In der Belle Epoque führte ein direkter Zug von London nach Engelberg. An diese Zeiten will das «Kempinski Palace Engelberg» anknüpfen. Eine Generalprobe half, Schwachstellen vor der Eröffnung auszumerzen.
Sie freuen sich sichtlich auf die Eröffnung. Die Motivation und Vorfreude unter den Mitarbeitenden des «Kempinski» sind spürbar gross. «Es ist so schön, dass wir die ersten richtigen Gäste begrüssen dürfen», sagt Caroline Weidemann. Die 22-Jährige verrät auf Nachfragen mehr zu ihrer Person. «Ich habe vor zehn Tagen in Deutschland meine Ausbildung als Hotelfachfrau abgeschlossen und bin erst den zweiten Tag in Engelberg.»
Der heutige Pre-Opening-Tag ist einer von zwei Probeläufen, die vor der Eröffnung helfen sollen, von Beginn weg einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Als Erstes kamen vor allem Hotelmitarbeitende und Kaderleute der ganzen Kempinski-Gruppe, um alle technischen Einrichtungen im ganzen Haus auf ihre Funktionstauglichkeit zu überprüfen. Beim zweiten Probelauf waren es «Probegäste», die sich persönlich für das Hotel, den Eigentümer oder für das Dorf als Tourismusdestination einsetzen. Darunter auch Journalisten. Das Ganze war jedoch kein reines Freizeitvergnügen. Von jedem Gast wurde ein Feedback erwartet (siehe dazu «Der Check des Hotelzimmers»). Ziel dieser Probeläufe war es, die ganze Einrichtung im Hotel und insbesondere in den belegten Zimmern auf Herz und Nieren zu überprüfen.
Funktionieren alle Lichtschalter, lassen sich der Fernseher anstellen und die Storen schliessen? Wie sieht es im Badezimmer aus? Funktionieren alle Hähne und auch die Klospülung? Fliesst das Wasser in der Dusche, im Lavabo und in der Badewanne ab? «Wir bekamen viele fantastische Kommentare zum Hotel, die uns in unserer Arbeit bestärken und ermuntern», sagt rückblickend General Manager Andreas Magnus.
Ganze fünf Jahre dauerten die Renovationsarbeiten des Hauses. Heute präsentiert es sich in erweiterter Form. Der ehemalige Hotelbau wurde mit einem Neubau ergänzt. Dabei wurde eine Brücke über den bereits zuvor bestehenden Kursaal aus der Zeit der Belle Epoque geschaffen. Dort befinden sich die neuen Seminarräume. Der Kursaal, der sich jetzt wie ein Filetstück in den Bau einfügt, aber im Besitz der Gemeinde Engelberg/OW geblieben ist, wird von der Kursaal AG Engelberg gemanagt. Dieses Prunkstück, das im Baustil der Belle Epoque renoviert wurde, hat Platz für maximal 800 Personen, stehend.
Eine gehobene Küche mit saisonalen und regionalen Einflüssen erwartet die Gäste im Cattani Restaurant. Als Executive Chef verantwortlich ist Michéle Müller (39). Vom Hotel Adlon Kempinski Berlin ging es für sie direkt in die Alpen. Sie ist eine der wenigen weiblichen Executive Chefs in einem Schweizer Luxushotel und bereits seit Februar vor Ort. In dieser Zeit hat sie sich ein regionales Lieferantennetz aufgebaut und ihr Team selber zusammengestellt. Bevor Michéle Müller im Sommer 2017 als Executive Sous-chef zum Hotel-Adlon-Team stiess, konnte sie ein umfassendes Küchen-Know-how in der internationalen Hotellerie sammeln. Länder wie Irland, Italien, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate sind in ihrem Lebenslauf aufgeführt, sämtliche Stationen ihrer Karriere waren ausschliesslich in Fünf-Sterne-Hotels.
Ihre neue Aufgabe in Engelberg ist bereits ihr dritter Einsatz in der Schweiz: Von 2000 bis 2002 war sie als Chef pâtissier im Grand Hotel Kronenhof in Pontresina/GR und von 2008 bis 2009 als Sous-chef im Ferienart Resort & Spa in Saas- Fee/VS tätig. «In Engelberg ist es für mich sehr spannend, weil ich zum ersten Mal in einem neuen Fünf-Sterne-Superior-Hotel meine eigene Vision umsetzen und die Richtung formulieren kann», so Müller. «Die Produkte sind für mich Helden auf dem Teller, und wir Köche sollten dem Gast stets neue Erfahrungen und Interaktionen mit diesen Produkten bieten.» Gerade deshalb ist es ihr wichtig, mit lokalen Lieferanten und Produzenten zusammenzuarbeiten. «Diese kennen ihre Produkte am besten.»
Den Gästen im «Kempinski Palace Engelberg – Titlis Swiss Alps» wird eine handwerklich hochstehende Küche serviert, die sowohl Swissness als auch eine Verbindung von Historie und Modernität bietet – analog den beiden Gebäudeteilen des Hotels. «Durch meine Arbeit rund um den Globus und in ganz unterschiedlichen Hotels und Restaurants hatte ich die einmalige Chance, meinen eigenen Geschmack und meine ganz eigene Leidenschaft für das Essen zu entwickeln.»
Bereits in Deutschland wurde Michéle Müller mit ihrer kulinarischen Frauenpower ein starkes mediales Interesse zuteil. Dabei war sie in zahlreichen Printmagazinen und mehreren Fernsehformaten zu sehen und machte sich dort für Frauen in Führungspositionen stark. Aber nicht nur weibliche Mitarbeiterinnen, sondern junge und passionierte Talente sollen generell im Team von Michéle Müller gefördert werden.
Geschickt wurde bei der Renovation die alte Bausubstanz einbezogen und mit modernen Elementen ergänzt. Verantwortlich für die Innenarchitektur war das Londoner Studio Jestico and Whiles. Die Innenarchitekten haben dabei die klassischen Belle-Epoque-Merkmale des ursprünglichen Hotelbaus hervorgeholt. Für den neuen Gebäudeflügel wurde die Sigrist Schweizer Architekten AG aus Luzern engagiert. Zusammen mit dem sechsgeschossigen Hotelneubau bildet das im Jahr 1904 als Grand Hotel Winterhaus eröffnete, denkmalgeschützte, unweit des Bahnhofs gelegene Hotel eine architektonische Einheit mitten im Bergdorf.
Mosaiken und Marmor in der Lobby, historische Bodenfliesen im so genannten «Wintergarden», wo der Afternoon Tea serviert wird, antike Servierwagen und Milchkännchen im Restaurant Cattani – überall lassen sich historische Elemente entdecken. Teils kam Altes erst bei der Renovation zum Vorschein wie zum Beispiel die Parkettböden im alten «Palace» und die Fliesenmosaiken. Anderes war gut ersichtlich wie die so genannte Cattani-Blume im schmiedeeisernen Treppengeländer. Gerade diese Blume findet sich nun in vielen Elementen des Hauses wieder. Unter anderem wurden sämtliche Kissenbezüge in den Zimmern mit der Cattani-Blume bestickt. Aber auch Kassettendecken, Kronleuchter oder die Nischen in den Schlafzimmern des Belle-Epoque-Flügels erinnern an den Ursprung des Hauses. Farblich dominieren dunstige Grautöne und gedämpfte Farben, die einen Kontrast zu den Marmor- und Mosaikarbeiten bieten. Gleichzeitig sorgen Materialien wie Wolle, Weidengeflecht, Holz, Kupfer und Messing für spezielle Akzente.
Das Cattani Restaurant bietet mit seinen hohen Decken und den doppelt hohen Fenstern einen spektakulären Blick auf die Bergwelt. Als moderner Kronleuchter hängen Kristall-Eiszapfen an einem grossen Teil der Decke. Jeder Kristall ist handgefertigt, und in der Gesamtansicht ist das Relief des Titlis erkennbar.
Die Zimmer und Suiten zeichnen sich durch warme Materialien wie gebürstete Eiche und hellbraunes Leder aus.Der Schlafbereich ist mit Holzpaneelen eingefasst. Verschiedene Texturen sind spielerisch kombiniert, ob gezackt und genäht, gewoben oder gequiltet. Das Badezimmer mit seinen Steinstrukturen und Weisstönen, die mit dem Schiefergrau harmonieren, ist eine private Wellnessoase.
(Ruth Marending)
Das Zimmer ist grosszügig. Die Einrichtung schlicht und harmonisch. Zahlreiche Touchschalter sind für die Lichter im Schlafraum, im Zimmereingang und im Bad gedacht sowie für die Rollladen und Raumtemperatur. Alles funktioniert. Auch der Fernseher flackert bei Berührung der Fernbedienung auf. Der Abfluss im Badezimmer ist in Ordnung. Duschbrause und alle Wasserhähne beim Lavabo sowie bei der Badewanne – alles in Ordnung. Duschmittel, Bodylotion und die üblichen Gadgets wie Wattestäbchen und Duschhaube sind da. Doch wo ist der Zahnputzbecher? Einziger Minuspunkt, den es bis zur Eröffnung zu korrigieren galt.
1897 gründete Berthold Kempinski sein erstes Hotel. Heute ist Kempinski die älteste Luxushotelgruppe Europas.
Der Eigentümer des «Kempinski» in Engelberg ist die Han’s Europe AG, zu der auch das ehemalige «Palace» in Luzern und das Frutt Mountain Resorts auf der Melchseefrutt/OW gehören.
78 Fünf-Sterne-Hotels und Residenzen in 34 Ländern betreibt Kempinski derzeit. Das Portfolio wird laufend mit neuen Hotels in Europa, im Mittleren Osten, Afrika, Asien und Amerika erweitert.
129 Zimmer und Suiten hat das «Kempinski»in Engelberg.
Das Cattani Restaurant hat 120 Sitzplätze innen und 70 auf der Terrasse.
130 Mitarbeitende mit 26 Nationalitäten sind im Engelberger Fünf-Sterne-Superior-Hotel beschäftigt.
Andreas Magnus, ist das «Kempinski Engelberg» Ihre erste Hoteleröffnung?
Andreas Magnus: Ja, es ist das erste Mal, dass ich das rote Band anlässlich einer Eröffnung durchtrennen durfte. In der Vergangenheit habe ich viele Hotel- und Restaurantrenovierungen sowie Neupositionierungen durchgeführt, jedoch ist diese Aufgabe anders, da sie uns erlaubt, ein gesamtes Hotel auf einmal zu positionieren.
Vor der eigentlichen Eröffnung haben Sie eine Generalprobe durchgeführt. Wie ist die gelaufen?
Wir hatten einige «Hardware»- Herausforderungen und ein paar Schwächen bei den Soft Skills, die wir alle beheben konnten. Mit jedem Feedback wurden wir besser, und wir konnten sehen, wie die Menschen mit den physischen Objekten, also den Sesseln, Sofas und Tischen in unseren Räumen umgingen, und wir lernten auf diese Weise, sie richtig zu arrangieren.
Kamen auch wichtige Inputs seitens der Mitarbeiter?
Ja, sicher. Sehr viele sogar. Die Kempinski-Kernwerte, wir nennen sie intern «unternehmerische Leistung», lassen es zu, dass jedes Teammitglied die Möglichkeit hat, direkten Einfluss auf unsere Geschäftstätigkeit zu nehmen. Wir haben hier im Hotel eine flache Hierarchie und verbringen viel Zeit damit, darüber zu sprechen, welche Art von Arbeitsplatz wir schaffen und als Team haben möchten. Dadurch haben wir das Wichtigste für eine Hoteleröffnung erreicht, nämlich eine positive Kultur aufzubauen, in der wir ein Team haben, dass das Gefühl hat, dies ist ein Ort, an dem das Arbeiten schön ist und es ein Teil davon sein möchte.
Der Norweger Andreas Magnus (37), General Manager im «Kempinski Palace Engelberg – Titlis Swiss Alps» und im Frutt Mountain Resort auf der Melchsee-Frutt/OW, war zuvor im Siam Kempinski Hotel in Bangkok tätig. Magnus erlangte das Swiss Diploma im Hotel-Management bei der Cäsar Ritz Hotelschule in Le Bouveret/VS.