Treuhänder stehen unter massivem Druck

Seit März 2020 gibt die Pandemie den Takt an. Treuhänder, die Kunden in Gastronomie und Hotellerie betreuen, müssen sich jeweils innert Rekordzeit Fachwissen aneignen – für jeden Kanton ein anderes.

  • Kaum hat man ein Thema einigermassen verstanden, kommt auch schon das nächste: Arbeitsalltag für Treuhänder in der Gastronomie. (ZVG)
  • Quelle: Eidgenössisches Finanzdepartement

Seit die Pandemie das Zepter übernommen hat, liegt bei den Treuhandbüros kein Stein mehr auf dem anderen. «Es war schon immer so: Wenn man nicht mehr weiter weiss, ruft man seinen Treuhänder an. Aber so, wie es im Moment ist, haben wir das noch nie erlebt», sagt Simon Bachmann von der Treuhandfirma Katag & Partners AG aus Kriens/LU. Er nennt das Beispiel Kurzarbeit: «Die Betriebe waren damit komplett überfordert. Was darf man? Was darf man nicht? Wann kriege ich Geld? All diese Fragen wurden an uns herangetragen. Wir reagierten umgehend und haben unsere normalen Frühlingsarbeiten zurückgestellt, um für die Kunden da sein zu können», sagt Simon Bachmann.

Die Kontaktaufnahme hinsichtlich administrativer Unterstützung sei um das Zehnfache gestiegen. Hingegen sei die Nachfrage nach Schätzungen von Gastronomieobjekten sowie Unterstützung bei Projektstudien kurzfristig rasant gesunken.

«Schützen, was man hat und nicht blockiert sein durch Sorgen von morgen, lautet die Devise.»

 

Aktuell sind Bachmann und seine Kollegen sehr stark bei den Härtefallgeldern engagiert. Und kriegen dabei den Föderalismus zu spüren. «Zum Beispiel in Luzern ist der Antrag auf Härtefallgelder unkompliziert und dauert ungefähr zehn Minuten. Im Nachbarkanton Obwalden hingegen ist er sehr komplex und nimmt bis zu einem Tag Aufwand in Anspruch», sagt Simon Bachmann. Hinzu komme, dass mit unterschiedlichen Ellen gemessen werde. Vergleichbare Betriebe, die in einem Kanton vielleicht zehn bis zwanzig Prozent des Umsatzes der Vorjahre  kriegen, bekommen in einem anderen Kanton unter Umständen gar kein Geld. Und das, obwohl  beide behördlich geschlossen wur-den. «Die Entschädigungen müssten national für alle gleich geregelt sein», fordert Bachmann und ergänzt: «So, wie dies aktuell zum Beispiel beim Corona-Erwerbsersatz der Fall ist.»

Treuhänder bauten von heute auf morgen Kompetenzzentren auf

Fragestellungen rund um den Corona-Erwerbsersatz sowie die Härtefallgelder beschäftigen auch die Treuhänderinnen und Treuhänder der Gastroconsult AG. «Die Betriebe sind sich nicht sicher, für wen und unter welchen Umständen der Corona-Erwerbsersatz beantragt werden kann.  Hinzu kommt, dass bei einigen Betrieben noch ausstehend ist, ob und in welcher Form sie Härtefallgelder erhalten. Wir warten daher noch mit einigen Jahresabschlüssen», sagt Hans Haueter, Geschäftsleitungsmitglied der Gastroconsult AG mit Hauptsitz in Zürich.

Es sei kein leichtes Unterfangen, der Informationsflut Herr zu werden. «Ich muss unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich ein Kränzchen winden. Sie haben einige Abende geopfert, um beispielsweise die Abrechnungen für die Kurzarbeit noch rechtzeitig einzureichen.» Die Auslastung sei zu Beginn der Pandemie natürlich besonders hoch gewesen: «Verordnungen kamen in Windeseile zustande, Formulare wurden zum Teil im Zweiwochenrhythmus geändert», sagt Hans Haueter.

Um den Aufwand in Grenzen zu halten, habe man versucht, alle Coronarelevanten Themen zu zentralisieren. «Wir mussten allerdings schnell feststellen, dass das nicht geht. Zu den Unterschieden zwischen den 26 Kantonen kommen zum Teil auch unterschiedliche Lösungen zwischen den Kassen innerhalb der Kantone hinzu», sagt er. Dass die rechtliche Lage so komplex ist, habe aber auch seine guten Seiten: «Wir konnten im vergangenen Jahr einige Neukunden gewinnen, weil deren Treuhänder, die sonst kaum Kunden aus der Gastronomie hatten, die Betriebe nicht ausreichend beraten konnten.»

Bei den Härtefallhilfen gilt: auch das Kleingedruckte lesen

Der Vertrautheit mit der Branche zum Trotz ist es auch für auf Gastronomie spezialisierte Firmen kein leichtes Unterfangen, à jour zu bleiben. Bei der Deka-Gastronomie-Treuhand AG mit Sitz in Zürich und Frauenfeld/TG sind drei Leute seit Beginn der Pandemie quasi ohne Unterbruch damit beschäftigt, sich in die Thematik  einzulesen.  

Geschäftsleiter Daniel Deutscher sagt: «Wir sind immer wieder aufs Neue daran, Lösungen zu finden, die einigermassen ‹verheben›, ohne zu wissen, was morgen ist. Für uns Treuhänder, die es gerne sehr genau und strukturiert mögen, ist das kaum auszuhalten», sagt er.

Bis vor der Corona-Pandemie habe es immerhin die Sicherheit des Gesetzes gegeben. Darunter beispielsweise die AVIG-Praxis KAE, die eigentlich die Kurzarbeitsentschädigung regle. Darauf könne man sich nun nicht mehr verlassen. Und kaum sei ein Thema durch, komme schon das nächste. In einem Kanton ein bisschen früher als im anderen und mit unterschiedlichen Regelungen und Verordnungen.

Für Daniel Deutscher ist unerklärlich, weshalb der Bund nicht auch die Härtefallgelder national geregelt hat: «Bei den Covid-19- Krediten ging es doch auch.»

«Als die Covid-19- Kredite aufgegleist wurden, war ich um vier Uhr morgens im Büro und hab mich eingelesen, damit wir um acht die Anträge stellen konnten.»

 

Allerdings seien die Härtefallhilfen mit Vorsicht zu geniessen.  Deutscher erläutert: «Im Kanton Thurgau etwa müssen Gastronomen gegenüber dem Staat selbst dann noch Auskunft über die finanzielle Situation erteilen, wenn das Darlehen längst abbezahlt ist. Je nachdem, um welche Rechtsform es sich beim Betrieb handelt, gar über den Tod hinaus.»

Aufwände der Treuhänder werden nicht weniger, trotz Lockdown

Hinzu kämen bei den Härtefallhilfen etwa Einschränkungen im Bereich von Darlehensrückzahlungen und bei der Ausschüttung von Dividenden. «Trotzdem haben viele Gastronominnen und Gastronomen den Antrag unterschrieben. Viele unserer Kunden haben die Gelder zwar noch nicht aufgebraucht, sind aber froh, dass sie diese haben.»

Die Belastung ist auch für die Treuhänder immens, sagt Daniel Deutscher: «Es ist eine Dauerbelastung, die stark auf Einzelschicksalen beruht. Uns ist bewusst, dass ein Betrieb vielleicht kein Geld bekommt, wenn der Antrag zu spät abgeschickt wird. Also bleiben wir im Zweifelsfall länger.» Mittlerweile sei immerhin der Anspruch auf Härtefallgelder auf nationaler Ebene geregelt. Er sagt: «Bei der Ausführung hat der Kanton Zürich eine Vorbildfunktion. In den Kantonen Thurgau und Schaffhausen hingegen sind die Hürden hoch und die erhaltenen Gelder tief.»

(Désirée Klarer)


Härtefallgelder: Gros der Gesuche wurde bearbeitet

Bei der Verteilung der Härtefallgelder durch die Kantone gibt es grosse Unterschiede. Immerhin scheinen diese, anders als noch im Januar, bei der Bearbeitung der Gesuche mehrheitlich auf Kurs zu sein. 

Die Schweiz hat 26 Kantone und damit 26 unterschiedliche Vorgehen bei der Bearbeitung der Härtefallgesuche. Willkommen im Föderalismus. Glücklich schätzen können sich laut Treuhänder jene, deren Betrieb zum Beispiel im Kanton Zürich ist. Im Vorzeigekanton sei die Antragsstellung unkompliziert und die Auszahlung erfolge innert nützlicher Frist, sind sich die Fachleute einig (siehe Lauftext links).

Das sieht man auch an den Zahlen des Zürcher Finanzdepartements. Von den eingereichten 6375 Gesuchen (Stand 30. März 2021) wurden bereits 85 Prozent behandelt. Bewilligt wurden Darlehen und A-fonds-perdu-Beiträge in der Höhe von 580 Millionen Franken.

Grosse Spanne zwischen Beträgen

Eine noch bessere Quote hat der Kanton Glarus vorzuweisen. Dort wurden bis Ende März 186 Anträge für Härtefallgelder eingereicht. Bis auf 11 wurden alle bearbeitet, wie die «Südostschweiz» berichtet. Von den 21,5 Millionen in Glarus zur Verfügung gestellten Härtefallgeldern wurden 6,7 Millionen Franken gesprochen.

Im Kanton Obwalden wurden 184 Härtefallgesuche eingereicht (Stand 1. April 2021). 130 wurden geprüft und über 70 Prozent davon wurden gutgeheissen. In Bern wiederum können sich 1520  von 2090 Gesuchsteller glücklich schätzen. Die ausbezahlte Summe beträgt 106,1 Millionen, wobei die Summen der einzelnen Beträge stark variieren (von unter 1000 Franken bis 750 000 Franken). In den aufgeführten Kantonen stammt der Grossteil der Gesuche aus der Gastronomie und Hotellerie.

(Désirée Klarer)


Corona-Erwerbsersatz: im Dschungel der Ansprüche

Viele Gastronomiebetriebe in der Schweiz werden von Einzelpersonen oder Paaren geführt. Diese haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, sondern müssen EO-Leistungen beantragen.  

Kein Lohn mehr, weil der Betrieb behördlich geschlossen wurde und demzufolge kein Umsatz mehr generiert werden kann. Das war zu Beginn der Corona-Pandemie für viele Selbständigerwerbende Realität.

Zum Glück sprang der Bund mit den Corona-Erwerbsersatzentschädigungen (EO-Leistung) in die Bresche. Anspruch darauf haben zum einen Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung (Inhaber von GmbH oder AG) und deren mitarbeitende Ehegatten/eingetragene Partnerinnen. Zum anderen Selbständigerwerbende sowie deren Ehegattinnen/eingetragene Partner.

Das gilt nicht nur für Leiter von Betrieben, die behördlich geschlossen worden sind, sondern auch für von abgesagten Veranstaltungen über 50 Personen betroffene Betriebe sowie bei massgeblichen Umsatzeinbussen. Massgeblich ist die Einbusse, wenn im Vergleich zu den Jahren 2014 bis 2019 mindestens 40 Prozent  Umsatz eingebüsst wurde.

Gastrosocial mit Auszahlung der EO-Leistungen im Rückstand  

Bei der Ausgleichskasse Gastrosocial hat sich die Anzahl der Anträge auf Erwerbsersatzentschädigung verdreifacht. Pro Monat sind es rund 20 000 Gesuche und 40 000 Anrufe, die Gastrosocial erreichen. Das berichtet der Wirteverband Basel-Stadt auf Facebook.

Zum einen sei dies darauf zurückzuführen, dass das Gastgewerbe am stärksten von den Corona-Massnahmen betroffen ist. Zum anderen sei es für die Gastronominnen und Gastronomen nicht so einfach herauszufinden, ob jemand in arbeitgeberähnlicher Stellung anspruchsberechtigt sei oder nicht.

Die Folge: Betriebe reichen die Anmeldungen falsch ausgefüllt oder unvollständig ein, was zu weiteren Verzögerungen führt. Gastrosocial geriet mit der Auszahlung der EO-Leistungen ganze zwei Monate in Verzug. Gastrosocial hat das Bundesamt für Sozialversicherungen und den Bundesrat auf das Problem hingewiesen, aber nur abschlägige Antworten erhalten, so der Wirteverband Basel-Stadt weiter.

(Désirée Klarer)


Treuhand-Experten

Daniel Deutscher

Der diplomierte Hotelier-Restaurateur SHV und Treuhandexperte Daniel Deutscher ist Inhaber der Firma Deka Gastronomie-Treuhand AG mit Standorten in Zürich und Frauenfeld/TG. Das Treuhand- und Beratungsunternehmen begleitet an die 70 Betriebe in der Deutschschweiz sehr eng mit einer Vielzahl unterschiedlicher Dienstleistungen. 

Simon Bachmann

Der Spezialist in Treuhand- und Unternehmensberatung hat unter anderem langjährige Erfahrung in der Mandatsleitung sowie Erfahrung in der operativen Führung eines KMU als CFO. Seit 2018 ist Simon Bachmann bei der Katag & Partners AG als Partner tätig. Die Treuhandfirma betreut gut 300 Betriebe. 60 Prozent davon gehören zur Gastronomie, 40 Prozent sind Teil der Hotelbranche.

Hans Haueter

Der diplomierte Hotelier-Restaurateur EHL und gelernte Wirtschaftsprüfer ist Mitglied der Geschäftsleitung der Gastroconsult AG, Treuhand für Restauration und Hotellerie, und dort ebenfalls Direktor Treuhand und Beratung. Die Firma hat gut 3000 Treuhandmandate inne, verteilt über alle drei Sprachregionen.


Informationen

www.gastro-treuhand.ch
www.katag.ch
www.gastroconsult.ch