Mit einfachen Tricks und ohne viel Aufwand zu mehr Umsatz – das verspricht die Preispsychologie. Schon kleine Anpassungen können die Kauffreudigkeit der Gäste beeinflussen.
Wie viel kostet ein Brot? Oft setzt sich der Preis kostenorientiert zusammen: Die Kosten für Zutaten, Personal, Miete etc. ergeben in der Mischrechnung den Preis des Produkts. «Das ist zwar die einfachste Variante, einen Preis festzulegen. Meistens ist es aber nicht der optimalste», sagt Angela Steffen, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern.
Denn oft widerspiegelt der kostenorientierte Preis nicht den Wert des Produkts für den Kunden. Handelt es sich um ein besonderes Brot, das sonst nirgends erhältlich ist? Ist die Bäckerei die Einzige weit und breit? Oder ist sie bereits offen, wenn andere Läden noch geschlossen sind? All diese Faktoren können dazu beitragen, dass der Kunde bereit ist, mehr für ein Produkt zu bezahlen. «Ein aktuelles Beispiel sind die Skipässe. Ein Skitag bei schönem Wetter ist mehr wert als bei schlechtem Wetter – und darf deshalb auch mehr kosten», sagt Angela Steffen.
Dass schönes Wetter oder Knappheit den Wert eines Produkts steigert, ist nachvollziehbar. Nicht immer allerdings sind die preisbezogenen Entscheidungen der Gäste so rational. Die Wissenschaft des «Behavioral Pricings» – der Preispsychologie – setzt sich damit auseinander, welche Faktoren bei der Wahrnehmung des Preises eine Rolle spielen. Ein Beispiel kennen wir wohl alle: Ein Preis von 199 Franken erscheint günstiger als ein runder Betrag von 200 Franken, obwohl der tatsächliche Unterschied minim ist. Dies, weil die Gäste die Preise von links nach rechts lesen. Die erste Ziffer wird daher stärker beachtet und der Betrag in der Tendenz abgerundet.
Ebenfalls interessant: Wem zuerst das Rundum-Paket mit Frühstück, Massage und Cüpli angeboten wird, entscheidet sich eher für dieses als für die abgespeckte Variante, weil er es als Downgrade empfindet. Wird die günstigere Variante hingegen zuerst angeboten, wirkt das Rundum-Paket eher als teureres Upgrade, auf das man auch verzichten kann.
Wer solche Tipps und Tricks aus dem Behavioral Pricing befolgt, kann bereits mit geringem Aufwand eine Umsatzsteigerung erwirken. So beispielsweise mit einer Vereinfachung des Zahlungsvorgangs. Je weniger sichtbar und einfacher die Zahlung ist, desto geringer ist der vom Gast wahrgenommene Verlust.
Um die Prinzipien des Behavioral Pricings richtig anzuwenden, muss man seine Kundschaft allerdings gut kennen. «Preiserhöhungen durchzusetzen, ist extrem schwierig. Wenn man hier falsch vorgeht, geht der Schuss nach hinten los», warnt Angela Steffen. «Spielraum für preispsychologische Massnahmen gibt es praktisch überall. Dieser ist aber stark abhängig vom angepriesenen Produkt und dem angesprochenen Kundensegment.» So weisen im Bereich Tourismus Einheimische beispielsweise eine weniger hohe Zahlungsbereitschaft auf als Touristen, die in Ferienstimmung und vielleicht nur einmal in ihrem Leben im Land sind. Anstatt also dieselben Preise von allen zu verlangen, kann man Rabatte für Einheimische anbieten und gleichzeitig die Preise für Touristen leicht erhöhen.
Andere Voraussetzungen herrschen zudem beim Luxussegment. Hier ist der Preis ein Qualitätsmerkmal. Auf 99er-Preise sollte daher bewusst verzichtet werden – der Gast ist nicht auf ein Schnäppchen aus, sondern auf ein luxuriöses Erlebnis, das seinen Preis haben darf und oft sogar haben muss.
Verschiedene Zielgruppen weisen demnach verschiedene Beeinflussungspotenziale auf. «Gerade bei touristischen Angeboten kann Preispsychologie einen grossen Effekt haben», sagt Angela Steffen. Denn oft handelt es sich um emotionsgeladene Produkte mit Erlebnischarakter, für welche die Gäste eher bereit sind, mehr auszugeben als für alltägliche Gebrauchsprodukte. Zudem ist die Risikoaversion bei speziellen Erlebnissen hoch. Der Gast bezahlt lieber mehr, als eine schlechte Erfahrung zu riskieren. «Natürlich gibt es unter Reisenden aber grosse Unterschiede», so Steffen. «Single-Reisende wissen oft sehr klar, was sie wollen und lassen sich kaum beeinflussen. Pärchen hingegen geben eher mehr aus, da sie gemeinsam mit dem Partner eine schöne Zeit erleben wollen. Daher verlassen sich Pärchen auch eher auf die Empfehlungen des Anbieters.»
«Das Wichtigste beim Behavioral Pricing ist die Glaubwürdigkeit», sagt Angela Steffen. So führt Knappheit beispielsweise dazu, dass Gäste ein Angebot als sehr beliebt wahrnehmen und daher automatisch als attraktiv einschätzen. Die Knappheit muss allerdings eine echte sein: «Sobald die Gäste das Gefühl haben, vorsätzlich getäuscht zu werden, funktioniert Behavioral Pricing nicht mehr», so Steffen. Ganz davon abgesehen, dass vorsätzliche Täuschung rechtlich verboten ist. So muss sich auch die Buchungsplattform Booking künftig dem EU-Recht anpassen und transparenter werden (siehe Kasten).
«Mit manchen preispsychologischen Massnahmen befindet man sich auf einem schmalen Grat. Man sollte daher behutsam vorgehen und die Grenzen langsam ausloten. Letztlich muss das Ziel der Preisgestaltung der langfristige Erfolg sein.» Fühlt sich ein Gast durch Lockangebote ausgetrickst, wird er kaum wiederkommen oder eine positive Bewertung schreiben.» Glaubwürdigkeit ist daher das A und O in der Preispsychologie.
Aber auch wenn einem Angebot keine Täuschung zugrunde liegt, kann es sich negativ auf die Wahrnehmung des Gastes auswirken. So wird man den Schnäppchenjäger beispielsweise kaum vom teuren Champagner auf dem Zimmer überzeugen können. Ein solches Angebot erscheint ihm überflüssig und kann negative Assoziationen zum Betrieb hervorrufen. Ein Angebot inklusive Frühstück, das nur geringfügig mehr kostet, überzeugt diese Gruppe Reisender schon eher.
Anders als das Dynamic Pricing, bei welchem der aktuelle Marktbedarf anhand automatischer Algorithmen berechnet wird, benötigt das Behavioral Pricing keine riesige Datenmenge als Grundlage. Daher eignet es sich auch für kleinere Betriebe ohne grosse Datenbank. «Ein Beispiel für eine relativ einfach zu realisierende preispsychologische Massnahme ist das Einführen eines Defaults – also einer Vorauswahl – auf der Webseite eines Hotels», erklärt Angela Steffen. Das funktioniert wie folgt: Wer zwei Zimmer in unterschiedlichen Preissegmenten anbietet, kann eines der beiden bereits vorauswählen. So muss sich der Gast aktiv für die andere Variante entscheiden, um die Kategorie zu wechseln.
In der Studie «Upselling by Default» hat Angela Steffen die Auswirkungen einer solchen Vorauswahl wissenschaftlich untersucht. Die Resultate können sich sehen lassen: Bei der Vorauswahl des Standardzimmers wechselten ungefähr 60 Prozent der Gäste in die höhere Kategorie. War das Superior-Zimmer bereits vorausgewählt, stieg der Anteil von Superior-Buchungen auf 70 Prozent (siehe Grafik). Eine Steigerung der Buchungen verzeichnete beispielsweise auch das Reisebüro Baumeler Reisen, als bei gewissen Angeboten der «myclimate»-Klimaschutzbeitrag als Default gesetzt wurde. «Das hat zu signifikant mehr Buchungen dieses Angebots geführt», so Geschäftsführer Serge Brunner.
«Eine solche Massnahme kostet den Betrieb praktisch nichts, hat aber eine spürbare Wirkung», bilanziert Steffen. Grosse Datenauswertungen sind dafür nicht notwendig. Trotzdem sei es natürlich sinnvoll, im Nachgang einer Massnahme die Wirkung zu erheben: «Auch kleine Unternehmen können mit relativ wenig Aufwand erfassen, ob mit einer Anpassung des Defaults tatsächlich mehr Superior-Zimmer gebucht wurden.»
Trotz geringem Aufwand ist das Potenzial von Behavioral Pricing nicht zu unterschätzen. «Preispsychologische Massnahmen können einen überraschend grossen Einfluss auf den Umsatz haben – umso mehr, wenn man sie gebündelt anwendet», sagt Angela Steffen. So ergab die zuvor erwähnte Studie, dass bei der Vorauswahl eines höherpreisigen Angebots eine Umsatzsteigerung bei den entsprechenden Reisen von bis zu vier Prozent erzielt wurde. «Gerade im Vergleich zu den oft geringen Kosten für preispsychologische Massnahmen ist das eine beachtliche Zahl», so Angela Steffen.
Wer die Möglichkeit hat, gewisse Daten seiner Gäste systematisch zu erheben, kann einen Schritt über die herkömmliche Preispsychologie hinausgehen. Dies tut beispielsweise das Radisson Blu Hotel in Luzern. Eine wichtige Rolle spielt hier gemäss General Manager Markus Conzelmann die Mitgliedschaft. Über diese können gezielt Daten über die Gäste gesammelt und intern wiederverwendet werden. «Solche systematisch gesammelten Daten sind heutzutage Gold wert», so Conzelmann. «Dank ihnen wissen wir genau, welche Goodies sich die Gäste wünschen. So bezahlen manche gerne etwas mehr für das Bügeln der Hemden, während für jemand anderen ein Telefon im Zimmer wichtig ist.»
Mit solchen individuellen Angeboten schafft es die Radisson-Gruppe, dass Mitglieder bis zu 20 Prozent mehr ausgeben als Nicht-Mitglieder. «Dank der Erfassung dieser Daten können wir einem wiederkehrenden Whisky-Liebhaber an der Bar beispielsweise einen besonderen Tropfen anbieten. Die Chance, dass er ihn konsumiert, ist hoch. Gleichzeitig schätzen die Gäste solche Aufmerksamkeiten und kehren öfter im selben Haus ein», so Conzelmann. Allerdings müsse beachtet werden, dass nicht alle Daten einfach gesammelt werden dürfen. «Dass ein Gast koscher isst beispielsweise, ist eine private Information und darf auch innerhalb der Gruppe nicht weitergegeben werden.»
Flexible Preise werden immer alltäglicher und insbesondere das Dynamic Pricing wird sich vermehrt durchsetzen. Wer seine Preise rein kostenorientiert festlegt, verpasst hier eine Chance. Anders als beim Dynamic Pricing sind für preispsychologische Massnahmen allerdings keine grossen Datenmengen und grossen finanziellen Investitionen notwendig. Es lohnt sich also, es einfach mal auszuprobieren. Im besten Fall ergibt sich dadurch eine Win-win-Situation: Der Betrieb erzielt einen höheren Umsatz, während der Gast zufriedener mit der angebotenen Leistung und dem Service ist.
(Angela Hüppi)
«Nur noch ein Zimmer verfügbar» heisst es auf der Buchungsplattform Booking.com oft. Wirklich transparent ist das nicht, denn es kann durchaus sein, dass auf anderen Plattformen noch Zimmer erhältlich sind. Dieses Vorgehen hat die EU-Kommission nun gerügt. Unternehmen, die in der EU Geschäfte machen wollten, müssten die hiesigen Verbraucherschutzstandards erfüllen, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders. So hat sich Booking.com verpflichtet, keine Knappheit mehr vorzugaukeln, wenn diese nur auf die eigene Plattform zutrifft. Zudem wird künftig auch nicht mehr behauptet, der Preis eines Angebots sei zeitlich begrenzt, obwohl er auch später noch gilt. Die Änderungen müssen nach Angaben der EU-Kommission bis zum 16. Juni 2020 umgesetzt werden.
Köder-Effekt
Die Wahl eines Produkts wird durch den Vergleich mit anderen Produkten in der Auswahl beeinflusst. Durch so genannte Köderangebote, welche gegenüber anderen Produkten als minderwertig erscheinen, kann die Attraktivität von erwünschten Angeboten gesteigert werden. Einem aus Anbietersicht bevorzugten Package sollte daher ein klar schlechteres Preis-Leistungs-Angebot gegenübergestellt werden, um die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Geschenk-Effekt
Gegenseitigkeit ist ein Grundprinzip des menschlichen Handelns. Konsumenten reagieren entsprechend positiv auf kleine Aufmerksamkeiten oder Gefälligkeiten. Investitionen in den Auf- und Ausbau von langfristigen Kundenbeziehungen zahlen sich aus. Aufmerksamkeiten wie Kundengeschenke, persönliche Vermerke, Events, Stammkunden-Rabatte oder individuelle Produktgestaltung können selbst hohe Preise für den Gast erträglich machen und seine Wiederkaufbereitschaft fördern. Die Gäste empfinden Dankbarkeit und möchten etwas zurückgeben.
Kompromiss-Effekt
Bei einer Wahl zwischen drei Alternativen wird in der Regel die mittlere Alternative bevorzugt. Da Gäste oft unsicher sind, welche Produktattribute ihnen wichtig sind, werden extreme Angebotsalternativen vermieden und ein Kompromiss gebucht. Zusätzlich zu zwei bestehenden Angeboten (z. B. zwei Zimmer-kategorien) wird eine dritte, höhere Kategorie angeboten und die Alternativen nebeneinander dargestellt. Der Kunde kauft so bei drei Produktalternativen oft eine höhere Angebotsklasse als bei nur zwei Alternativen.
Auswahl-Steuerung
Hervorgehobene und auffällige Informationen sind leichter zugänglich und bestimmen mit, worauf die Gäste ihre Aufmerksamkeit richten. Die grafische Darstellung von verschiedenen Angebotsvarianten hat einen Einfluss auf die Produkt-auswahl. Daher sollten die erwünschten Angebotsalternativen grafisch hervorgehoben oder speziell empfohlen werden. Absteigende (z. B. 987), aufsteigende (z. B. 123) sowie konstante Ziffernfolgen (555) erzeugen zusätzliche Aufmerksamkeit für die erwünschten Produkte.
Die Beispiele stammen aus der Pricing Toolbox der Hochschule Luzern (pricing-toolbox.ch). Das gebührenpflichtige Angebot beinhaltet einen Workshop sowie unbegrenzten Zugang zu verschiedenen preispsychologischen Massnahmen.