestalten. Der Zentralhof hatte schon immer zwei Gastrobetriebe und ist ein öffentlicher, wunderbarer Platz inmitten der Stadt. Wir gingen davon aus, dass wir gut aufgenommen werden und es jedem Nachbarn klar ist, dass in der Innenstadt Menschen geniessen, essen und trinken möchten. Mir fehlen die Worte.»  

HGU-Rechtsberater appelliert an Toleranz

Péclard befürchtet nun, dass seinem Betrieb die Öffnungszeiten weiter gekürzt werden könnten. «Muss die Gartenwirtschaft früher geschlossen werden, kann ich den Laden dicht machen. Ohne Aussenbetrieb ist er nicht zu führen.» Stefan Unternährer, Rechtsberater der Hotel Gastro Union, bedauert den Konflikt: «Rechtlich hat das Ehepaar alle Trümpfe in der Hand, zumal der Entscheid gefällt wurde, dass um 22 Uhr Schluss sein muss. Ich appelliere aber, an dieser belebten Lage eine gewisse Toleranz gegenüber der Gastronomie zu zeigen.»  

Ob man den Streit nun ein «Machtspiel» nennt oder nicht – Fortsetzung dürfte folgen.

(Benny Epstein)


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