Wie von Geisterhand wird Most zu Wein

Nur wenige wilde Hefestämme sind in der Lage, Traubensaft zu Wein zu vergären. Deshalb kommen häufig Reinzuchthefen zum Einsatz.

Hefen sind wichtige Helfer im Hintergrund. (Adobe-Stock)

Vielerorts hat die Ernte der Weintrauben bereits begonnen. Gequetscht als Maische oder gepresst als Saft landen sie in den Gärbehältern. Bei Temperaturen ab zehn Grad Celsius beginnen die Hefen ihr Werk.

Hefen sind überall. Sie haften auf Früchten, schweben in der Luft und lauern in den Kellern. Dennoch gleichen sie einem Buch mit sieben Siegeln. Jeder Winzer hat eine Theorie und die Wissenschaft viele Antworten auf jede Frage. Sicher ist: Hefen sind weder Bakterien noch Pilze.

Die gefrässigen Hefen verwan-deln bei Temperaturen zwischen 10 und 40 Grad Celsius Stärke und Zucker in Alkohol, der Bier und Wein berauscht. Dabei entsteht Kohlensäure, die Brotteig aufgehen und Schaumwein perlen lässt, sowie Wärme und Schwefel, der niemandem etwas zu Leide tut.

Die Hefen polarisieren

1837 fanden Charles Cagniard-Latour, Theodor Schwann und Friedrich Kützing heraus, dass Hefen, damals noch als Bakterien bezeichnet, für die alkoholische Gärung zuständig sind. Das verunsicherte damals viele Winzer.

Heute ist eine Vielzahl an Rein-zucht-Hefen bekannt. Diese werden unterschieden nach ihrem Gärvermögen, der geringen Anfälligkeit für die Bildung von Fehltönen oder der Prägung des Sortencharakters im Wein – wie etwa der Fruchtaromen im aromatischen Sauvignon Blanc.

Die Hefen sterben ab, wenn alle Stärke oder aller Zucker vergoren ist, was trockene Weine ergibt, oder wenn der Alkoholgehalt über 14,5 Volumenprozent steigt. Der Alkohol kann natürlich entstehen oder wie bei aufgespriteten Weinen zugesetzt werden. In Süssweinen erschöpfen sich die Hefen, bevor sie ihre Arbeit zu Ende geführt haben. Mit der Folge, dass viele edelsüsse Weine nur sieben bis neun Volumenprozent Alkohol aufweisen.

Seit längerem erhitzt die Diskussion über Wild- und Kulturhefen die Gemüter. Wilde oder traubeneigene Hefen befinden sich auf den Beeren. Meist sind es mehrere Stämme, die im Gärtank um die Oberhand kämpfen. Damit die guten siegen und keine Fehltöne entstehen, arbeiten viele Winzer mit einer Vorlese, die sie im Kleinen angären lassen.

(Gabriel Tinguely)


Wie die Hefe den Wein beeinflusst

Reinzuchthefen

Mit Reinzuchthefen vergo-re­ne Weine zeigen bereits in ­ihrer Jugend viel Frucht und Schmelz. Sie reifen schneller als spontan mit traubeneigenen Hefen vergorene Weine.

Wilde Hefen

Spontan vergorene Weine duften in jungen Jahren oft erdig, nach Saft von ungewaschenen Rüebli. Sie brauchen einige Zeit im Glas. Mit der Flaschenreife entwickeln sie ihre volle Frucht.

Feinhefen

Nach der Gärung und einem ersten Abzug reift der Wein auf den Feinhefen. Werden ­diese regelmässig aufgewirbelt ­(Bâtonnage), erhält der Wein Schmelz und Fülle.

Autolyse

Während der langen Reifezeit von Schaumwein in der Flasche bilden sich Autolyse-Noten. Dann duftet der Wein angenehm nach Brioche, Zopf oder ­Mandelgebäck.