Wurden in der Schweizer Gastronomie viele Jahre lang vor allem Filets und Entrecôtes serviert, befinden sich die sogenannten Special Cuts nun wieder auf dem Vormarsch.
Bauchlappen, Nierenzapfen, Zwerchfell – in den Schweizer Haushalten kommen solche Fleischstücke nur noch selten auf den Teller. In der Gastronomie nimmt die Verwendung von sogenannten Special Cuts – also Fleischstücke abseits der bekannten Schnitte, früher Metzgerstücke genannt – wieder zu. Zum Glück. Denn ein Tier besteht aus weit mehr als nur Filet und Co. Und oftmals laufen Special Cuts den herkömmlichen Stücken in Sachen Geschmack und Biss den Rang ab. Unter klingenden Namen wie Flank Steak, Secreto, Hanging Tender oder Lagarto lassen sich die Stücke mittlerweile als die Spezialitäten verkaufen, die sie tatsächlich sind.
Einer, der seit Jahren mit Special Cuts arbeitet, ist Moritz Stiefel. Er betreibt gemeinsam mit seiner Frau Luigina Stiefel das Restaurant Stiefels Hopfenkranz in Luzern und steht dort auch in der Küche. «Ich kaufe nur ganze Tiere ein, daher landen bei mir auch alle Stücke auf der Speisekarte», sagt der Koch. Besonders spannend findet Stiefel das Flank Steak, also den Bauchlappen. «Dieses Stück ist geschmacklich sehr intensiv und eignet sich perfekt zum Kurzbraten.» Allgemein rät er bei der Zubereitung von Special Cuts dazu, die Garstufe etwas zu erhöhen. «Solche Stücke würde ich medium schicken, nicht bleu oder saignant.»
Moritz Stiefel bezieht sein Fleisch unter anderem von der Bio-Metzgerei Ueli-Hof in Luzern. Dort beobachtet man ein steigendes Interesse der Gastronomie an Special Cuts. «Wir schlachten zu 100 Prozent alles selbst und verarbeiten nach dem Nose-to-Tail-Prinzip», sagt Geschäftsleiter Martin Schmitz. «Deshalb übersteigt bei uns regelmässig die Nachfrage das Angebot.» Viele der Gastrokunden würden zudem auf Schmorgerichte setzen, so dass sich die Situation umgekehrt habe: «Das Entrecôte ist eher zum Problemstück geworden und gut verfügbar.»
Moritz Stiefel, Stiefels Hopfenkranz, Luzern
Auch beim Zulieferer Transgourmet verzeichnet man eine stetig steigende Nachfrage nach Special Cuts. «Der Nose-to-Tail-Trend hat die etwas in Vergessenheit geratenen Metzgerstücke wieder beliebt gemacht», sagt Corporate Communications Manager Christine Strahm. «Und auch der bewusstere Umgang mit Fleisch und der Respekt gegenüber dem Tier verleihen den Special Cuts eine neue und nachhaltige Bedeutung.» Die richtige Zubereitung erfordere zwar etwas Know-how, sei aber keine Hexerei.
Im Gegensatz zu den sogenannten Edelstücken, die fast alle aus dem Hinterviertel des Tiers stammen, werden Special Cuts aus dem Bauch, der Schulter und der Brust geschnitten. Da die Muskeln in diesem Bereich sehr stark belastet werden, entstehen dicke Muskelfaserpakete. Dadurch erhält das Fleisch eine gröbere Struktur und dabei mehr Biss und Charakter. Oft werden sie als Schmorstücke eingesetzt – dafür sind sie aber eigentlich fast zu schade. Mit dem richtigen Schnitt werden Special Cuts gemäss Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, zu perfekten Kurzbratstücken. Dafür sollten sie gegen die Faser geschnitten und die Sehnen entfernt werden. So wird das kräftigere Fleisch einfacher zu kauen und somit zarter.
Wichtig ist bei den Special Cuts neben der richtigen Zubereitung auch die Lagerung. Die Reifung sorgt dafür, dass das Fleisch mehr Geschmack erhält und zarter wird. Dies aufgrund der Enzyme, die während der Lagerung die Proteinstränge im Fleisch lockern. Special Cuts sollten daher gemäss Proviande mindestens drei bis vier Wochen lang reifen, bevor sie in den Verkauf kommen. Nach dem Braten sollte das Fleisch einige Minuten ruhen. Dadurch entspannen sich die Muskelstränge, die sich unter der Hitze zusammengezogen haben, und das Fleisch wird richtig saftig. Weitere Tipps und Tricks zu Special Cuts finden sich in der folgenden Übersicht.
(Angela Hüppi)
Beim Rind ist das Flank-Steak der Special Cut schlechthin. Es stammt aus der Bauchdecke des Tiers und besteht aus Muskelfasern, die sich einmal längs von einem Ende des Muskels zum anderen ziehen. Gut gelagert, eignet es sich perfekt für den Grill. Das Flank-Steak sollte unbedingt am Stück gebraten und das Fett an der Oberfläche nicht entfernt werden. Unter der Hitze ziehen sich die Muskelfasern zusammen und das Fleisch wird etwas dicker. Auch das Stück vom Schwein kann als Special Cut statt als Wurstfleisch verwendet werden. Das Schweine-Flank ist sogar zarter als das vom Rind.
Der Halsstrang ist direkt neben dem Hohrücken angelegt. Idealerweise löst man den gesamten Strang in einem Stück ab. Auf der Genickseite sollte der Strang grosszügig angeschnitten werden, da er dort stärker durchwachsen ist. Es handelt sich um einen eher unbekannten Schnitt, der sowohl mit seinem kräftigen Biss als auch seinem intensiven Geschmack überzeugt. Für die Zubereitung empfiehlt sich das Kurzbraten – das Fleischstück danach kurz ruhen lassen.
Das sogenannte Müsli ist unter dem Schultergelenk versteckt – ein rundlicher, ovaler Muskel. Beim Schwein wird er nicht länger als etwa acht Zentimeter. Dressiert man das Stück heraus, hat es die Form einer Maus. Das Müsli ist ein gelatinöses Schmorstück, welches normalerweise ins Wurstfleisch wandert. Dabei eignet es sich besonders gut, um im Ofen langsam geschmort zu werden. Gewöhnlich wird das Müsli vom Schwein oder Kalb verwendet.
Das Zwerchfell hat einen intensiven Eigengeschmack und sollte bleu oder saignant kurzgegart werden. Dünn aufgeschnitten können die rosa oder medium rare gebratenen Scheiben zudem auch für Salate oder Sandwiches verwendet werden. Weltweit erfreut sich das Skirt-Steak grosser Beliebtheit etwa in der koreanischen Küche als Basis des Fleischgerichts Bulgogi oder in Japan als beliebter Bestandteil des populären Yakiniku-Grill-Menüs. Das Zwerchfell wird neben Skirt-Steak auch Hampe oder Kronfleisch genannt.
Der Nierenzapfen ist auch bekannt als Hanging Tender, Lombatello, Onglet oder Solomillo de pulmón. Die Sehne in der Mitte des Nierenzapfens sollte entfernt werden – vor oder nach dem Braten. Auch dieses Stück Fleisch wird am besten bleu oder saignant zubereitet. Es zeichnet sich durch einen sehr guten Biss aus und ist daher ideal für Liebhaber von kräftigem Fleisch.
Auch Fledermaus, Kachelfleisch, Schlossbeindeckel oder Spider genannt, ist das Araignée einer der heimlichen Stars der Special Cuts. Die Marmorierung ähnelt einem Spinnennetz und ist verantwortlich für das kräftige Aroma dieses Fleischstücks. Zart und saftig eignet sich das Stück aus dem Innern des Stotzens perfekt als Kurzbratstück und für den Grill.
Oberhalb des Schweine- (und Rinder-)filets verläuft ein separater, dünner Fleischstrang. Er ist genauso zart wie das Filet, endet aber oft als Wurstfleisch. Anders in Portugal, dort landet der Fleischstreifen vom Schwein unter dem Namen «Lagarto» (Eidechse) auf dem Grill. Die Filetkette kann als Ganzes oder portioniert in kleinere «Filets» kurzgebraten werden.
Die Bavette befindet sich zwischen Huft und Stotzen des Rinds und ist wegen ihrer lockeren Struktur besonders beliebt. Am besten schmeckt sie, wenn sie auf dem Grill zubereitet wird. Ihr Fleisch karamellisiert gut, daher kann man sie vor dem Grillieren in Portionen schneiden, um möglichst viel Oberfläche zu haben. Frisch kann die Bavette auch zu Tatar verarbeitet werden.
Das Secreto vom Schwein kann mit oder ohne Fettschicht verwendet werden. Liebhaber bevorzugen die Variante mit Fettschicht, welche etwas länger gegart werden sollte. Mindestens medium sollte das Resultat sein. Das Fleischstück versteckt sich zwischen Rücken und Rückenspeck des Schweins. Dank der starken Marmorierung ist das Secreto extrem aromatisch und eignet sich besonders zum Kurzbraten und Grillieren.
Hierbei handelt es sich um einen etwas vergessenen traditionellen Schnitt, der mehr Fleisch am Knochen hat als die bekannteren, kleineren Spareribs. Man kann das Stück ganz oder portioniert zubereiten. Für die Zubereitung bietet sich der Smoker an, in dem das Fleisch fünf Stunden bei 100 Grad gegart werden sollte. Man kann den Schweinsbrustspitz aber auch wie die klassischen Spareribs zubereiten.
Auch Babettli oder weisses Stück genannt, erinnert dieser flache dreieckige Muskel an eine Haifischflosse. Aus dem inneren Bereich der Hüfte des Rinds oder des Schweins geschnitten, ist das Fleisch kurzfaserig, fein marmoriert und daher sehr zart. Es eignet sich perfekt zum Kurzbraten.
(Quelle Proviande)